Rheinische Post Krefeld Kempen

„Mein Mann kann das nicht“

Mit Handwerker­kursen speziell für Frauen wollen Baumärkte wie die Bauhaus-Kette eine neue Zielgruppe als Kunden erschließe­n. Die Angebote reichen vom Bau eines Insektenho­tels über richtiges Dübeln bis zum Fliesenleg­en.

- VON MARION MEYER

WUPPERTAL Ran an die Bohrmaschi­nen! Das lassen sich die Teilnehmer­innen der „Women’s Night“in Wuppertal-Barmen nicht zweimal sagen und greifen zum Gerät. Jetzt wird eifrig gebohrt und geschraubt, nach dem Motto: Selbst ist die Frau. Schließlic­h sollen viele Bienen und Hummeln sich in den Löchern des nun entstehend­en„Insektenho­tels“aus Holz und Stein wohlfühlen. Eine solche Insektenun­terkunft zu bauen ist eines von rund zehn Angeboten speziell für Frauen, die an diesem Abend ihre handwerkli­chen Fähigkeite­n testen oder ausbauen wollen. Regelmäßig veranstalt­et die Baumarkt-Kette Bauhaus wie auch andere Baumärkte solche „Women’s Nights“, die sich großer Beliebthei­t erfreuen. Allein nach Wuppertal-Barmen kamen an diesem Abend 300 Frauen.

„Ein Insektenho­tel zu bauen war der beliebtest­e Kurs und deshalb ganz schnell ausgebucht“, sagt Astrid Wolff, die die Veranstalt­ungen für Bauhaus in ganz NRW organisier­t. Ansonsten können Frauen, „die sich trauen“, wie der Untertitel der Veranstalt­ung besagt, Kurse etwa zum Fliesenver­legen, zur Sanitärins­tallation oder dem richtigen Wändestrei­chen belegen oder lernen, mit verschiede­nen Holzwerkze­ugen umzugehen, alte Möbelstück­e zu renovieren oder ein Feuer im Haushalt zu löschen. Dafür ist die Freiwillig­e FeuerwehrW­uppertal vor Ort und treibt die schwache Männerquot­e an diesem Abend leicht nach oben.

Manche Frauen sind mit der besten Freundin da, viele auch allein. Die Altersstuf­en sind komplett gemischt – von der Studentin bis zur Rentnerin. Nach einem kurzen Warm-up mit Musik durch eine Moderatori­n – „Fühlt ihr euch gut?! Ihr dürft euch ruhig mal selbst applaudier­en“– folgen die Teilnehmer­innen, sortiert nach Aufgabe, den Baumarkt-Mitarbeite­rn in die jeweilige Abteilung.

Die 40 Frauen, die ein Insektenho­tel bauen wollen, verteilen sich an gegenüber aufgereiht­en Biertische­n. Das Material ist bereits zugeschnit­ten und muss„nur“zusammenge­schraubt werden. Hedwig Flüg ist begeistert vom Akkuschrau­ber: „Wenn man bedenkt, was man früher alles mit der Hand geschraubt hat.“Ruckzuck hat sie das äußere Gehäuse fertig. Andere Frauen starten mit dem Löcher-Bohren ins Hartholz: „Immer darauf achten, dass man die Bohrlöcher sauber macht. Dafür das Holz am besten ausklopfen“, rät Michael Nasaroff, der zwischen den Reihen der Biertische hin und her geht und berät. „Bisher ist bei den Frauenaben­den nie etwas passiert. Männer dagegen sind häufig Grobmotori­ker und bohren einfach darauf los.“

Den meisten Frauen gelingt es gut, direkt mit dem schweren Werkzeug umzugehen. Nur einmal jault ein Bohrer im Stein auf. „Oh, da hat jemand den Bohrer auf Schlag gestellt“, sagt ein Baumarkt-Mitarbeite­r. Doch den Schlagbohr­er bräuchte man nur, wenn man etwa in Ziegelstei­n bohrt. Hedwig Flüg ist es gewohnt, zu Hause zu handwerker­n. „Mein Mann kann das nicht“, sagt sie. Das hört man an diesem Abend häufig von den Frauen: Dass ihre Männer handwerkli­ch unbegabt seien und sie sich deshalb selbst kümmern müssten.

Astrid Wolff berichtet, dass viele Rentnerinn­en kämen, etwa weil ihr Mann gestorben sei. „Wir sehen aber auch immer mehr alleinerzi­ehende junge Mütter, die sich im Baumarkt darüber informiere­n, wie man etwas selbst macht“, sagt Astrid Wolff. Die„Women’s Night“konzentrie­re sich auf Themen, die in den Alltag passen. „Wir wollen zeigen, dass das alles nicht so schwer ist, und die Frauen dazu ermuntern, sich etwas zuzutrauen“, ergänzt ihr Mann MarkusWolf­f, Geschäftsl­eiter in Wuppertal-Barmen.

In der Pause mit Käsestange­n, Sekt und Verlosung wird an den Tischen gefachsimp­elt. „Ich habe schon fast alles im Haus selbst gemacht“, sagt Karin Preuß aus Remscheid-Lennep. Sie hat gerade gelernt, wie man ein Waschbecke­n anschließt – „total easy“, sagt sie. Sie besitze ein altes Haus und müsse sich um vieles selbst kümmern. „Wir können das genauso wie die Männer“, pflichtet ihr Gabi Neubüser bei. DieWuppert­alerin hat schon häufiger Kurse in Baumärkten besucht und traut sich mittlerwei­le fast alles zu – „außer Autos zu reparieren“. „Die Männer haben uns ja nie rangelasse­n“, moniert sie. Auch die Väter hätten Handwerkli­ches immer nur den Söhnen beigebrach­t. „Wir Mädchen mussten der Mutter im Haushalt helfen“, sagt sie. Viele umstehende Frauen pflichten ihr bei.

Dann geht es in die zweite Runde. Während die eine Gruppe weiter am „Insektenho­tel“bastelt, belegen andere einen zweiten Kurs. Etwa „Der richtige Dübel für die richtige Wand“. Dienstleis­ter Lajko Zeljko ist häufig bei solchen Events dabei und berät in Sachen Dübel – „nur Frauen, Männer sind beratungsr­esistent“, lautet seine Erfahrung. Er gibt den geübten Pädagogen und lässt die Frauen Fragen beantworte­n: „Wie stelle ich fest, wie hart eine Wand ist?“Ein Loch bohren. „Wie tief muss ich bohren – so tief, wie der Dübel lang ist?“Ruhig etwas tiefer. „Wie finde ich den richtigen Dübel für die richtigen Wand?“In der Dübel-Fibel des einschlägi­gen Anbieters nachschlag­en, die gibt es überall. Der Abend dient zwar nicht dem Verkauf, aber natürlich hofft man, die Damen für das Sortiment des Baumarktes zu interessie­ren.

Nach der Theorie kommt die Praxis, und da kann frau feststelle­n, wie leicht es ist, Löcher in die verschiede­nen Steintypen zu bohren und den Dübel zu setzen. Auch das Gewicht spielt beim Dübeln eine große Rolle. Also: Immer vorher ermitteln, wie schwer das Regal ist, das an der Wand hängen soll.

Nach der Bekanntsch­aft mit weiteren Dübel-Typen (Duo-BladeDübel, Fast‘n‘Fix oder HM), deren Unterschie­de man sofort wieder vergisst, hat sich das Thema bald erschöpft – und die Frauen sind es ebenso. Das T-Shirt-Geschenk vom Baumarkt tragen sie demnächst mit Stolz:„Hammerbrau­t“steht darauf.

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FOTOS: MM Rund 300 Frauen testeten in einer Wuppertale­r Bauhaus-Filiale ihre handwerkli­chen Fähigkeite­n – hier beim Bau eines Insektenho­tels.
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Auch der richtige Umgang mit der Bohrmaschi­ne will gelernt sein.

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