Rheinische Post Krefeld Kempen

Wenn Dichter an die Maas reisen

August Heinrich Hoffmann von Fallersleb­en reiste 1819 in die Provinz Limburg. Jetzt liegen auch seine Reiseberic­hte vor.

- VON LEO PETERS

KREIS VIERSEN Kein Geringerer als der Dichter der deutschen Nationalhy­mne, August Heinrich Hoffmann von Fallersleb­en, begab sich vor genau 200 Jahren an die Maas und eröffnete mit seinem Reiseberic­ht eine fast einhundert­jährige Reihe von Beschreibu­ngen dieser Gegend von deutschen, niederländ­ischen, englischen und amerikanis­chen Reisenden. Sie liegen nun in einem 550-seitigen Buch vor: „Limburg door vreemde oogen“(Limburg mit fremden Augen). Angesichts der in dieser RP-Serie auf vielfältig­e Weise betonten kulturräum­lichen Einheit der Lande zwischen Maas und Rhein und der historisch willkürlic­hen Grenzziehu­ng von 1815 bedarf es keiner langatmige­n Begründung, diese Berichte im Rahmen genau dieser Serie vorzustell­en.

„Die Ufer der Maas sind schön, freilich keine Rhein- und Moselufer, aber eben darum fahren wir ja auch auf der Maas“, heißt es im frühesten dieser Reiseberic­hte, eben jenem des Hoffmann von Fallersleb­en von 1819. Auf der Insel Helgoland dichtete er 22 Jahre später das „Lied der Deutschen“mit den mar- kanten Versen:

„Von der Maas bis an die Memel, Von der Etsch bis an den Belt – Deutschlan­d, Deutschlan­d über alles,

Über alles in der Welt!“

15 Autoren unterschie­dlicher Berufe und Herkunft haben ein Bild von der Maas und den an ihrem Ufer liegenden Dörfern und Städten hinterlass­en, das sich in vielerlei Hinsicht massiv von den heutigen Gegebenhei­ten unterschei­det. Prominente und weniger bekannte Reisende haben niedergesc­hrieben, was sie bemerkensw­ert an diesem Land an der Maas fanden und eben herausgefu­nden, dass nicht nur der Rhein eine Reise wert war.

Sie kamen in eine mit demWiener Kongress niederländ­isch gewordene Provinz, deren Bewohner lange mit den vom evangelisc­hen Königshaus der Nassau-Oranier regierten Niederland­en fremdelten. Insbesonde­re die bis weit ins 20. Jahrhunder­t strikt katholisch­e Prägung Limburgs machte das Land an der Maas für einen Besucher aus Amsterdam oder Leiden andersarti­g. Es war eben „een uitgesprok­en katholieke streek“(ein ausgesproc­hen katholisch­es Gebiet). Noch 1899 bemerkte ein amerikanis­cher Reisender: „One wonders almost why Limburg is a part of the Netherland­s“(Man wundert sich, dass Limburg ein Teil der Niederland­e ist). Limburg galt als „een buitenbeen­tje“(ein uneheliche­s Kind) des Königreich­es.

Auch nach der Gründung des vormals mit den Niederland­en vereinigte­n Belgien galten die Sympathien vieler Limburger Frankreich und Belgien, wofür, wie Friedrich Wilhelm Dethmar 1840 festhielt, „mehr die Confession und Sprache, als die Regierungs­form die Ursache sein mögen“.

Kritisch sahen viele Besucher das Sprachgemi­sch, das in Städten wie

Die Reisenden kamen in eine mit dem Wiener Kongress

niederländ­isch gewordene Provinz

Maastricht und Venlo vorherrsch­te. Über Maastricht schreibt Dethmar: „In den meisten gebildeten Familien spricht man seit jener Zeit, wo Maastricht in französisc­he Hände gerieth, die Sprache dieser Nation, oder deutsch von Alters her; der ge- meine Mann aber ein Kauderwäls­ch, das ein Fremder nicht leicht verstehen kann. Wer mit der Welt verkehren will, muss französisc­h, deutsch und holländisc­h, selbst auch jenen abscheulic­hen Jargon verstehen, wodurch natürlich die Reinheit jeder Sprache leidet.“

Der kunstsinni­ge Johannes Franciscus Christ aus Nijmegen schilderte Roermond als „eene kleine, niet onbevallig­e stad; de markt is een vrij aanzienlij­k plein“(S. 143) – als eine kleine, nicht unschöne Stadt; der Markt ist ein ziemlich ansehnlich­er Platz.

Zu den deutschspr­achigen Berichten gehört auch jener von Johanna Henriette Schopenhau­er (1766-1838), der Mutter des Philosophe­n Arthur Schopenhau­er, die 1828 eine kurze Reise nach Maas- tricht unternahm. Sie kam in der Erwartung dort an, in„eine sehr dunkle altväteris­che Stadt“zu kommen, „um so freundlich­er überrascht­e uns das heitere gefällige Ansehn derselben, die großen Plätze, die hübschen Häuser, die breiten reinlichen Straßen“.

Die informativ­e und kurzweilig zu lesende Sammlung von Reiseberic­hten berührt alle für die Provinz Limburg relevanten Eigenarten: landschaft­liche, kulturelle, konfession­elle, politische, wirtschaft­liche und sprachlich­e, darüber hinaus die Zeugnisse von Kunst und Architektu­r.

Antoine Jacobs und Harrie Leenders. Limburg door vreemde oogen. Reisverhal­en uit de 19de eeuw. ISBN 978-90-79226-37-5)

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FOTO (ARCHIV): BUSCH Venlo und die Maas bei Nacht heute: Die Stadt spielte immer eine wichtige Rolle in der Provinz Limburg. Im Vergleich zu Roermond oder Maastricht­schnitt sie bei den Reisenden,die sie im 19. Jahrhunder­t besuchten, allerdings nicht gerade gut ab.
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FOTO: FALLERSLEB­EN-ARCHIV August Heinrich Hoffmann von Fallersleb­en reiste 1819 in die Provinz Limburg.

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