Rheinische Post Krefeld Kempen
Der Sohn des Weltmeisters
Gladbachs neuer Stürmer Marcus Thuram trägt einen berühmten Namen. Die Fußstapfen des Vaters sind groß.
MÖNCHENGLADBACH Thuram – das ist in Frankreich ein Name wie ein Bergmassiv. Gigantisch, unumstößlich, gewaltig. Der Mann, der ihn so groß gemacht hat, Lilian mit Vornamen, ist mit 142 Einsätzen Frankreichs Rekordnationalspieler und ein Teil jener Equipe Tricolore, die eine überlebensgroße Geschichte geschrieben hat, die schaffte, was sonst nur Deutschland und Spanien gelungen ist: Weltmeister (1998) und Europameister (2000) zugleich zu sein. Als Thuram am 12. Juli 1998 im Pariser Prinzenpark Weltmeister wurde, war sein Sohn Marcus elf Monate und sieben Tage alt. 21 Jahre später hat er nun einenVertrag bei Borussia Mönchengladbach unterschrieben. Für die nächsten vier Jahre, bis 2023 also, wird er in Gladbach spielen.
Wäre sein Vater noch aktiv, würden in einem imaginären Spiel die beiden Thurams – der dritte Profifußballer der Familie, Marcus’ Bruder Kephren (18), ist gerade zu OSC Nizza gewechselt – Gegenspieler sein. Es wäre ein unerbittliches Duell. Lilian Thuram war ein kompromissloser Verteidiger, sein erster Sohn ist Stürmer, dessen Spielweise als aggressiv und zweikampfstark zu beschreiben ist. Freude hätten wohl beide nicht am jeweils anderen, eher schon würde es den einen oder anderen blauen Fleck geben.
Den Thurams bleibt ein solcher familiärer Wettstreit erspart, indes müssen sich künftig die Abwehrspieler in der Bundesliga und in der Europa League mit dem 192 Zentimeter langen Marcus Thuram auseinandersetzen. Er weiß, dass sein Name groß ist, und er wäre nicht der erste Sohn, der stets im Schatten des Vaters kickt. Doch geht er damit so um, wie er Fußball spielt: offensiv.„Aufgrund meines Namens ist es klar, dass ich im Fokus stehe. Aber ich trage meinen Namen mit Stolz und spüre deswegen keinen Druck“, sagt er.
Als Borussias Sportdirektor Max Eberl am Freitag beim Fanfest der Borussen im Trainingslager am Tegernsee bekannt gab, dass Thuram kommen werde, sprangen die Zuhörer verzückt auf und jubelten. Das zeigt ein Video bei Twitter. Es war nicht der richtige Ort und Zeitpunkt, doch ist zu vermuten, dass Eberl am liebsten im Nachklang darauf verwiesen hätte, dass Freude angesichts des Zukaufs des siebten Franzosen in Borussias Vereinsgeschichte erlaubt sei, aber bitte immer mit der nötigen De
mut.
Marcus Thuram ist als Fußballer noch nicht so groß wie sein Nachname: Er ist ein Talent von 21 Jahren, eines aus der reichhaltigen Schule des französischen Fußballs, aber auch eines, das gerade erst den Schritt auf die ganz große Bühne wagt. Trotz einiger internationaler Erfahrung als Spieler in Frankreichs Jugendteams, zuletzt spielte er bei der U21-WM. Für den Absteiger EA Guingamp, von dem 1996 auch der erste Gladbach-Franzose Hubert Furnier kam, hat er in der vergangenen Saison zwar per Elfmeter in der Nachspielzeit des Pokalspieles das Siegtor gegen Paris Saint Germain erzielt, doch muss er erst mal ankommen: bei Borussia und in der Bundesliga.
„Er ist ein Spieler, der sehr gut in unseren Kader passt“, sagt Eberl. Tatsächlich ist Thuram ein Transfer, der die aktuelle Borussia bestens definiert: Sie ist spannend und interessant mit Spielern wie Thuram und dem neuen Trainer Marco Rose. Aber eben derzeit noch mehr ein Versprechen, als ein fertiges Etwas mit allen Garantien.