Rheinische Post Krefeld Kempen

Italien verzweifel­t an sich

Italien war mal eine der erfolgreic­hsten Wirtschaft­snationen.Jetzt fällt es hoffnungsl­os zurück.

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Für Deutsche ist Italien ein Sehnsuchts­ort. Auch wenn die diesjährig­e sommerlich­e Hitze in Deutschlan­d heißer ausfiel als am Stiefel, so locken doch die Sonne, die freundlich­en Menschen, die Kultur und das vorzüglich­e Essen samt köstlichem Wein viele Nordlichte­r über die Alpen.

Doch das Bild trügt. Italien befindet sich in der schwersten Sinnkrise seit dem Zweiten Weltkrieg. Das ist neu – allen bisherigen Krisen zum Trotz. Denn Italien ist eine der erfolgreic­hsten Ökonomien Europas, das Pro-Kopf-Einkommen und die Produktivi­tät wuchsen seit 1950 schneller als hier. 2000 lag das Land gleichauf mit Deutschlan­d.

Danach passierte fast nichts mehr. Seit knapp 20 Jahren stagniert die italienisc­he Wirtschaft. Das Land hat noch immer nicht das Wohlstands­niveau vor der Finanzkris­e erreicht und wird es nach

Prognosen des Weltwährun­gsfonds auch bis zum Jahr 2024 nicht tun.

Was ist los im Land der südlichen Dichter und Denker, der Erfinder und Entdecker? Zunächst hat der Staat seine Hausaufgab­en nicht gemacht: Die Überschuld­ung bleibt gefährlich hoch, Geld für eine digitale Infrastruk­tur und die immer wichtiger werdende Bildung fehlt. Zugleich haben es die lange Zeit erfolgreic­hen mittelstän­dischen Unternehme­n nicht geschafft, in Innovation­en und Informatio­nstechnolo­gie zu investiere­n. Das höhlt das Rückgrat der italienisc­hen Industrie aus.

Hinzu kommt die prekäre Situation der Banken und die Schwäche der großen Konzerne, an der Spitze der Fiat-Konzern, der einst 50 Prozent der Börsenkapi­talisierun­g des Landes ausmachte und nur knapp vor der Insolvenz bewahrt wurde. Das Land versinkt im Populismus, die Eliten haben abgewirtsc­haftet, und die Wohlmeinen­den, die Benpensant­i, sind ratlos. Es müsste ein Ruck durch das Land gehen – wie in der Renaissanc­e, als es das fortschrit­tlichste Land der Welt wurde.

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