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Johnsons Welt
Der neue britische Premierminister hat sich mit einem Team umgeben, das vor allem eins sein soll: unbedingt loyal. Es ist ein bemerkenswert geschlossener Führungskreis.
LONDON Boris Johnson hat jetzt seine Mannschaft zusammen. Nach einer der brutalsten Regierungsumbildungen der jüngeren Vergangenheit präsentiert sich ein Team, das sich vor allem durch unbedingte Loyalität zu Johnson und unbedingten Glauben an den Brexit auszeichnet. Jedes Mitglied der neuen Regierung, vom Kabinettsminister bis zum Staatssekretär, musste eine Verpflichtung unterschreiben, auch einen ungeregelten Austritt aus der EU zu unterstützen. Das stellte sicher, dass der neue Machtapparat ausschließlich aus Brexit-Hardlinern und Johnson-Fans besteht. Der politische Kosmos des 55-jährigen neuen Premierministers ist bemerkenswert geschlossen. Ob das ein Vorteil ist, muss die Zukunft zeigen. Der engere Führungskreis wird von wenigen Politikern, Freunden und Familienmitgliedern gebildet. Als „Kanzler des Herzogtums Lancaster“ist der 51-Jährige ein Minister ohne Geschäftsbereich im Kabinett und wurde vor allem mit einer Aufgabe betreut: die Planung für den Brexit am 31. Oktober zu organisieren. Gove hatte schon imWahlkampf 2016 an der Seite Johnsons die „Vote Leave“-Kampagne angeführt. Der frühere Premierminister David Cameron beschrieb Gove einmal als „einen Maoisten, der an den Fortschritt durch den Prozess der kreativen Zerstörung glaubt“. In seinem Büro hängen die Bilder Wladimir Iljitsch Lenins sowie der schwarzen Bürgerrechtler Malcolm X und Martin Luther King.
Gove ist ein Überzeugungstäter und dabei ein stets höflicher Radikaler, der für seine Ideale alles opfern würde. Zugleich ist er das politische Schwergewicht im Kabinett mit der längsten Regierungserfahrung. Seit die Torys 2010 an die Macht kamen, war Gove stets Mitglied im Kabinett und hat als Bildungs-, Justizund Umweltminister gedient. In allen Ressorts konnte er wichtige Reformen vorantreiben. Johnson hätte kaum einen effizienteren Politiker an die Schaltstelle für das wichtigste Projekt der Regierung befördern können: den Brexit. Er ist nur ein Politikberater und wurde nie in ein Amt gewählt. Doch Boris Johnson hat den 47-Jährigen jetzt zu seinem speziellen Berater ernannt, der in 10 Downing Street den Beamtenapparat koordinieren und überwachen soll. Cummings hat das Büro gleich neben dem von Johnson bekommen, was seinen Status unterstreicht: An ihm kommt keiner vorbei, er ist de facto der Stabschef. Der frühere Berater von Michael Gove war ebenfalls in der „Vote Leave“-Kampagne aktiv. Unter Brexit-Fans hat er fast mythischen Status, weil ihm der Sieg im Referendum zugeschrieben wird. Sogar ein Hollywood-Film porträtiert den genialen Wahlkämpfer (gespielt von Benedict Cumberbatch), der den Slogan „Kontrolle zurückerlangen“erfand. Für seine Kritiker ist Cummings verantwortlich für eine verlogene Kampagne. Für den Premierminister ist er vor allem der Mann, der die Downing Street auf einen Wahlkampf vorbereiten soll, der schon nach der Sommerpause auf die Briten zukommen kann. rist. Er hat zwar im Referendum für denVerbleib in der EU gestimmt, ist aber zum Brexiteer konvertiert. Als Finanzminister muss Javid Hand in Hand mit dem Regierungschef arbeiten. Er hat schon versprochen, die vielen Milliarden Pfund bereitzustellen, die Johnson braucht, um seine Versprechen einzulösen. Dominic Raab hat seine Loyalität im parteiinternen Wahlkampf unter Beweis gestellt. Nachdem er selbst als Kandidat für die Nachfolge von Premierministerin Theresa May angetreten, aber früh aus dem Bewerberfeld geflogen war, unterstützte er Johnson, was ihm nach dessen Sieg den Posten des Außenministers einbrachte. Der 45-Jährige hatte zuvor unter May als Brexit-Minister gedient, war aber aus Protest gegen ihren Brexit-Deal nach vier Monaten im Amt zurückgetreten. Dort hatte er sich nicht immer mit Ruhm bekleckert. Besonders dass ihm nicht bewusst war, dass ein Großteil der britischen Importe durch das Nadelöhr Calais ins Land kommt, ließ Zweifel an seiner Kompetenz aufkommen.
Jetzt soll sich Raab um die außenpolitische Flanke kümmern. Johnson möchte möglichst schnell ein Freihandelsabkommen mit den USA. Und Raab hat schon die britische Position in denVerhandlungen über den iranischen Atom-Deal aufgeweicht, in denen bisher Deutschland, Frankreich und Großbritannien eine gemeinsame Linie vertraten. Jetzt geht London auf die USA zu und unterstützt eine amerikanische Beteiligung bei Marine-Missionen im Persischen Golf. Auch im Privatleben wird Boris Johnson jede Menge politischen Rat bekommen. Er kommt nämlich aus einer Familie, deren Angehörige stets deutlich Position bezogen haben. Vater Stanley Johnson ist ein leidenschaftlicher Umweltschützer, Schwester Rachel eine liberal gesinnte Kolumnistin und der kleine Bruder Jo Johnson ebenfalls ein Konservativer, der soeben zum Staatssekretär im Kabinettsrang für die Ressorts Energie und Wissenschaft ernannt wurde. Beim Brexit-Referendum haben alle außer Boris für den EU-Verbleib gestimmt, obwohl Vater Stanley und Bruder Jo mittlerweile ihre Meinung geändert haben. Boris’ Freundin Carrie Symonds dagegen teilt seine Begeisterung für den EU-Austritt. Sie hat früher die Öffentlichkeitsarbeit für die Konservative Partei gemacht hat und setzt sich heute vor allem bei der Organisation„Conservative Animal Welfare Foundation“für den Umweltschutz ein. Wenn Symonds als das „First Girlfriend“in Downing Street einzieht, wird es das erste Mal sein, dass dort ein unverheiratetes Paar wohnt.