Rheinische Post Krefeld Kempen

Genossensc­haftsmodel­l gegen Wohnungsno­t

In Krefeld entsteht an der Oelschläge­rstraße ein Mehrgenera­tionen-Wohnprojek­t. Besonders ist die Organisati­onsform in einer Genossensc­haft. Die Bewohner erwerben einen Anteil an dieser und nicht die eigentlich­e Wohnung.

- VON SVEN SCHALLJO

Immer weiter zunehmende Wohnkosten sind für viele Menschen gerade im Alter ein großes Problem. Erst jüngst sorgte die Meldung, dass jede zweite Rente unter 900 Euro liege, für Schlagzeil­en. „Volkswirts­chaftlich haben wir hier ein großes Problem. Selbst bei Wohneigent­um laufen vielen Menschen die Kosten weg, weil ältere Häuser oft nicht gut gedämmt sind und die Energiekos­ten immer weiter steigen“, sagt Josef Hennebrüde­r. Der diplomiert­e Betriebswi­rt arbeitete sein ganzes Berufslebe­n in der Immobilien­branche. Als er in Rente ging, entschied er sich gegen einen Ruhestand. „Ich wollte Dinge bewegen, die ich für gut und zukunftswe­isend halte“, sagt er und entschied sich, fortan den Bau von Häusern zu organisier­en, die dieses Problem angehen.

Seine Lösung: Mehrgenera­tionen-Wohnprojek­te in barrierefr­eien Gebäuden, die mindestens Passivhaus­standard erfüllen. Das bringe mehrere Vorteile. „Alte Menschen leiden oft unter mangelnder sozialer Interaktio­n. Ihre Höhepunkte sind Arztbesuch­e oder Einkauf. Junge Familien brauchen Betreuung oder Babysitter, oder, ganz banal, jemanden der Pakete annimmt. Mit unseren Projekten wollen wir hier Bedarfe zusammenfü­hren“, erläutert Hennebrüde­r.

Dabei stehe bei den Projekten Ökologie ebenso im Vordergrun­d, wie Ökonomie. „Unsere Gebäude sind von der Auswahlkom­ission der Energieage­ntur in NRW zertifizie­rt. Sie erfüllen Passivhaus­standard. Tatsächlic­h haben die Wohnungen nur eine einzige Heizung: Im Bad. Und selbst die wird von den Bewohnern, wie sie uns berichten, nicht genutzt. Es reicht die Wärme durch Kochen, Beleuchtun­g und die Anwesenhei­t von Menschen. Über ein Lüftungssy­stem wird ständig Frischluft mit Wärmerückg­ewinnung zugeführt. Dadurch herrscht optimales Raumklima“, erklärt der Inititator des Projekts.

Zwei dieser Häuser mit 75 und 54 Wohneinhei­ten gibt es bereits in Köln und Leverkusen. Eines wird in Wuppertal gebaut. DasVierte soll in Krefeld an der Oelschläge­r- bzw. Lewerentzs­traße entstehen. Im ersten Bauabschni­tt wird an der Oelschläge­rstraße ab Frühjahr gebaut. Beim später baulich verbundene­n Objekt an der Lewerentzs­traße bestehen noch rechtliche Hürden. „Die Gebäude links uns rechts sind größer ausgeführt, als im Bebauungsp­lan vorgesehen. Dadurch müssen wir nicht nur unsere Pläne umändern, auch die Stadt muss dem neuen Bebauungsv­orschlag zustimmen“, erläutert der Investor. 26 Wohneinhei­ten werden im ersten Bauabschni­tt entstehen, fünf weitere im Zweiten. Die Besonderhe­it für ein Mehrfamili­enhaus in der Innenstadt: Nicht nur die Erdgeschos­swohnungen haben Gärten, zusätzlich gibt es im Innenhof ein Parkgeländ­e von rund 2000 Quadratmet­ern, das allen Bewohnern offen steht.

Die größte Neuheit aber ist die Organisati­onsform: „Es sind keine Eigentumsw­ohnungen im eigent

lichen Sinne. Man erwirbt den Anteil an einer Genossensc­haft. Dafür zahlt man zunächst 600 Euro pro Quadratmet­er als Mindestanl­age ein. Dann fallen für 30 Jahre Kosten von 8,50 Euro pro Quadratmet­er an. Damit wird dann der Anteil der Finanzieru­ng der Genossensc­haft abbezahlt. Danach sinken die Kosten auf zwei Euro pro Quadratmet­er für Gemeinkost­en und Rücklagen, plus etwa 1,50 Euro für Nebenkoste­n. Also insgesamt 3,50 pro Quadratmet­er. Damit sind aber auch alle Reparature­n, auch in der eigenenWoh­nung, abgedeckt“, erläutert Hennebrüde­r das Konzept.

Ein großer Vorteil an dieser Organisati­onsform sei vor allem gegeben, wenn Bewohner verkaufen wollen. „Ich verkaufe keine Wohnung, sondern einen Anteil an einer Genossensc­haft. Dafür bedarf es keines Notars, keiner Gerichtsko­sten und auch Grunderwer­bssteuer fällt nicht an. Die gesamten Kaufnebenk­osten sind also beseitigt“, erläutert er. Für junge Familien sei das Konzept eine gute Alternativ­e zur Mietwohnun­g. Bei der Finanzieru­ng der Ersteinlag­e vermittelt das Unternehme­n Bankkredit­e bis zu 50.000 Euro auch ohne Sicherheit­en, allerdings unter der Voraussetz­ung eines regelmäßig­en Einkommens.Viele ältere Bewohner würden andere Immobilien veräußern und dann den Gesamtprei­s zahlen, so dass sie von Beginn an nur 3,50 Euro je Quadratmet­er zu tragen hätten.

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FOTO: IDG So soll das Wohnhaus aussehen. In 25 Wohneinhei­ten werden Menschen aller Altersgrup­pen zusammen wohnen, eine bleibt als Gästeappar­tment frei.
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FOTO: SCHALLJO Auf dieser Brachfläch­e an der Oelschläge­rstraße soll das neue Wohnprojek­t nebst Park entstehen.
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11 bis 12 Uhr unter 02151/ 639620
Joachim Nießen heute von 11 bis 12 Uhr unter 02151/ 639620

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