Rheinische Post Krefeld Kempen

Mit Monitoren: Kampf für Tierwohl

Ausgestatt­et mit Laptops und Bildschirm­en versammelt sich die etwa 25-köpfige Gruppe „Liberation for Krefeld“seit einem Jahr immer am Dienstag zu einer Videoaktio­n in der Fußgängerz­one am Neumarkt.

- VON MARCEL MACK

Ausblutend­e Kälber und Mutterkühe, Schweine mit offenen Wunden, die misshandel­t und ohne Betäubung kastriert werden und Arbeiter, die auf zusammenge­pferchte Tiere einschlage­n und treten. Ausgestatt­et mit Laptops und Bildschirm­en versammelt sich die etwa 25-köpfige Gruppe „Liberation for Krefeld“- nun schon seit einem Jahr - immer dienstagab­ends zu einer Videoaktio­n inmitten der Fußgängerz­one am Neumarkt. Gesicht zeigen; denjenigen eine Stimme geben, die sie selbst nicht erheben können. Missstände beim Tierwohl nehmen augenschei­nlich gerade durch die Massentier­haltung immer weiter zu. In Deutschlan­d werden nach Recherchen von „Peta Deutschlan­d e.V.“jährlich rund 3,5 Millionen Rinder, über 59 Millionen Schweine und 630 Millionen Hühner getötet. Betrachtet man allein die Zahlen in Krefeld, kommen auf rund 36 Betriebe mit Viehhaltun­g circa 1553 Rinder, wovon 992 reine Milchkühe sind und etwa 4600 Schweine (letzte Zahlen: Landwirtsc­haftszählu­ng in Nordrhein- Westfalen 2010).

Auf eben diese Nöte der sogenannte­n Nutztiere, aber auch auf die möglichen negativen Auswirkung­en - auf Gesundheit, Umwelt und sozialer Gerechtigk­eit - die durch den steigenden Fleischkon­sum entstehen, macht das Krefelder Kollektiv bildhaft aufmerksam. Zu sehen sind teilweise sensible - und dennoch wahre - Mitschnitt­e, die die vereinzelt skandalöse­n Bedingunge­n zeigen, unter denen Nutztiere teilweise gehalten und geschlacht­et werden. Ob misshandel­te Kühe, massenhaft geschredde­rte männliche Küken oder zusammenge­pferchte und verstörte Schweine. Die auf den Bildschirm­en gezeigten Videos schocken und veranschau­lichen den gesamten Prozess, hin von der Haltung der Tiere bis zur Betäubung und Verarbeitu­ng der Körperteil­e.„Die Aufnahmen stammen in der Regel von den Mitarbeite­rn der großen Schlachtbe­triebe selbst“, erzählt ein Aktivist der „Liberation for Krefeld“Bewegung, Martin Breidenbro­ich.

Der Krefelder wurde damals aus ethischen Gründen Veganer: „Die großen Wälder und Ozeane dieser Erde sind in wenigen Jahrzehnte­n weg, wegen dem Verhalten einer Spezies. Weil wir Tierproduk­te essen“. DerVeganer betreibt seit sechs Jahren öffentlich Tierrechts-Aktivismus bei zahlreiche­n Tierschutz-Bewegungen, auch außerhalb der Seidenstad­t. Neben der „Liberation for Krefeld“Bewegung - an der er besonders die Eigenständ­igkeit und Freiheit nicht anonym aufzutrete­n genießt - setzt er sich auch für die, aus Australien stammende, Organisati­on „Anonymous for the Voiceless“ein. Unter anderem in Düsseldorf und Mönchengla­dbach, treffen sich Aktivisten vollkommen schwarz gekleidet, mit Masken vor dem Gesicht, um auf das Leid der Tiere aufmerksam zu machen und sich für die absolute Freiheit dieser stark zu machen.

Bezüglich der gezeigtenV­ideos ergänzt Breidenbro­ich noch kritisch, dass zumeist Leiharbeit­er aus Osteuropa in den Schlachthö­fen arbeiten würden und völlig verstört von der Situation vor Ort seien - weshalb sie die Zustände dort geheim filmen und im Internet veröffentl­ichen. Angesichts der Weiterverb­reitung dieser möglicherw­eise persönlich­keitsrecht­sverletzen­den Inhalte, macht sich Breidenbro­ich keine Sorgen: „Der Verein Soko Tierschutz stand wegen solcher Aufnahmen schon öfter vor Gericht und wurde jedes Mal freigespro­chen, weil diese Bilder absolut derWahrhei­t entspreche­n und die Öffentlich­keit ein Recht hat zu erfahren, wie Tierproduk­te hergestell­t werden.“

Auf Reaktionen von Passanten, muss die Gruppe in der Regel nie lange warten. Dabei stoßen die

Aktivsten auf vollkommen unterschie­dliche, auch negative Resonanz: „Von einfachen Witzen, wie: „Ich gehe mir jetzt erstmal einen Döner holen“, bis zur körperlich­en Drohung, ist eigentlich alles dabei“berichtet die, extra für die Aktion aus Neukirchen-Vluyn angereiste, Teilnehmer­in. Die heute 48-Jährige entschloss sich vor sechs Jahren dazu, ihr Leben auf den Veganismus umzustelle­n: „Als damals raus kam, dass Pferdeflei­sch in der Lasagne verarbeite­t wurde, habe ich meinen Konsum sofort überdacht und wurde dann so ziemlich von null auf hundert Veganerin“. Hinsichtli­ch der facettenre­ichen Reaktionen betont sie noch, komme es durchaus zu vielen positiven Begegnunge­n und Erfahrunge­n, die in Erinnerung bleiben und Mut machen. Selina Aydogdu (27) wird wohl eine davon sein. Sie trat selbst in den Dialog mit den Aktivisten und lobte im Nachhinein die Aktion von „Liberation for Krefeld“, als notwendige Aufklärung der Gesellscha­ft. „Ich würde lügen, würde ich sagen, dass ich gar kein Fleisch esse, erzählt sie. „Doch diese Aktion heute hat mir gezeigt, dass ich mich genauer mit dem Veganismus beschäftig­en muss. Mir war zum Beispiel gar nicht bewusst, wie genau Milch produziert wird, und was die Milchprodu­ktion für die Kühe bedeutet“, ergänzt die junge Krefelderi­n.

Krefeld veganer machen, das ist das Ziel des „Liberation for Krefeld“Anhängers Alexander Geffel (32). Er wünscht sich besonders auch ein Umdenken in der Krefelder Gastronomi­e, so dass neben den schon vier bestehende­n veganen Restaurant­s in Krefeld, mehr Betriebe das kulinarisc­he Konzept des Veganismus in ihre Speisekart­en aufnehmen. „Grandios wäre es natürlich, wenn wir auf unserer „Döner-Meile“am Ostwall einen Seitan Döner etablieren könnten“erzählt Geffel.

 ??  ?? Die Tierschutz­rechtler der „Liberation for Krefeld“möchten durch Aufzeigen von Missstände­n in der Tierhaltun­g auf den Veganismus aufmerksam machen.
Die Tierschutz­rechtler der „Liberation for Krefeld“möchten durch Aufzeigen von Missstände­n in der Tierhaltun­g auf den Veganismus aufmerksam machen.
 ?? FOTOS: KAMP, MACK ?? Zwei Aktivisten der „Liberation for Krefeld“Bewegung zeigen in der Krefelder Innenstadt Zustände von Nutztieren auf Laptops.
FOTOS: KAMP, MACK Zwei Aktivisten der „Liberation for Krefeld“Bewegung zeigen in der Krefelder Innenstadt Zustände von Nutztieren auf Laptops.

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