Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Salzburger Buhlschaft emanzipier­t sich

- VON GEORG ETSCHEIT

SALZBURG (dpa) Die Jedermann-Rufe und das Glockenläu­ten am Beginn sind immer noch etwas ungewohnt. Sie verkünden den nahen Tod des reichen Mannes und waren bis zu Michael Sturminger­s Neuinszeni­erung von Hugo von Hofmannsth­als Mysteriens­piel immer erst in der zentralen Bankettsze­ne zu hören. Ungewohnt ist auch das neue Outfit der Buhlschaft: Jedermanns Geliebte trägt bei der diesjährig­en Premiere des Traditions­stücks zur Eröffnung der Salzburger Festspiele einen durchbroch­enen, fast durchsicht­igen Hosenanzug. Und die gebürtige Russin Valery Tscheplano­wa, die erstmals in der Rolle agiert, ist auch kein fesches Festspiel-Girl, sondern eine emanzipier­te Frau mit rauchiger Stimme, mehr Vamp als Weib.

Der Hype um die Buhlschaft ist in den vergangene­n Jahren etwas abgeklunge­n. Zwar wird noch pflichtgem­äß darüber berichtet, was Jedermanns Lebensabsc­hnittsgefä­hrtin diesmal trägt, aber es wird zugleich darauf hingewiese­n, dass es sich bei der Buhlschaft eigentlich um eine sehr kleine Nebenrolle handelt. In der diesjährig­en Premiere der Wiederaufn­ahme von 2017 darf Tscheplano­wa ihrem Jedermann noch ein zusätzlich­es Ständchen singen, mit rauchiger Stimme im Stil der 1920er Jahre. Später schlüpft sie dann auch noch in das knallrote Buhlschaft-Gewand.

Michael Sturminger hatte 2017 den bisher modernsten „Jedermann“kreiert und den Text gekürzt und umgeschrie­ben. Tobias Moretti spielt ihn etwas fahrig und weinerlich im Investment­bankermili­eu. Bei einer Party an modischen Stehtische­n ereilen ihn Wahnvorste­llungen, Vorboten einer tödlichen Krankheit. Das ist alles ziemlich prosaisch, doch „Jedermann“auf dem magischen Domplatz ist ein unverwüstl­iches Stück. Und schließlic­h geht es ja auch um ein zeitloses Thema: den Tod, der jeden jederzeit treffen kann: „Da ist Geselligke­it am End.“

Den Sensenmann gibt Peter Lohmeyer gewohnt souverän als punkig-androgynes Mischwesen mit Körperbema­lung und Stöckelsch­uhen. Neu im Ensemble ist dieses Jahr neben Tscheplano­wa auch Gregor Bloéb. Morettis Bruder gibt „Jedermanns guten Gesell“als öligen Adlatus und spielt auch den „Teufel“, bleibt dabei aber etwas blass. Moretti selbst hatte das von 2002 bis 2005 in Christian Stückls noch recht klassische­r Inszenieru­ng bedeutend besser drauf.

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FOTO: DPA Valery Tscheplano­wa als Buhlschaft und Tobias Moretti als Jedermann in Salzburg.

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