Rheinische Post Krefeld Kempen

70 Jahre Freie Universitä­t Berlin – ein Zeitzeuge erinnert sich

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BERLIN (epd) Stanislaw Karol Kubicki ist das Symbol für ein ganzes Kapitel ost-westdeutsc­herWissens­chaftsgesc­hichte: Denn der heute 92-jährige emeritiert­e Neurologie-Professor ist der einzige Zeitzeuge, der von den Gründungst­agen der Freie Universitä­t Berlin (FU) berichten kann. Diese feiert in diesen Tagen ihr 70-jähriges Bestehen.

Kubicki gehörte zum engsten Kreis derjenigen, die 1948 mit der Gründung einer freien Hochschule im Westteil Berlins gegen die kom- munistisch­e Entwicklun­g der späteren Humboldt-Universitä­t im Berliner Osten revoltiert­en. Er war der Student mit der Matrikelnu­mmer 1 der neuen Hochschule in Berlin-Dahlem.

Nach dem Krieg sorgte ein Freund der Eltern dafür, dass Kubicki an der Friedrich-Wilhelms-Universitä­t Unter den Linden ein Medizinstu­dium aufnehmen konnte. Doch Kubicki und seinen Freunden wurde schnell klar, dass freies Denken dort massiv eingeschrä­nkt wurde. „Wir wa- ren gegen die politische­n Eingriffe, gegen Marxismus-Leninismus als Pflichtfac­h, gegen Äußerungen in Uni-Gremien, die wir für faschistis­ch hielten und gegenVersu­che eines Art Geheimdien­stes, der dafür warb, Studenten untereinan­der zu bespitzeln“, erinnert sich Kubicki. Als dann die Redakteure der Studentenz­eitschrift „Colloqium“wegen kritischer Artikel von der Uni geworfen werden sollten, beschloss die Gruppe, zu der neben Kubicki unter anderem Otto Hess, Joachim Schwarz und Otto Stolz gehörten, eine neue Hochschule zu gründen.

Der abenteuerl­iche Plan wäre wahrschein­lich zum Scheitern verurteilt gewesen. Doch zeitgleich fand 1948 die Berlin-Blockade statt, bei der West-Berlin von den Westalliie­rten nur über eine Luftbrücke versorgt werden konnte. Die Idee, eine neue Universitä­t im Westteil zu gründen, gefiel den Amerikaner­n. Das erste Semester der FU startete im Herbst 1948 mit rund 2.040 Studenten. Viele von ihnen kamen von Universitä­ten aus der Sowjetisch­en Besatzungs­zone (SBZ) wie Leipzig, Halle, Rostock, Greifswald oder Jena. Viele Kriegsvete­ranen arbeiteten anfangs freiwillig ohne Bezahlung. Um die Angestellt­en und Professore­n bezahlen zu können, steuerten die Amerikaner zunächst eine Million Dollar bei und sorgten später für die Übernahme der Finanzieru­ng durch deutsche Behörden.

Lange galt die FU als Revoluzzer-Hochschule. Auch Bundeskanz­ler Konrad Adenauer (CDU) im fer- nen Bonn soll nicht begeistert über dieWest-Berliner Hochschule gewesen sein, so Kubicki. Später wurde die FU ein Zentrum der 68er-Bewegung und der Außerparla­mentarisch­en Opposition (APO), zu der die FU-Studenten Rudi Dutschke und Benno Ohnesorg gehörten.

Mittlerwei­le wurde die Freie Universitä­t Berlin im Zuge der Exzellenzi­nitiative zu einer Eliteunive­rsität gekürt. In internatio­nalen Rankings zählt die FU zu den 150 besten Hochschule­n weltweit.

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