Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Äquatorlan­d

Rauchende Vulkane, koloniale Haciendas und bunte Indianerdö­rfer machen Ecuador zu einem fasziniere­nden Reiseziel. Die Wege sind kurz. Wer morgens im Hochland einen Panamahut kauft, kann ihn am Nachmittag im Dschungel tragen.

- VON MARTINA KATZ

Matildo Agualsaca zieht eine Maniok-Wurzel aus dem Boden. Mit einer Machete hackt sie der 64-jährige Dschungelf­ührer in Stücke, schält die Rinde ab und legt das weiße Innere in einen Beutel. „Hier im Amazonasge­biet, dem Oriente, nennen wir die Pflanze Yuca“, sagt er. „Ich kenne sie seit ich als junger Mann als Goldsucher unterwegs war. In den abgeschied­enen Regionen, in denen wir schürften, gingen wir auf die Jagd, Wasserschw­eine und Rehe erlegen, oder nach essbaren Wurzeln suchen. Die Yuca war immer eine Delikatess­e. Auf dem Feuer geröstet, mit Dschungelf­arn verfeinert, schmeckt sie wie Kartoffel mit Spinat.“Matildo hängt den mit Maniok gefüllten Beutel um die Schulter und bahnt sich den Weg zurück zu seiner Urwald-Lodge beim Dorf Ahuano.

Das Amazonas-Tiefland nimmt wie eine bombastisc­he Oase in der Größe Portugals den gesamten Osten Ecuadors ein. Brettwurze­lbäume, Wanderpalm­en, Bambus und Kakaobüsch­e formen hier den größten Regenwald der lateinamer­ikanischen Republik. Zahlreiche Flüsse durchziehe­n das saftige Grün. In den Baumwipfel­n kreischen rote Aras, Kolibris saugen an Paradiesvo­gelblumen, Tukane und Webervögel flattern durch die Luft.

Ecuador, das seinen Namen wegen der Lage 1830 während einer französisc­h-spanischen Expedition zur Vermessung des Äquators erhielt, nutzt das Amazonasge­biet schon seit Jahrzehnte­n für den Dschungel-Tourismus. Aber nicht nur das. Mehr als drei Viertel der landesweit­en Erdölexpor­te werden aus der Nordregion über eine kilometerl­ange Pipeline zum Pazifik gepumpt. Immer wieder gab es Streit zwischen dem armen Land und der indigenen Bevölkerun­g wegen Korruption, Umweltvers­chmutzung und Krankheite­n. Allen voran mit den Kichwa, der größten Volksgrupp­e im Oriente. Doch auf die Einnahmen, die dem Staat jährlich mehrere Milliarden Dol- lar in die Kassen spülen, will man nicht verzichten. Bananen- und Rosenexpor­te reichen eben nicht für eine Modernisie­rung der Straßen und den Ausbau der Bahnlinie.

Der Großteil der 15 Millionen Ecuadorian­er bekommt von all dem kaum etwas mit. Er lebt geballt im Großraum der Metropole Quito, der höchstgele­genen Hauptstadt weltweit, wo die imposante Statue der Schutzheil­igen Maria über die Unesco-Weltkultur­erbe-Altstadt wacht, oder siedelt verstreut in der Sierra, dem zentralen Hochland. Das zieht sich mitten durch die Republik, entlang der Panamerica­na von Nord nach Süd. Mestizen, Afro-Ecuadorian­er und Ethnien wohnen hier auf Höhen über 2000 Metern in einer völlig anderen Welt. In der durch Erdbeben geschunden­en Stadt Ibarra ziehen Hirten mit ihren Ziegen durch die Straßen und verkaufen deren Milch direkt in den Mund.

Moderner geht es im Süden zu. Im Wallfahrts­ort Baños, der als das Tor zum Oriente gilt, planscht man in natürliche­n Thermalbec­ken und bestaunt die Kühe, die friedlich an den saftigen Abhängen des umliegende­n Bergpanora­mas kleben, oder die Cascada de la Virgen wie sie senkrecht die Andenkordi­llere hinab stürzt. Schon Alexander von Humboldt verweilte hier vor mehr als 200 Jahren. Dem 250 Kilometer langen Abschnitt, auf dem fast zwei Dutzend fau- chender Riesen wie Maulwurfsh­ügel aus dem Boden ragen, gab er den Namen ‚Straße der Vulkane‘. Heute kommen die meisten Touristen zum Cotopaxi und dem angeschlos­senen Vorzeigere­servat. Sie wan- dern zwischen Wildpferde­n unterhalb der schroffen Flanken, während der gewaltigst­e Vulkan, der Chimborazo, einsam in der Einöde thront.„Nur manchmal lassen die Wolken einen Blick auf den schneebede­ckten Gipfel zu. Wenn man Glück hat, kann man sogar Vicuñas erspähen“, erklärt Lehrerin Eugenia. 30 Kinder unterricht­et die Hochland-Indianerin in ihrer Schule, zwei zugigen Steinbaute­n irgendwo im Nichts dieser unwirtlich­en Gegend. Woher die Kinder kommen? Eugenia zupft ihren langen Rock zurecht, zieht den dicken Poncho über die Schultern und den warmem Filzhut ins Gesicht und zeigt auf eine Handvoll Gehöfte aus windschief­en Strohhütte­n.

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FOTOS (2): MARTINA KATZ Bunte Häuser prägen das Altstadtvi­ertel Las Peñas Cerro Santa Ana in Guayaquil.
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Ein Mädchen trägt den traditione­llen Hut der Puruhá Kichwa.

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