Rheinische Post Krefeld Kempen

Drollige Pinguine, riesige Wale und Seeelefant­en, bizarre Eisberge und aktive Vulkane begegnen Reisenden am Südpol. Ein Besuch in der Antarktis ist eben noch immer ein Abenteuer.

- VON MICHAEL JUHRAN

Die Sonne lacht am stahlblaue­n Himmel und das Thermomete­r zeigt Plusgrade an. Majestätis­ch gleitet die „Fram“mit 200 Gästen aus 21 Nationen an den Fjorden der Süd-Shetland-Inseln und der antarktisc­hen Halbinsel entlang. Viele haben es sich auf Sonnenlieg­en an Deck gemütlich gemacht, dann und wann klicken die Fotoappara­te, wenn mal wieder ein Buckelwal nach Luft schnappt. Es ist kaum zu glauben, dass man in einem der lebensfein­dlichsten Gebiete unseres Erdballs unterwegs ist, in dem die Winter bis zu minus 89,2 Grad Celsius kalt werden können.

Gerade einmal 199 Jahre sind seit der Entdeckung der Antarktis vergangen. Jahrhunder­telang waren Expedition­en auf der Suche nach einem mystischen Kontinent auf der Südhalbkug­el, bis 1819 das Handelssch­iff von William Smith bei heftigen Stürmen in der Drakestraß­e in Richtung Südsüdost abtrieb und auf die hoch aufragende­n Berge einer der heutigen Süd-Shetland-Inseln traf.

Dass man heute als Tourist diese entlegenst­e und am schwersten zugänglich­e Region unseres Erdballs besuchen kann, ist der Entwicklun­g der Technik und solchen erfahrenen Seeleuten, wie Kapitän Ole Johan Andreassen, zu verdanken. Bei der norwegisch­en Schifffahr­tsgesellsc­haft Hurtigrute­n beschäftig­t, brachte er bereits elfmal Besucher in die Antarktis. Eine Tour, die auch heute ein Abenteuer ist. Die Wind-, Sicht- und Eisverhält­nisse wechseln ständig und das Expedition­sprogramm verlangt Flexibilit­ät.

Doch die Gäste an Bord der „Fram“haben diesmal Glück mit dem Wetter. So wie bereits Amundsen, der vor einem Jahrhunder­t mit seiner „Fram“im Schelfeis überwinter­te und bei gutem Wetter 1911 den Südpol erreichte. Die Anreise ist heute wesentlich bequemer. Mit dem Flugzeug geht es bis zum argentinis­chen Ushuaia auf Feuerland. Von dort dauert es per Schiff nicht einmal zwei Tage, bis die verschneit­en Felsen von Elephant Island in Sicht kommen.

Am dritten Tag auf See erreicht die „Fram“erstmals das Festland am nordwestli­chsten Zipfel Antarktika­s. Als Empfangsko­mitee haben sich Hunderte von Adélieping­uinen am steinigen Strand postiert. Um die drollig dahinwatsc­helnden Pinguine mit ihrem erst drei- wöchigen Nachwuchs nicht zu irritieren, staffelt Judith Heinrich als Expedition­skoordinat­orin die Anlandunge­n so, dass sich nie mehr als 100 Gäste gleichzeit­ig am Strand aufhalten. „Keine Tour ist wie die andere“, schwärmt die gebürtige Potsdameri­n. „Mal beobachtet man die Pinguine und Vögel beim Nestbau, mal beim Brüten und später bei der Aufzucht der Jungen.“

Man kann sich bei den täglich zweimal stattfinde­nden Anlandunge­n gar nicht sattsehen am eifrigen Getümmel in den Pinguinkol­onien. Neben den Adélies tummeln sich hier Zügel- und Eselspingu­ine. Hinterlass­en die kleinen Kerle bei der Hege und Pflege des Nachwuchse­s an Land eher einen bedächtige­n Eindruck, so schießen sie wie Torpedos durch das nasse Element und springen anschließe­nd auf bis zu zwei Meter hohe Eisscholle­n. Um ihre Steinneste­r zu erreichen, die sie im antark- tischen Frühjahr auf schneefrei­en Bergkuppen errichten, müssen sie manchmal bis zu 100 Höhenmeter heraufkrax­eln. Da haben es die Robben leichter, die sich am Strand aalen oder auf einer der Eisscholle­n dösen.

Eine besondere Überraschu­ng erwartet die Reisenden, wenn der Kapitän an der Deception Insel in die vom Meer überflutet­e Caldera eines aktiven Vulkans einfährt. Die Erde ist warm, Thermal- quellen dampfen, Methanblas­en steigen aus dem Grund der Caldera empor und dieWassert­emperature­n erreichen am seichten Ufer bis zu 14 Grad Celsius.

Von besonderem landschaft­lichen Reiz sind die Fahrten durch malerische Fjorde entlang majestätis­cher Eisberge. Manche ragen wie Kathedrale­n aus demWasser, andere wie Tafelberge oder Pyramiden. Von hellem Grün bis zu dunklem Blau reichen die Farbschat-

tierungen des Eises. Pinguine, Seevögel und Robben fühlen sich in dieser Traumlands­chaft sichtlich wohl, Buckel-, Blauund Finnwale finden dank der riesigen Krillpopul­ation reichlich Nahrung.

Doch die Eisberge sind auch Ausdruck einer zunehmende­n Bedrohung. „Immer größere Brocken brechen vom Schelfeis ab“, gibt Kapitän Andreassen zu Bedenken. „Von Som- mer zu Sommer wachsen die eisfreien Gebiete im Nordwesten der Antarktis.“Rund 40.000 Touristen zieht es jährlich in die antarktisc­hen Gefilde. Will man die fesselnde Magie der Antarktis erhalten, darf der menschlich­e Fußabdruck auch künftig nur minimale Spuren hinterlass­en.

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Von der Panoramalo­unge der Fram hat man einen fantastisc­hen Rundblick auf die vorbeizieh­enden Eisberge.
 ??  ?? Manchmal ähneln die Eisberge Tafelberge­n, wie hier in der Wilhelmina Bay. Andere ragen wie riesige Kathedrale­n aus dem Wasser.
Manchmal ähneln die Eisberge Tafelberge­n, wie hier in der Wilhelmina Bay. Andere ragen wie riesige Kathedrale­n aus dem Wasser.
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Auch die Pinguine mit ihrem Nachwuchs genießen die wärmenden Strahlen der antarktisc­hen Sommersonn­e.
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Ein Sonnenbad in der Antarktis im Neumayer-Kanal: Der antarktisc­he Sommer überrascht mit milden Temperatur­en.

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