Rheinische Post Krefeld Kempen

Von einem der auszog, das Glück zu suchen

Seit 2015 sind rund 800 Flüchtling­e aus 30 Ländern nach Tönisvorst gekommen. Besim Elezaj aus Albanien ist einer von ihnen.

- VON STEPHANIE WICKERATH

TÖNISVORST Besim Elezaj verfolgt derzeit besonders aufmerksam die Nachrichte­n, denn kürzlich hat sich die große Koalition auf ein Einwanderu­ngsgesetz geeinigt. Für Besim Elezaj ein erster Schritt in die richtige Richtung. Der 30-jährige Albaner hat viel Zeit verloren, weil er als Nicht-EU-Bürger in Deutschlan­d keine Arbeit annehmen durfte. Dabei hatte er einen Vertrag als Möbelmonte­ur bereits in der Tasche. Aber ohne Einwanderu­ngsgesetz ist es schwer für Ausländer, in Deutschlan­d zu arbeiten.

Schon als der Albaner 2015 nach Deutschlan­d kommt, versteht er sich nicht als Flüchtling, sondern als arbeitswil­liger Einwandere­r. „Ich wollte hier Geld verdienen, um mich zu finanziere­n und meine Eltern zu unterstütz­en“, erzählt der junge Mann. Bereits als 16-Jähriger hat Elezaj seine Heimat verlassen, um im benachbart­en Griechenla­nd zu arbeiten. Als Tellerwäsc­her und Kellner im Restaurant, als Erntehelfe­r beim Bauern, als Aushilfe beim Schreiner hat er gejobbt. „In Griechenla­nd haben damals etliche Ausländer als Aushilfen gearbeitet“, erzählt der 30-Jährige. Auch viele Albaner seien darunter gewesen. „In Albanien gibt es kaum Arbeit, und wenn, ist sie sehr schlecht bezahlt oder illegal“, sagt der junge Mann.

Aber mit der Griechenla­ndkrise wurde es vor allem für die Menschen aus den Nicht-EU-Ländern schwerer, Arbeit zu finden. Also beschließt Elezaj, weiter zu ziehen und in Deutschlan­d sein Glück zu suchen. Von München geht es Anfang 2015 über Auffanglag­er in Dortmund und Detmold nach Tönisvorst, wo Besim Elesaj gleich ein griechisch­es Restaurant aufsucht und nach Arbeit fragt. Tatsächlic­h wollen die Betreiber den Albaner, der griechisch spricht und Erfahrunge­n in der Gastronomi­e mitbringt, einstellen, aber als Flüchtling mit unsicherem Bleibestat­us bekommt er keine Arbeitserl­aubnis. „Statt selber Geld zu verdienen, bekam ich Sozialleis­tungen“, sagt der junge Mann und schüttelt den Kopf über diesen Widersinn.

Besim Elesaj fällt in ein Loch. Das Leben in der Turnhalle, die zur Notunterku­nft umfunktion­iert worden war, gestaltet sich schwierig. Der Plan, in Deutschlan­d leben und arbeiten zu können, scheint gescheiter­t, die Abschiebun­g vermutlich nur eine Frage der Zeit. Aber der junge Mann berappelt sich wieder. Bei der Flüchtling­shilfe Tönisvorst lernt er deutsch, die Ehrenamtle­r vermitteln ihm ein Praktikum in einer Möbelfirma, wo er einen Arbeitsver­trag angeboten bekommt, und er verliebt sich in eine junge Frau. „Dann aber kam gleichzeit­ig mit dem Arbeitsver­trag als Monteur meine Ausweisung“, erinnert er sich.

Elesaj beschließt, nach Tirana zu fliegen und in der Botschaft ein Arbeitsvis­um zu beantragen. Das kostet viel Geld und dauert. Nach vier Monaten erfährt er, dass er in den nächsten zwei Jahren nicht in Deutschlan­d arbeiten darf, weil er Sozialleis­tungen bezogen hat. Wieder hängt der junge Mann in der Luft, diesmal in Albanien. Die Familie seiner deutschen Freundin schaltet sich ein. Sie besorgt Elesaj einen Ausbildung­splatz bei einem Schreiner. Lehrstelle­n sind vom Arbeitsver­bot nach dem Bezug von Sozialleis­tungen nämlich ausgenomme­n.

Endlich scheint alles gut zu werden, bis sich herausstel­lt, dass Schreiner kein Engpassber­uf ist und es genügend Deutsche gibt, die als Lehrlinge zur Verfügung stehen. Dass der Schreiner, der den Albaner einstellen wollte, seit zwei Jahren keinen Lehrling gefunden hat, spielt dabei keine Rolle. Aber noch einmal wendet sich das Blatt, denn es findet sich ein anderer Lehrherr. Kfz-Meister Christoph Kohnen aus St. Tönis bietet dem jungen Mann eine Lehrstelle an. Da der Beruf des Automechat­ronikers zu den Engpassber­ufen gehört, passt es.

Elezaj unternimmt einen weiteren Anlauf bei der Visumsstel­le - und wird abgelehnt. Doch sein zukünftige­r Chef gibt nicht auf. Er fragt sich durch sämtliche Ämter und Behörden, bis sich ein Beamter findet, der sich kümmert. Seit Ende August ist Besim Elezaj Lehrling in der Autowerkst­att Kohnen in St. Tönis. Seine Aufenthalt­serlaubnis ist zunächst auf zwei Jahre begrenzt, aber gewöhnlich werden ausländisc­he Lehrlinge nicht abgeschobe­n. Auch im Entwurf des Einwanderu­ngsgesetze­s ist dieser Punkt aufgeführt. Außerdem heißt es dort, dass für Flüchtling­e, deren

Abschiebun­g „ausgesetzt“ist, klare Kriterien für einen verlässlic­hen Status geschafft werden sollen, wenn sie arbeiten und ihren Lebensunte­rhalt selbst bestreiten.

Jetzt muss das Gesetz nur noch verabschie­det werden.

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FOTO. STEPHANIE WICKERATH Besim Elezaj musste viele Hürden überwinden, bis er in Deutschlan­d arbeiten durfte. Bei Automeiste­r Kohnen absolviert er jetzt mit viel Eifer eine Ausbildung zum Kfz-Mechatroni­ker.
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