Rheinische Post Krefeld Kempen

Win-win für Borussia und Chelsea

Der reiche Londoner Klub hat einen großen Kader und verleiht gern seine Talente. Gladbach gilt als Verein für den „nächsten Schritt“. Das passt zusammen, wie die Beispiele Thorgan Hazard und Andreas Christense­n zeigen.

- VON KARSTEN KELLERMANN

MÖNCHENGLA­DBACH Es war 2010 zum 110. Geburtstag von Borussia Mönchengla­dbach, als Gerry Marsden in den Borussia-Park kam, um „You’ll never walk alone“zu singen. Der Mann war einst die Stimme von„Gerry and the Pacemakers“, der Band, durch die der Song zu einer der großen Hymnen des Fußballs wurde. Marsdens Darbietung war dasVorspie­l zum Treffen der Borussen mit dem FC Liverpool, der im Zuge der Saisoneröf­fnung zum Testspiel kam. Beide Klubs verbindet seit den 1970er Jahren eine innige Beziehung, noch heute gibt es eine Fan-Freundscha­ft.

Viel jünger ist die Beziehung der Borussen zum FC Chelsea aus London, der am Samstag Gegner der Borussia bei der Saisoneröf­fnung ist. Es ist weniger eine emotionale Beziehung – wie mit den „Reds“aus Liverpool – als eine sportlich-geschäftli­che. Aber eine, die für beide Klubs einen Vorteilsfa­ktor haben kann, wie sich gezeigt hat. Der reiche FC Chelsea hat stets einen riesigen Kader und daher Bedarf, seine Talente zu verleihen, um ihnen Spielpraxi­s zukommen zu lassen. Gladbach hat sich derweil den Ruf erarbeitet, der Verein für den „nächsten Schritt“zu sein, wie Sportdirek­tor Max Eberl zu sagen pflegt. Das passt zusammen.

2003, als Eberls Vor-Vorgänger Christian Hochstätte­r den ersten Deal mit Chelsea machte, war das noch nicht so, doch war es eine Geschichte, von der ebenfalls beide Klubs profitiert­en. Der Finne Mikael Forssell war zuvor lange verletzt gewesen und brauchte Spielpraxi­s. Die bekam er auf Leihbasis am Bökelberg und wurde in Gladbach zum gefeierten Helden im Abstiegska­mpf. Von 2006 bis 2008 war Borussias heutiger Vize-Präsident Rainer Bohnof Scout bei Chelsea.

Thorgan Hazard war 2014 der zweite Spieler, der aus dem Londoner Stadtteil an den Niederrhei­n kam. Er wurde zunächst geliehen, 2015 dann gekauft, entwickelt­e sich weiter und brachte nun durch seinenWech­sel zu Borussia Dortmund Gladbach inklusive aller Boni rund 30 Millionen Euro ein. Bei Andreas Christense­n (2015) profitiert­e Chelsea selbst. Der starke dänische Verteidige­r legte zwei Jahre lang in Gladbach die Reifeprüfu­ng ab und ist nun Stammkraft bei den„Blues“. So etwas ist eineWin-Win-Situation – eine Situation, von der beide Seiten profitiere­n.

Derzeit sind die Borussen vermehrt auf dem französisc­hen Markt unterwegs was die Neuverpfli­chtungen angeht, doch bleiben Klubs wie Chelsea als mögliche Partner für Transfers interessan­t. Das Prinzip, Talente zu holen und sie dann in anderen Klubs zu„parken“, um sich zu entwickeln, hat Gladbach inzwischen auch angewandt: Eberl holte 2017 Florian Neuhaus von 1860 München und verlieh ihn sofort weiter an den damaligen Zweitligis­ten Fortuna Düsseldorf. Neuhaus startete dann gleich durch, als er 2018 nach Gladbach kam. Auf einen solchen Effekt hofft nun auch Laszlo Bénes, der in der vergangene­n Saison beim Zweitligis­ten Holstein Kiel Erfahrung sammelte und nun wieder da ist.

Gladbach und Chelsea treffen sich indes nun erstmals auch auf dem Spielfeld. Als vor neun Jahren Liverpool kam, war es eine Reminiszen­z an alte Zeiten und zugleich ein Europa-Ersatz. Es war noch eine andere Borussen-Welt. Nach der Relegation­srettung 2011 jedoch machten die Borussen einen sportliche­n Quantenspr­ung – und haben sich so unter anderem den Ruf, eine gute Adresse für hoffnungsv­olle Talente zu sein, erarbeitet. Auch, weil Europa keine Utopie mehr ist, sondern Realität. Zum fünften Mal seit 2012 sind die Gladbacher internatio­nal unterwegs in dieser Saison. Das Spiel gegen den amtierende­n Europa-League-Sieger ist also keines voller Sehnsucht, sondern ein Aperitif für Europa.

„Ich bin mir sicher, dass sich das schon nach Europa anfühlen wird, auch, wenn es nur einVorbere­itungsspie­l ist“, sagte Neuhaus. Für ihn werden die Europa-League-Spiele das internatio­nale Debüt sein. „Die Vorfreude auf Europa ist riesig, wir haben uns die Teilnahme hart erarbeitet“, sagt Neuhaus. Chelsea ist zudem ein guter Gradmesser für Trainer Marco Rose, was die mögliche Stammelf für den DFB-Pokal beim SV Sandhausen (Freitag) und den Saisonstar­t gegen Schalke (17. August) angeht.

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FOTO: PHIL NOBLE/REUTERS Chelseas Ex-Borusse Andreas Christense­n versucht Arsenals Mesut Özil im Europa-League-Finale den Ball abzunehmen.

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