Rheinische Post Krefeld Kempen
Propsteiarchiv und seine Schätze geordnet
Experten des Landschaftsverbandes haben über viele Jahre historische Urkunden und Akten gesichtet, restauriert und inventarisiert.
Es hat rund 40 Jahre gedauert, bis ein richtiger Schatz aus der Geschichte der Kempener Propsteikirche geborgen, geordnet und vor allem auch in den historischen Kontext gestellt werden konnte. Am Donnerstag wurde der neue Inventarband zu den Handschriften aus dem Propsteiarchiv vorgestellt. Immerhin handelt es sich bei dem Archiv um eines der ältesten am Niederrhein. Es war ein reiner Glücksfall, dass mit dem ehemaligen Propst Josef Reuter ein Historiker 1976 in Kempen die Pfarrstelle übernahm. Auf dem Spitzboden des Pfarrhauses an der Judenstraße fand Reuter jede Menge ausrangierte Messgewänder und ähnliches, aber eben auch Handschriften und Dokumente. In Hanns Peter Neuheuser von der Archivberatungsstelle des Landschaftsverbands Rheinland (LVR) fand er den passenden Partner für diesen Fund.
Die Archivberatungsstelle sichert alte Bestände und macht sie zugänglich, wie deren Leiter Peter Weber erklärte. Sind alle Möglichkeiten einer Gemeinde erschöpft, selbst ein Archiv zu erforschen und einzuordnen, hilft die Archivberatungsstelle. Schon Anfang der 1930er-Jahre gab es Berichte über das umfangreiche historische Archiv der Kempener Pfarre. Es ist so groß, dass sich in der seit 1958 erscheinenden Reihe der Inventarbände des LVR von den bisher 14 Bänden allein zwei mit Kempen beschäftigen. Ähnliches gibt es nur für die Stiftskirche in Xanten. Die Bereiche sind dabei unterteilt. Es gibt zum einen Inventare für gedruckte Dokumente und zum anderen für Handschriften wie der jetzt erschienene Band.
Archiv-Experte Neuheuser erläuterte die Spannweite seiner Aufgabe, denn nicht alle Handschriften stammten aus Kempen. Es gibt Unterlagen zur Kirche St. Vitus in Mönchengladbach oder auch zu den Clarissen in Aachen. Ein Sammelsurium aus etwa 1000 Urkunden und 8000 Akten musste gesichtet werden. Dabei rechnete er noch nicht einmal zeitgeschichtliche Dinge wie Fotos oder Totenzettel mit.
Die älteste der 65 Handschriften in Kempen ist wohl aus dem 10. Jahrhundert. 56 stammen aus Kempen, neun von außerhalb. Wie diese nach Kempen gelangt sind, ließe sich nicht immer nachvollziehen, so der Historiker. Dies mag mit Gemeindezusammenlegungen, mit der Säkularisierung oder auch, wie bei einem dreibändigen Werk, das sich in Stuttgart befindet, mit Schenkungen zu tun haben.
Immer ist es eine Detektivarbeit, die geleistet werden muss. Manchmal liegt ein Dokument nicht komplett, sondern nur als Fragment mit wenigen Worten vor. Zunächst wird es konserviert, dann müssen die Restauratoren sich mit den Stücken beschäftigen. Nicht immer sind die ältesten oder am schönsten erhaltenen Dokumente die Interessantesten, so Neuheuser. In Kempen gab es zum Beispiel 24 Fragmente im Fundus. Neuheuser, der auch nach seiner Pensionierung an den Urkunden und Schriftstücken des Propsteiarchivs weiter forschte, mag sich nicht entscheiden, welches Stück von den vielen, die er gesehen hat, sein Liebstes ist. Jedes habe eine eigene Geschichte, sagte er. So entpuppte sich ein Fragment als Handschrift aus dem mittelalterlichen Epos „Der Rosengarten”. Die Handschrift aus dem 10. Jahrhundert war eine Schrift über die Disziplin der Pfarreien gegenüber dem Bischof. Das in Stuttgart gefundene Stück, eine dreibändige Handschrift über die„Vita Christi”, wurde im Annenkloster in Kempen verfasst. Er habe bei der Arbeit viele interessante Kontakte zu Historikern aus den jeweiligen Forschungsgebieten knüpfen können, so Neuheuser.