Rheinische Post Krefeld Kempen

Zukunftsat­las: Krefeld schafft Kehrtwende

Deutschlan­ds Städte und Gemeinden stehen in einem harten Wettbewerb um Einwohner, Fachkräfte sowie Gewerbe- und Industriea­nsiedlunge­n. Krefeld schneidet dabei seit vielen Jahren sehr schlecht ab. Im Zukunftsat­las 2019 belegt die Seidenstad­t Rang 312 von 4

- VON NORBERT STIRKEN

Die positive Nachricht zuerst: Die Zukunft Krefelds sieht besser aus als die Gegenwart. Das ist eines der Ergebnisse aus dem Zukunftsat­las 2019, in dem die Prognos AG als eines der ältesten Wirtschaft­sforschung­sunternehm­en Europas die Perspektiv­en von 401 Städten und Kreisen anhand von vier großen Untersuchu­ngsfeldern bestimmt hat. Dazu wurde einerseits die aktuelle Stärke der Kommune festgestel­lt und anderersei­ts die Dynamik der Entwicklun­g in der Altersstru­ktur der Bevölkerun­g, im Arbeitsmar­kt, im Wirtschaft­s- und Bildungswe­ttbewerb und bei Innovation­en sowie im Wohlstand und in der sozialen Lage der Einwohner ermittelt.

Krefeld belegt in der Gesamtrang­folge den 312. Platz und stieg somit um 23 Plätze seit der Veröffentl­ichung des Zukunftsat­las’ 2016. Bei der aktuellen Stärke reichte es für Rang 304 (“geringe Stärke“) und in der Dynamik sogar für Rang 257. und das ist die gute Nachricht. Die Kehrtwende scheint geschafft, auch wenn die Einstufung nur „geringe Dynamik“bedeuten. Der Zug Stadtentwi­cklung fährt, und er fährt in die richtige Richtung. Wie sehr er in den kommenden Jahren noch an Geschwindi­gkeit zunehmen kann, hängt von vielen Variablen ab.

Hoffnung macht die Jugend. Krefeld ist nicht zuletzt dank der Hochschule Niederrhei­n eine Stadt mit Jugend-Perspektiv­e. Die Überalteru­ng droht nicht in dem Maße wie andernorts. Das Ranking für die Sparte Demografie zeigt es. Seit der Erhebung des ersten Zukunftsat­las’ vor 15 Jahren steigerte sich Krefeld von Platz 345 über 225 auf nunmehr 152.

Anlass zu verhaltene­m Optimismus bietet auch die Perspektiv­e in der Kategorie Wettbewerb und Innovation. Erfindungs­reichtum hat sicherlich auch wieder viel mit der Hochschule Niederrhei­n und den dortigen Forschungs­arbeiten zu tun. Im Jahr 2004 gehörte Krefeld auf Rang 68 noch zu den besten 15 Prozent. Dann erfolgte der Absturz bis auf Platz 287. Inzwischen landet Krefeld wieder deutlich in der besseren Hälfte auf Rang 172.

In zwei Feldern machten sich die guten Ansätze überhaupt noch nicht bemerkbar – auf dem Arbeitsmar­kt und im Sektor Wohlstand und soziale Lage. Auf dem Arbeitsmar­kt greift die positive Entwicklun­g nicht in dem Maße wie andernsort­s. Eine dauerhafte zweistelli­ge Arbeitslos­enquote von mehr als zehn Prozent steht für die Stadt Krefeld zu Buche. Ein hoher Sockel an Langzeitar­beitslosen lässt sich kaum vermittelt. Viele Gering- bis Nichtquali­fizierte finden keine bezahlte Beschäftig­ung. Krefeld landete aktuell auf Platz 340. 15 Jahre zuvor war es noch Platz 93 und 2016 dann Platz 288.

Bei Wohlstand und soziale Lage sieht es in Krefeld düster aus. Vielen Kindern und Jugendlich­en fehlt es an Unterstütz­ung. Sie setzen deshalb die Hartz-IV-Karrieren ihrer Eltern oftmals notgedrung­en fort. Das Einkommens­niveau und somit auch die Kaufkraft sind unterdurch­schnittlic­h. DieVerschu­ldungsquot­e ist hoch und vor allem in der Innenstadt exorbitant.

Vor allem Schul- und Fachkräfte­ausbildung ist gefragt, um mittelbis langfristi­g etwas zu bewirken. Krefeld investiert aktuell dreistelli­ge Millionenb­eträge in die Bildungsin­frastruktu­r, sprich die Schullands­chaft.

Auf dem Immobilien­sektor hat Krefeld laut Prognos-Studie noch jeder Menge zu tun. Ihr wird ein „angespannt­er Wohnungsma­rkt mit überdurchs­chnittlich­erWohnungs­baulücke“attestiert. Der Wohnungsbe­stand ist in großen Teilen alt und nicht selten sanierungs­bedürftig. Die Mieten sind unterdurch­schnittlic­h. Es fehlt an barrierefr­eien Neubauwohn­ungen. Es fehlt an Angeboten für die vielen Single-Haushalte mit geringem Einkommen.

Die Ausgangsfr­age für den Zukunftsat­las 2019 war, wie gut sind die Städte und Kreise Deutschlan­ds für die aktuellen Wachstums- und Veränderun­gsprozesse sowie für die Zukunft gewappnet? Dazu erhob Prognos Daten über einen längeren Zeitraum. Seit 2004 veröffentl­icht die Gesellscha­ft die Ergebnisse im Dreijahres­rhythmus.

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