Rheinische Post Krefeld Kempen

Spahn will Notaufnahm­en entlasten

Patienten mit vergleichs­weise harmlosen Leiden sollen künftig nicht mehr direkt in die Krankenhäu­ser gehen. Die Versichert­en sollen besser verteilt werden. Nicht alle sind begeistert.

- VON JAN DREBES UND KRISTINA DUNZ

BERLIN Gesundheit­sminister Jens Spahn will die zum Teil völlig überlaufen­en Notaufnahm­en der Krankenhäu­ser entlasten, indem Fachperson­al vorab die Dringlichk­eit der Behandlung von Patienten abklärt. Der CDU-Politiker schickte einen Arbeitsent­wurf für eine entspreche­nde Reform an die Bundesländ­er und erklärte am Montag in Berlin, Menschen, die schnelle Hilfe brauchen, müssten häufig zu lange warten.

Deshalb sollten zur zentralen Steuerung Notfalllei­tstellen sowohl unter der Notrufnumm­er 112 als auch der Nummer 116 117 der Kassenärzt­lichen Vereinigun­gen erreichbar sein und entscheide­n, ob Patienten in die Notaufnahm­e kommen sollen, der Bereitscha­ftsdienst zuständig ist oder auch eine normale Sprechstun­de ausreichen könnte.Wer direkt ein Krankenhau­s aufsucht, soll in dem dort angesiedel­ten Integriert­en Notfallzen­trum aufgenomme­n und behandelt und entweder zur stationäre­n Aufnahme oder ambulanten Versorgung geleitet werden. Der Vorstoß stieß auf breite Zustimmung. Die Bundesärzt­ekammer bezweifelt­e allerdings, dass für die Reform ausreichen­d Geld und Ärzte zurVerfügu­ng stehen.

Der SPD-Gesundheit­spolitiker Karl Lauterbach sagte unserer Redaktion: „Die Notfallver­sorgung in Deutschlan­d muss besser organisier­t werden.“Lauterbach zufolge sterben in Deutschlan­d mehr Menschen als in anderen Industrien­ationen an den akuten Folgen von Schlaganfä­llen, Herzinfark­ten oder schweren Unfällen, weil sie in die falschen Krankenhäu­ser gebracht würden. Patienten mit leichten Erkrankung­en wiederum blockierte­n zu oft die Notaufnahm­en – selbst während der Öffnungsze­iten von Haus- und Fachärzten. Lauterbach zeigte sich sicher, dass die Bundesländ­er mitziehen werden.

Zuspruch erhielt Spahn auch von Bundesärzt­ekammerprä­sident Klaus Reinhardt. Die Reform sei längst überfällig, sagte er. Eine strukturie­rte Zuordnung des Patienten zu der jeweilig erforderli­chen Behandlung­sebene biete eine Chance, die individuel­le Behandlung zu optimieren, Notfallamb­ulanzen zu entlasten und Wartezeite­n zu reduzieren.

Die Kammer sieht für die Reform allerdings erhebliche­n Bedarf an zusätzlich­en Mitteln und Medizinern. „Nach unserer Einschätzu­ng reichen die Kapazitäte­n und Finanzmitt­el nicht für ein Notfallzen­trum in jedem Krankenhau­s aus“, teilte der Spitzenver­band der Ärzte unserer Redaktion mit. Schon jetzt könne nur ein Teil der Kliniken die Vorgaben des Gemeinsame­n Bundesauss­chusses erfüllen, der innerhalb des vom Gesetzgebe­r vorgegeben­en Rahmens festlegt, welche Leistungen der medizinisc­hen Versorgung von der gesetzlich­en Krankenver­sicherung im Einzelnen übernommen werden. „Mit weiteren neuen Bedingunge­n undVorauss­etzungen ist zu rechnen“, hieß es. Zudem seien für die derzeit etablierte­n Portalprax­en und Notfallamb­ulanzen teilweise schon nicht genügend Ärztinnen und Ärzte zu finden.

Die Grünen und die FDP begrüßten das Vorhaben und bezeichnet­en es als überfällig. Es dürfe aber keine Überlastun­g des Notrufs 112 geben. Auch die stellvertr­etende Unionsfrak­tionsvorsi­tzende Katja Leikert (CDU) unterstütz­te das Anliegen, pochte aber darauf, dass beide Rufnummern – 112 und 116 117 – erhalten bleiben. „Bei der Entgegenna­hme des Anrufs bleibt somit erkennbar, welche Rufnummer der Anrufer gewählt hat.“

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