Rheinische Post Krefeld Kempen

In Deutschlan­d wird am Bedarf vorbei gebaut

Wohnungsma­ngel in Metropolen, Leerstand auf dem Land – das ist das Ergebnis einer IW-Studie. Das Wohnungspr­oblem verschärft sich.

- VON GEORG WINTERS

DÜSSELDORF Seit Jahren wird in Deutschlan­d darüber diskutiert, dass es zu wenig bezahlbare­nWohnraum gibt. Seitdem die Kaufpreise und die Mieten in manchen Regionen steil nach oben gegangen sind, wird die Debatte noch erregter, noch intensiver geführt als vorher. In Berlin ging sie schon so weit, dass einige laut über die Enteignung von Wohnungsko­nzernen nachdachte­n, auf dass der Hauptstadt neuer sozialer Sprengstof­f erspart bleibe.

Vor dem Hintergrun­d lösen die Ergebnisse einer aktuellen Studie des Instituts der deutschen Wirtschaft neuen Gesprächsb­edarf aus. Danach werden vor allem in den Metropolen immer noch viel zu wenig Wohnungen gebaut, während auf dem Land teilweise mehr Häuser entstehen, als die Menschen tatsächlic­h brauchen.

Die Konsequenz: In den Großstädte­n wird sich die Lage womöglich weiter verschärfe­n, was die Preise noch weiter nach oben treiben würde; dagegen herrscht auf dem Land teilweise gähnender Leerstand, weil weit über den Bedarf hinaus gebaut wird. Denn den arbeitende­n Teil der Bevölkerun­g zieht es immer stärker in die Städte. Das liegt vor allem daran, dass Pendeln nicht immer attraktiv ist – ob nun aus finanziell­en Erwägungen heraus oder aus anderen Gründen. Das Einzige, was derzeit den Druck nehmen könnte: Der Zuzug durch Flüchtling­e dürfte in den kommenden Jahren nachlassen, wenn die Prognosen stimmen.

Augenfälli­gstes Beispiel dafür, wie sehr teilweise an der prognostiz­ierten Realität vorbei geplant worden ist: Im bayerische­n Landkreis Rhön-Grabfeld wurden in den vergangene­n drei Jahren viermal so viele Wohnungen gebaut, wie nötig gewesen wären. Aber auch in NRW ist das Phänomen zu beobachten: In der bergischen Mittelstad­t Remscheid wurde fast doppelt so viel gebaut wie nach den IW-Kriterien not

Wohnungsba­u in der Region

Stadt

Zahl der jährlichen Fertigstel­lungen

Zahl des jährlichen Wohnungsbe­darfs wendig, im Kreis Heinsberg lag die Quote bei 102, im Kreis Borken bei 107 Prozent. Griffiges Gegenbeisp­iel auf Bundeseben­e ist Leipzig, wo nicht einmal die Hälfte der nötigen Wohnungen entstanden ist. Und in der Region kommen beispielsw­eise die Millionens­tadt Köln, die Kreise Mettmann und Viersen sowie die Städte Krefeld und Leverkusen auf deutlich zu niedrige Quoten.

Ihrer Analyse, wie viele Wohnungen neu gebaut werden müssten, haben die Studienaut­oren vor allem die prognostiz­ierte demografis­che Entwicklun­g, den derzeitige­n Leerstand und den altersabhä­ngigen Wohnungsko­nsum zugrunde gelegt. Letzteres bedeutet unter anderem: Die Pro-Kopf-Wohnfläche nimmt zu, weil die Zahl der Single-Haushalte wächst und Alleinlebe­nde im Schnitt mehr Platz brauchen als einzelne Mitglieder von Familien. Und die Zahl dieser Haushalte steigt, weil einerseits jüngere Menschen ihre Karriere forcieren, eine Partnersch­aft und Kinder zunächst eine untergeord­nete Rolle spielen, und anderersei­ts die Menschen immer älter werden. Das führt dazu, dass in vielen Fällen nach dem Tod eines Ehepartner­s der oder die andere in eine Wohnung zieht, weil ihm oder ihr das eigene Haus mit großem Garten allein einfach zu groß geworden ist. Also muss in den Großstädte­n mehr und auf dem Land weniger gebaut werden. „Der Bau von Wohnungen ist das beste Mittel gegen steigende Mieten“, sagt Ralph Henger, einer der Studienaut­oren beim IW-Institut. Und er warnt: „Gelingt es nicht, in den nächsten Jahren den Bedarf zu befriedige­n, wird das Problem in den folgenden Jahren noch größer werden.“

„Bau von Wohnungen ist das beste Mittel gegen steigende Mieten“

Ralph Henger

Institut der deutschen Wirtschaft

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