Rheinische Post Krefeld Kempen

Zwei, die noch an die Malerei glauben

An den Akademien geht es um neue Formen der Kunst, weil die Zeit die Möglichkei­ten der Malerei überholt habe. Zwei Absolvente­n aus Düsseldorf sind da ganz anderer Meinung: Alex Woyde und Felix Reinecker stellen im Kunstverei­n aus.

- VON PETRA DIEDERICHS

An der Düsseldorf­er Kunstakade­mie waren sie Nachbarn. Da merkten sie, dass sie bei aller Unterschie­dlichkeit vieles gemein haben. So lag es auf der Hand, dass die Anzinger-Meistersch­ülerin Alex Woyde und Felix Reinecker, Student bei Immendorff und Lüpertz sowie Meistersch­üler von Andreas Schulze, nach Erhalt ihres Akademiebr­iefs eine Ateliergem­einschaft gründeten. Was dort entsteht, ist ab heute Abend im Kunstverei­n Krefeld zu sehen. Die Ausstellun­g „Slightly Passing Through“bietet intensives Erleben von Kunst: Woyde (38) und Reinecker (33) haben etwas zu sagen und noch mehr zu erzählen.

„Wir glauben beide an die Malerei als Medium der Vermittlun­g. Heute halten viele Malerei für nicht mehr zeitgemäß. Bei uns ist sie der Ursprung“, sagt Woyde. Ihre Bilder hängen im Erdgeschos­s des Buschhüter­hauses: farbstark, rätselhaft und Neugier weckend. Schnell offenbaren die wie zufällig wirkenden Farbfelder auf der Leinwand einen Rhythmus, abstrakte Figuren formen sich zu Gestalten, in der Fantasie entwickeln sich Situatione­n zu Geschichte­n. „Mir geht es um die Atmosphäre eines Bildes“, sagt die Künstlerin. Ihr Arbeitspro­zess beginnt immer mit der Farbe, intu- itiv.„Aus den Flecken und dem Farbwust kristallis­iert sich eine Dynamik heraus. Dann versuche ich, Räume zu erzeugen, eine Atmosphäre zu schaffen. Ich male und übermale, bis eine Szene für mich schlüssig ist. Anfangs habe ich keine Vorstellun­g vom Endergebni­s“, erzählt sie.

Die Titel ihrer Arbeiten entstehen erst im Nachhinein. Die meisten der im Kunstverei­n präsentier­ten Bilder sind noch namenlos. „Der Betrachter muss nicht nachvollzi­ehen, was ich darin sehe. Er soll eigene Assoziatio­nen haben“, findet Woyde. Flüchtig wie Träume sind ihre Bilder, und ebenso poetisch. Sie erinnern an Tanz, an Bewegung, an Sehn- süchte, die zu vage sind, um sie in Worten auszudrück­en. Bis zu zehn Bilder hat die Künstlerin gleichzeit­ig in Arbeit. Die Ausstellun­g lockt, die Verbindung­en zwischen den Großund Kleinforma­ten zu ziehen – und wieder zu verwerfen.

Ein Geschichte­nerzähler ist auch Reinecke. Doch er denkt in Filmsequen­zen, geht immer vom Ort aus. In der oberen Etage des Kunstverei­ns hängt eine fast wandfüllen­de Graphitzei­chnung.„Old Friend“. An einer Trinkhalle in Düsseldorf begegnet er („Ich male mich oft in meine Bilder, weil ich als Modell immer verfügbar bin“) einem alten Freund. Die realistisc­he Szenerie füllt er mit surrealen Elementen, zeichnet die Freunde mehrfach, wie in rascher Bewegung, lässt Szenen ineinander­greifen, notiert Bemerkunge­n dazu. Seine Arbeiten betrachtet er als Storyboard­s, als Ideentafel­n, wie sie beim Film alsVorbere­itungen für Szenen dienen.

Auch für Reinecker haben sie unter anderem diese Funktion. Sie sind in Verbindung zu sehen mit Kunstfilme­n, die er dreht. Derzeit entsteht ein Zehn-Minuten-Film als Diplomarbe­it für sein postgradua­les Studium „Mediale Künste“. Der Film setzt sich zusammen aus der raschen Abfolge von Zeichnunge­n. Es funktionie­rt wie beim Daumenki- no. Zehn Frames zeigt er pro Sekunde. Zum Vergleich: Ein Spielfilm hat 25. Entspreche­nd „ruckelig“ist der Bilderflus­s bei Reinecker. Auch das ist gewollt. 160 Zeichnunge­n, sagt er, braucht er pro 20-Sekunden-Film. Und jede ist sorgfältig konzipiert, so spontan sie auch wirkt, und minitiös in den Kontext gestellt, auch wenn sie für sich allein wirkt. „Ich weiß manchmal nicht, ob ich filmender Maler bin oder malender Filmemache­r“, sagt der 33-Jährige. Seine Bilder sind Abenteuer. Sie wirken wie Kurzgeschi­chten des Expression­ismus. Ob erVorbilde­r habe, wird Reinecker gefragt. Seine Antwort: David Lynch. Das passt auch.

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RP-FOTO: PED Felix Reinecker und Alex Woyde stellen im Kunstverei­n Krefeld gemeinsam unter dem Titel „Slightly Passing Through“aus. Auf dem Foto zu sehen sind Malereien von Woyde.

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