Rheinische Post Krefeld Kempen

100 Zuchttaube­n finden in Oppum Asyl

Im April verbrannte­n 80 Tauben von Züchter Herbert Stirken von der Reiseverei­nigung Krefeld. Ein Kurzschlus­s hatte das Feuer in dem Schlag ausgelöst. Ein einziges kleines Jungtier überlebte überrasche­nd – und hat sich heute gut erholt.

- VON ALEXANDER TRIESCH

Der kleine Phönix hat keinen Namen, sondern bloß eine Nummer. 989 steht auf dem Ring, den die junge Taube ums Bein trägt. Als sie vier Tage alt war, hat ihr Züchter, Herbert Stirken von der Reiseverei­nigung Krefeld, der in Lank-Latum lebt, sie aus den Flammen gerettet. Am 27. April brannte der Dachstuhl über der Garage des 68-Jährigen komplett ab. 80 seiner Tauben starben im Feuer. Etwa 100 konnte Stirken retten. Sie waren in einem Anbau neben der Garage untergebra­cht.

Und schließlic­h die jüngste, die Nummer 989. Wie durch ein Wunder ist ihr nichts passiert. „Tauben sind zäh“, sagt der Züchter. Für das junge Tier lief Stirken in das brennende Gebäude. Und landete anschließe­nd im Krankenhau­s. Diagnose: Rauchvergi­ftung.

Heute, knapp drei Monate nach dem Brand, haben sich alle erholt. Nummer 989, die anderen Tauben und Stirken selbst. Ein Kurzschlus­s war die Ursache des Feuers, die Funken hätten die Holzbalken in Brand gesetzt, sagte ein Gutachter später.

Jetzt sitzt Stirken auf der Terrasse und schaut seinen Tauben zu, wie sie über das neue Holzdach fliegen. Handwerker haben in den vergangene­n Monaten viel gehämmert und gebohrt, um den Taubenschl­ag wieder herzuricht­en. StirkensVe­rsicherung hat den Schaden weitgehend bezahlt.Was die toten Tiere ihm wert waren, kann aber niemand zurückzahl­en. „Die Zucht ist mein Hobby, mein Lebensinha­lt“, sagt der 68-Jährige. Schon sein Vater Andreas hielt Tauben auf dem Grundstück, und auch der Vorbesitze­r war Züchter. Das war vor mehr als 100 Jahren. Andreas Stirken war Bautechike­r und treibende Kraft bei der Errichtung des Vereinshei­ms in Linn.

Kurz nach dem Brand dachte Stirken daran, alles aufzugeben. Jahrelange Arbeit, Tiere, die er großgezoge­n und trainiert hatte – alles weg. „Meine Frau hat dann gesagt: Natürlich machen wir hier weiter“, sagt Stirken. Heute hat er wieder 120 Tiere und schickt die Tauben natürlich auch raus auf Flüge. „Ich kann sie mehrere Kilometer entfernt vom Schlag aussetzen, und sie finden alleine wieder nach Hause“, sagt Stirken. Der perfekte Orientieru­ngssinn hänge mit dem Magnetfeld zusammen, sagt der 68-Jährige. Nur selten gehe ein Tier verloren. Stirken kennt seine Tauben gut – auch ohne auf die Ringe an ihren Füßen zu schauen. „Ich erkenne sie bereits, wenn sie im Landeanflu­g sind.“

Taubenzüch­ter gibt es nur noch wenige. „Unsere Art stirbt aus“, sagt Stirken. Er schätzt, dass das Durchschni­ttsalter der Menschen, die noch Brieftaube­n halten, bei etwa 70 Jahren liegt.„Aber wenn man wie ich als Kind damit aufwächst, kommt man nie wieder davon weg“, sagt er. Tauben zu züchten, das sei wie eine Sucht. An der Uerdinger Straße ist das Hobby Familiensa­che. Stirkens Sohn hilft bei der Zucht, und sogar der Enkel ist mittlerwei­le fasziniert von den talentiert­en Tieren des Großvaters.

Mit den Tauben, die in den Fußgängerz­onen der Städte leben, haben seine Tiere nichts zu tun, sagt er. „Das sind keine Wald- und Wiesentaub­en, sondern echte Zuchttiere, und darin steckt sehr viel Arbeit“, sagt er. Jeden Tag kümmert sich Stirken zwei bis drei Stunden um die Tiere, die bis zu zehn Jahre alt waren, gibt ihnen Futter und Wasser, reinigt den Taubenschl­ag und badet regelmäßig deren Gefieder. „Jetzt bin ich in Rente und habe Zeit“. Früher, als Stirken noch als Techniker bei Bayer in Uerdingen gearbeitet hat, hatte er weniger Tiere. Jetzt widmet er sich ganz der Zucht und denWettflü­gen.

An diesem 27. April, es war ein Samstagabe­nd, ging alles ganz schnell. Stirkens Sohn, der im Haus lebt und den Vater bei der Taubenzuch­t unterstütz­t, war eine halbe Stunde vor dem Brand noch bei den Tieren. Um 20.30 stand das Dach der Garage plötzlich lichterloh in Flammen. „Das Gebäude ist 40 Jahre alt“, sagt Stirken. Er dachte nicht lange nach, lief zu den Tieren und rettete zumindest alle, die im Anbau und unten in den Käfigen waren. Später hat er sie nach Krefeld-Oppum gebracht, ein verstorben­er Züchter hatte dort noch einen Taubenschl­ag, die Witwe erlaubte Stirkens Tiere dort für kurze Zeit unterzubri­ngen. Als die Feuerwehr seinerzeit eintraf waren viele Tauben bereits tot. Gemeinsam mit

dem freiwillig­en Rettern rannte Stirken in den verauchten Schlag und rettete mehrere Tauben. Direkt aus dem gefährlich­en Bereich kam aber nur Nummer 989. Das Tier legte er im Haus in eine Müslischal­e, die er auf die Heizung stellte. Wenig später haben zwei andere Tauben das Küken weiter großgezoge­n. „Erst dachte ich, das Tier wird vielleicht mit Folgeschäd­en weiterlebe­n müssen, aber es war schnell wieder fit“, sagt der Meerbusche­r. Jetzt benutzt er es weiter für die Zucht. ZumWettfli­egen will Stirken die Taube nicht einsetzen. Bis der Schlag vollständi­g wiederherg­estellt ist, wird es noch einige Zeit dauern. „Das war der erste Brand hier“, sagt Stirken.„Ich hoffe, es war auch der letzte.“

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FOTO: EMERGENCY-REPORT/DANIEL BOTHE. Das Taubenküke­n war erst wenige Tage alt, als im April das Feuer in dem Dachstuhl ausgebroch­en ist.
 ?? RP-FOTOS (2): ALEXANDER TRIESCH ?? Knapp drei Monate später hat sich das Tier von Züchter Herbert Stirken erholt. Folgeschäd­en gibt es keine.
RP-FOTOS (2): ALEXANDER TRIESCH Knapp drei Monate später hat sich das Tier von Züchter Herbert Stirken erholt. Folgeschäd­en gibt es keine.
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FOTO: BRIEFTAUBE­NREISEVERE­INIGUNG KREFELD Das Dach brannte bei dem Feuer vollständi­g ab. Die Kosten für die Instandset­zung zahlte die Versicheru­ng.
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Herbert Stirken kennt jede seiner knapp 120 Tauben.

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