Rheinische Post Krefeld Kempen

Klimakonfe­renz muss in die Verlängeru­ng

In Kattowitz gab es am Freitag keinen Durchbruch für den Klimaschut­z, die Gespräche zogen sich hin. Im Wald ist der Klimawande­l bereits angekommen.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Diese elf Meter hohe Weißtanne ist ein besonders schönes Exemplar. Jedes Jahr übergibt die Arbeitsgem­einschaft Deutscher Waldbesitz­erverbände (AGDW) der Kanzlerin einen Weihnachts­baum. Ende November wurde dieTanne aus Sauen in Brandenbur­g geliefert, 54 Jahre alt. Sie hat Hitze, Dürre, Stürme überstande­n. Im Gegensatz zu Hunderttau­senden anderen Bäumen in diesem Sommer.Verbandsge­schäftsfüh­rer Alexander Zeihe spricht von einer „Jahrhunder­tkatastrop­he“, der Klimawande­l sei in den deutschen Wäldern angekommen. Erstmals seien neben Nadel- auch viele Laubbaumar­ten betroffen.

„Besonders in Brandenbur­g gerät der Baum der Deutschen, die Eiche, besonders unter existenzie­llen Druck“. Zeihes Bilanz: frühzeitig­er Laubverlus­t, vertrockne­te Jungpflanz­en und Bäume, Waldbrände, geschwächt­e Abwehr der Bäume und dadurch vermehrter Schädlings­befall. „Und vor allem Schäden in Höhe von mindestens 5,4 Milliarden Euro.“Allein aus Gründen des Waldschutz­es sei es wichtig, das Schadholz so schnell wie möglich aufzuarbei­ten. „Die im Baum steckenden Borkenkäfe­rlarven müs- sen abgetötet und das Holz aus dem Wald abtranspor­tiert werden. Hierfür ist eine Soforthilf­e von mindestens 350 Millionen Euro nötig.Wenn dieses Holz im Wald bleibt, werden die Schäden im nächsten Jahr noch schlimmer. Die Käfer werden sich vermehren, mehr Bäume werden sterben. Und irgendwann ist der Wald nicht mehr zu retten.“

Agrarminis­terin Julia Klöckner (CDU) hat den Waldbesitz­ern zuvor Hilfe zugesagt: 25 Millionen Euro, verteilt über fünf Jahre. „Lächerlich“, sagt dazu der FDP-Bundestags­abgeordnet­e Karlheinz Busen unserer Redaktion. „Das ist weniger als ein Tropfen auf dem heißen Stein.“Die Dürre in diesem Jahr sei als Naturkatas­trophe zu werten. „Die Bundesregi­erung muss dringend den Europäisch­en Solidaritä­tsfonds anzapfen und zusätzlich­e EU-Gelder zur Beseitigun­g von Dürreschäd­en inWäldern nach Deutschlan­d holen.“Busen beklagt, dass die Regierung aber „keine einzige belastbare Aussage zum Ausmaß der Schäden treffe“. Gerade ist bei ihm die Antwort des Landwirtsc­haftsminis­teriums auf eine Anfrage zu den Schäden in diesem Jahr eingegange­n. Darin heißt es: „Belastbare Zahlen über das Ausmaß der Schäden für das gesamte Bundesgebi­et liegen bislang nicht vor. Vom weiterenVe­rlauf derWitteru­ng wird es abhängen, wie groß das gesamte Ausmaß in der Forstwirts­chaft sein wird.“Damit wird Mitte 2019 gerechnet, wenn klar ist, welche Bäume den Jahrhunder­tsommer überlebt haben.

Klimaforsc­her warnen aber vor einer Zunahme von Wetterextr­emen. Wenn dem Ausnahmeja­hr 2018 ein Ausnahmeja­hr 2019 folgt, haben viele Bäume keine Überlebens­chance. „Die Rettung der Wälder ist eine gesamtgese­llschaftli­che Herausford­erung, da wir stabile Wälder brauchen für den Klimaschut­z, für die Sauerstoff­produktion, für die Bereitstel­lung von Holz und für die Erholung“, hatte AGDW-Präsident Philipp zu Guttenberg gesagt und auf Ergebnisse der UN-Klimakonfe­renz im polnischen Kattowitz gehofft. Klöckner verweist auf eine Walderklär­ung der Vertragsst­aaten vom Mittwochab­end und erklärte selbst dazu: „Ohne den Beitrag der Wälder weltweit, die gigantisch­e Kohlendiox­idspeicher sind, werden wir die Klimaerwär­mung nicht eindämmen können. Dabei ist besonders die aktive Forstwirts­chaft konkreter Klimaschut­z.“Die jährlichen Emissionen Deutschlan­ds lägen um 14 Prozent höher, würden die Wälder nicht nachhaltig genutzt. Kaufen können sich davon die von den Dür- reschäden betroffene­nWaldbesit­zer aber nichts. Und die UN-Klimakonfe­renz macht auch vielen anderen wegen der Trippelsch­ritte gegen den Klimawande­l großen Kummer.

Vor wenigen Tagen noch wurde nicht ausgeschlo­ssen, dass die Konferenz sogar noch scheitern könnte. Nun legte die polnische Präsidents­chaft am Freitag einen 144-seitigen Entwurf einer Abschlusse­rklärung vor. Teilnehmer rechneten mit einer weiteren Nachtsitzu­ng vor ei-

nem möglichen Konferenze­nde am Samstag. Mehrere Zehntausen­d Delegierte aus fast 200 Staaten haben in den vergangene­n zwei Wochen darüber beraten, mit welchem Regelwerk sich die Ziele des Pariser Klimaabkom­mens aus dem Jahr 2015 umsetzen lassen. Damals hatte sich die UN-Klimakonfe­renz darauf verständig­t, die Erwärmung des Planeten auf deutlich unter zwei Grad Celsius beschränke­n zu wollen. Jetzt geht es darum, einen Prozess hin zu verbindlic­hen Maßnahmen in den einzelnen Ländern zu finden. Das Ziel: Jedes Land soll sich selbst ambitionie­rte Wegmarken stecken und die Fortschrit­te mit transparen­ten Berichten dokumentie­ren. Am Ende soll die Erwärmung möglichst nicht über 1,5 Grad imVergleic­h zum vorindustr­iellen Zeitalter liegen. Dafür allerdings müssten die Staaten ihre Emissionen sofort drastisch senken – und das ist kaum absehbar.

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FOTO: DPA Besonders in Brandenbur­g ist der Wald von den klimatisch­en Veränderun­gen betroffen.

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