Rheinische Post Krefeld Kempen
Jeder dritte Hausarzt ist älter als 60
Bei der Gesundheitsversorgung auf dem Land gibt es immer mehr Probleme. Welche das neben dem Ärztemangel sind, erläuterte Karl Lauterbach (SPD) in Viersen.
VIERSEN Nach knapp einer Stunde am Rednerpult machte Karl Lauterbach (SPD) seinen rund 120 Zuhörern im Ernst-Klusen-Saal in Viersen Mut: „Ich sage gleich auch noch ein paar positive Sachen, keine Sorge.“Bis dahin hatte der Mediziner und stellvertretende Vorsitzende der SPD-Bundestagsfraktion vor allem über unheilbare Krankheiten und Missstände im deutschen Gesundheitssystem gesprochen. Immer weniger Hausärzte, zu viele Krankenhäuser, nicht genug Pflegepersonal für immer mehr Demenzkranke – wie sollen diese Symptome bloß behandelt werden? Und: Welche Mittelchen lindern gezielt die Beschwerden in den ländlichen Regionen?
Der SPD-Bundestagsabgeordnete für den Kreis Viersen, Udo Schiefner, hatte Lauterbach zum Informationsabend über „Gesundheitsversorgung im ländlichen Raum“eingeladen. Gesundheitsversorgung gehöre zur Lebensqualität, „Lebensqualität darf nicht vom Wohnort abhängen“, sagte Schiefner. Das betonte auch Lauterbach. Der SPD-Gesundheitsexperte prognostizierte, dass die Zahl der Krebserkrankungen in den nächsten Jahren weiter steigt, „jeder zweite Über-40-Jährige wird irgendwann krebskrank sein“.
Je erfolgreicher in den kommenden Jahrzehnten die Forschung ist, je spezifischer Krebspatienten also behandelt werden können, damit ihre Lebenserwartung steigt, desto höher werden die Anforderungen an die Ärzte. Spezialzentren gebe es vor allem in den größeren Städten, „wir müssen die ländliche Versorgung da anbinden, sonst haben wir eine Zwei-Klassen-Medizin“, sagte Lauterbach.„Wir müssen zu einem System kommen, in dem die Patienten dort weiter behandelt werden können, wo sie herkommen.“
Derzeit habe Deutschland nach Österreich die zweithöchste Arztdichte in Europa. „Aber nur noch 42 Prozent sind Hausärzte“, sagte Lauterbach – der Anteil der Hausärzte sei außerdem „stark sinkend“. Nur noch einer von zehn bis 15 jungen Medizinern wolle Hausarzt werden. Der Anteil der Hausärzte, die älter als 60 Jahre sind, liege bei rund 30 Prozent. Der Kreis Viersen ist dabei keine Ausnahme: Im vergangenen Jahr legte die Kreisverwaltung dem Gesundheitsausschuss Zahlen der Kassenärztlichen Vereinigung Nordrhein für 2017 vor, demnach sind im Kreis knapp 32 Prozent der Hausärzte älter als 60 Jahre. Auf jeden der insgesamt rund 180 niedergelassenen Hausärzte kamen 2017 umgerechnet 1645 Einwohner, in Düsseldorf waren es pro Hausarzt 1522, in Krefeld 1394.
Der Bundestagsabgeordnete betonte: „Wir werden die medizinischen Versorgungszentren auf dem Land stärken.“In den Zentren hätten Ärzte die Möglichkeit, sich als Angestellte in Teilzeit beschäftigen zu lassen und ihre Arbeitszeiten flexibler zu gestalten. So werde das Arbeiten auf dem Land für Ärzte attraktiver. Um Pflegeberufe „systematisch attraktiver“zu machen, müsse in der Altenpflege ambulant wie stationär nach Tarif bezahlt werden – „wir werden dafür sorgen“.
Einem Lösungsansatz aus dem Publikum konnte Lauterbach nichts abgewinnen: Abiturienten den Zugang zum Medizinstudium zu erleichtern, wenn sie dafür später Hausarzt werden, „das halte ich für eine Geringschätzung der Hausärzte“.