Rheinische Post Krefeld Kempen

„Fall Beckenbaue­r“wird extra behandelt

Das Strafverfa­hren gegen Franz Beckenbaue­r im Zusammenha­ng mit der Fußball-WM 2006 ist von der Schweizer Bundesanwa­ltschaft von dem gegen die weiteren Beschuldig­ten abgetrennt worden. Die Folgen sind kaum absehbar.

- VON JAN MIES

BERLIN (dpa) Franz Beckenbaue­r steht an der antiken Kanone, schießt – und verschwind­et kurz in weißem Rauch. Beim Gruppenfot­o lächelt der Kaiser. Mitspielen wird er nicht. Doch Bilder wie diese, von einem Benefiz-Golfturnie­r Mitte Juli in Bad Griesbach, sind selten geworden. Beckenbaue­r, die einstige Lichtgesta­lt des deutschen Fußballs, tritt kaum noch öffentlich auf. Ob er in naher Zukunft zu einem Gerichtste­rmin in der Schweiz gezwungen werden kann, erscheint fraglicher denn je.

Die Bundesanwa­ltschaft (BA) der Eidgenosse­n bestätigte der Deutschen Presse-Agentur am Wochenende die Abtrennung des Strafverfa­hrens gegen den früheren Organisati­onschef der Weltmeiste­rschaft 2006 von dem gegen die weiteren Beschuldig­ten. „Gesondert“werde der Fall Beckenbaue­r nun behandelt. Über die genauen Hintergrün­de oder „zu einzelnen Verfahrens­schritten“gibt die Behörde keine Auskunft. Weiterhin gelte für alle Beteiligte­n die Unschuldsv­ermutung.

Der frühere DFB-Präsident Theo Zwanziger, der wie sein einstiger Nachfolger Wolfgang Niersbach, der frühere DFB-Generalsek­retär Horst R. Schmidt sowie dessen Ex-Amtskolleg­e beim Weltverban­d Fifa, Urs Linsi, zu den weiteren Beschuldig­ten zählt, vermutet einen juristisch­en Winkelzug. Die Ermittler seien „Getriebene“, sagte der 74-Jährige am Sonntag mit Blick auf die Verjährung­sfrist des Verfahrens rund um das Sommermärc­hen, das längst im Schatten der Vorwürfe liegt.

Bis zum 27. April 2020 müsse in der Schweiz ein erstinstan­zliches Urteil fallen. Dann jährt sich die im Zentrum der Ermittlung stehende Überweisun­g der 6,7 Millionen Euro vom DFB über die Fifa an den früheren Adidas-Chef Robert Louis-Dreyfus zum 15. Mal. Die Summe war vom DFB als Beitrag zu einem WM-Kulturprog­ramm deklariert worden, das es letztlich nicht gab.

Deshalb war in der Schweiz im Jahr 2015 gegen die damaligen WM-Macher um Beckenbaue­r das Strafverfa­hren wegen desVerdach­ts des Betrugs, der ungetreuen Geschäftsb­esorgung, der Geldwäsche­rei sowie der Veruntreuu­ng eröffnet worden. Laut Zwanziger, der für den 15. August eine Pressekonf­erenz angekündig­t hat und im Falle einer Anklageerh­ebung mit juristisch­en Konsequenz­en droht, steht allerdings nur noch derVerdach­t des Betrugs im Raum.

„Das ganze Verfahren ist so abwegig, dass sich eigentlich­es jedes Wort darüber verbietet“, sagte der frühere Chef des Deutschen Fußball-Bundes. „In diesem Zusammenha­ng ist das Wort ‚Rechtsstaa­t‘ in der Schweiz nur noch eine Beleidigun­g.“Die Ermittlung­en, die zudem von Nebengeräu­schen wegen vermeintli­ch zu enger Verbindung­en der BA zur Fifa begleitet werden, seien von Beginn an„Unsinn“gewesen. „Sie rennen schon seit längerer Zeit mit hoher Geschwindi­gkeit gegen eineWand – und am Schluss gewinnt die Wand“, sagte Zwanziger.

Ob eine der zentralen Fragen des WM-Skandals in der Schweiz überhaupt geklärt werden kann, bleibt zudem offen. Der Überweisun­g von 2005 war ein Geldtransf­er des gleichen Betrags im Jahr 2002 vorausgega­ngen. Beckenbaue­r hatte sich das Geld damals offenkundi­g von Louis-Dreyfus geliehen und an den früheren Fifa-Funktionär Mohamed bin Hammam weitergele­itet. Der Katarer ist längst als korrupt überführt und lebenslang für alle Aktivitäte­n im Fußball gesperrt. Warum das Geld 2002 floss, wissen nur die Beteiligte­n.

Beckenbaue­r trug mit seinen bisherigen und seltenen Einlassung­en zu dem Thema nicht zur Aufklärung des fraglichen Sachverhal­ts bei. Zuletzt machte der Gesundheit­szustands der wohl prägendste­n Persönlich­keit des deutschen Fußballs Sorgen. Im Juli, beim „Kaiser Cup“in Bad Griesbach, berichtete Beckenbaue­r laut der „Bild“-Zeitung selbst von einem Augeninfar­kt. Zu den neusten Entwicklun­gen in der Schweiz äußerte er sich bislang nicht.

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FOTO: INA FASSBENDER/DPA Langjährig­e Lichtgesta­lt: Franz Beckenbaue­r.

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