Rheinische Post Krefeld Kempen
Kritik an Liste von Abtreibungsärzten
Politiker und Wissenschaftler fürchten, die Liste könnte zu einer Art Pranger werden.
BERLIN (dpa/kna) In die Debatte über die Liste mit Abtreibungspraxen haben sich nun auchWissenschaftler eingeschaltet. „Viele Ärzte betrachten einen Abbruch durchaus als notwendige medizinische Leistung, die sie im Rahmen der Frauengesundheit zu erbringen haben“, sagte die Merseburger Wissenschaftlerin Ulrike Busch der „Welt“. Sie scheuten aber davor zurück, sich in dem derzeitigen gesellschaftlichen Klima öffentlich dazu zu bekennen, um nicht stigmatisiert zu werden. Busch ist Professorin für Familienplanung.
Seit Montag ist eine Liste mit den Adressen von Abtreibungsärzten online, auf die sich die Koalitionsfraktionen bei der Reform des Werbeverbots für Abtreibungen geeinigt hatten. Bislang haben sich aber nur rund 90 Ärzte auf die Liste setzen lassen, in NRW waren es nur drei. Die Bundesärztekammer erklärte dazu, die Liste sei noch im Aufbau und werde monatlich aktualisiert.
Busch betonte, viele Ärzte befürchteten, sich bei einer Aufnahme „zur Zielscheibe für Abtreibungsgegner zu machen, die Mahnwachen vor Arztpraxen abhalten“. Sie bezeichnete es als„unsäglich“, wie mit Frauen in einer solchen Situation umgegangen werde.
Auch die Gießener Ärztin Kristina Hänel, die bekannt wurde, als Gerichte sie zu Geldstrafen wegen des Verstoßes gegen den Paragrafen 219a verurteilten, hat derartige Mahnwachen kritisiert. Sie war auch von einem Abtreibungsgegner angezeigt worden, der entdeckt hatte, dass sie auf ihrer Homepage Abbrüche anbietet. Hänel tritt für die Abschaffung des Paragrafen ein und ist bereit, dafür bis vor das Bundesverfassungsgericht zu ziehen. Sie hat erklärt, sich nicht auf die Liste setzen zu lassen.
Grünen-Frauenpolitikerin Ulle Schauws sagte der „Welt“, die Diskussion um den Paragrafen 219a habe die Entscheidung für viele Ärzte schwieriger gemacht, ob sie Schwangerschaftsabbrüche anbieten wollen. „Diejenigen, die in der Öffentlichkeit stehen, müssen mit Belagerungen und Belästigungen rechnen. Die Art und Weise, wie Ärztinnen und Ärzte hier an den Pranger gestellt und diskreditiert wurden, ist unsäglich“, sagte Schauws. Diese Stimmung sei insbesondere von der Union geschürt worden.
Die Union wies den Vorwurf laut „Welt“zurück. „Ärzte, die nicht auf die Liste wollen, können wie bisher den Beratungsstellen Bescheid geben und so alle Frauen erreichen, die über eine Abtreibung nachdenken. Der Hinweis auf diese Möglichkeit ist in der ganzen Debatte immer zu kurz gekommen“, sagte Elisabeth Winkelmeier-Becker (CDU), rechtspolitische Sprecherin der Unionsfraktion.