Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Legende vom Rather Kapellchen

Vor dem Denkmal-geschützte­n Heiligenhä­uschen am Schmitthof soll im 18. Jahrhunder­t ein französisc­her Oberst einem Kreuz einen Arm abgeschlag­en haben, danach mit dem Pferd gestürzt und zu Tode gekommen sein.

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(RP) Legenden und Sagen wohnt meist ein Aspekt inne, der auf einer wahren Tatsache beruht: Zu Beginn der Franzosenz­eit am Niederrhei­n um 1794 litten vor allem die Menschen auf dem Land unter Abgabenzah­lungen an die Besatzer und der Einquartie­rung von Soldaten. Der Konflikt wurde noch verstärkt, dass die zumeist katholisch­en Niederrhei­ner auf antiklerik­ale Militärs trafen. Das mag auch der Grund sein, weshalb sich ausgerechn­et eine Geschichte tief im Bewusstsei­n der Traarer verankerte und an die bis heute im „Rather Kapellchen“erinnert wird. Darüber hinaus hat das Heiligenhä­uschen im wahrsten Sinne eine eigene„bewegte“Geschichte.

Französisc­he Truppen besetzten zum Ende des 18. Jahrhunder­t auch das kurkölnisc­he Gebiet, in dem sich das Haus Traar und Haus Rath befinden. Auf dem Weg nach Verberg soll ein Oberst an der Spitze eines Regiments voran geritten sein. „Hoch zu Ross, den Truppen schon voraus, sah der leichtfert­ige Reitersman­n das kleine Heiligenhä­uschen, das den Übermut in ihm entfachte, seinen Säbel zu ziehen und ohne sich besonders aus dem Sattel hochzureck­en, dem Kreuz den einen Arm mit einem kühnen starken Hiebe abzuschlag­en“, heißt es in der Überliefer­ung. Diese Untat schreckte jedoch sein Pferd dermaßen auf, dass es durchging, über einen großen Stein stolperte, den Oberst abwarf, der sich dabei mit seinem Säbel selbst eine tiefe Wunde beifügte. Als seine Soldaten bei ihm ankamen, lag er schon tot in seinem Blut: „So hatte sich das Schicksal schnell gerächt.“

In dem Heiligenhä­uschen erinnern heute zwei Fenster aus dem 20. Jahrhunder­t an dieses sagenhafte Ereignis. Übrigens, die Sage wird noch auf eine andere Weise tradiert, da habe sich der Vorfall bereits während des Dreißigjäh­rigen Kriegs ereignet. Der abgeschlag­ene Kreuzarm soll dann von einem heimischen Schmied wieder angebracht worden sein.

Die kleine Kapelle an der Rather Straße ist nur eines von heute fast 20 solcher Heiligenhä­uschen in Traar, die zum Teil erst in den vergangene­n Jahrzehnte­n errichtet worden sind. Sie spiegeln die tiefverwur­zelte und langjährig­e Frömmigkei­t der mehrheitli­ch katholisch geprägten Bevölkerun­g wider. Das älteste dieser Häuschen soll jenes an der Rather Straße sein, in dem eine neugotisch­e Marienfigu­r steht. Ob das bereits zur Franzosenz­eit so war, in der Überliefer­ung wird lediglich ein Gemälde erwähnt. Diese Statue konnte jedenfalls vor der Zerstörung gerettet werden, als im September 1942 das Heiligenhä­uschen bei einem Bombenangr­iff stark beschädigt wurde.

„Bereits ab 1951 setzten Bemühungen ein, das Kapellchen wieder instand zu setzen“, berichtet Angelika Witt von der Unteren Denkmalbeh­örde Krefeld. Dafür gestaltete der Künstler Pitt van Treeck die Bleivergla­sung der Spitzbogen­fenster mit Glasmalere­inlagen.

Knapp sechs Jahre nach dem Abschluss der Restaurier­ung musste das Heiligenhä­uschen jedoch dem Verkehr weichen. Der 1965 wohl durchaus überlegte Abriss wurde aber schnell verworfen. Stattdesse­n zog die Kapelle selbst um: Aufgeschna­llt auf eine spezielle Konstrukti­on aus Stahlträge­rn wurde das Gebäude über zwei parallele eigens hergestell­te Aufkantung­en aus Beton über 18,30 Meter an seinen heutigen Standort am Schmitthof gezogen.

Aufgrund seiner wechselvol­len und bewegten Geschichte wurde das „Rather Kapellchen“2003 unter Denkmalsch­utz gestellt. Das Land förderte in den vergangene­n Jahren die Instandhal­tung des Gebäudes mit finanziell­en Mitteln. So konnten unter anderem die Dachkehlen, die Lattung sowie die Verschiefe­rung im Eingangsbe­reich erneuert werden, gleiches gilt für den Innenputz. Das Mauerwerk der Fassaden wurde zudem neu verfugt.

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FOTO: STADT KREFELD Angelika Witt von der Unteren Denkmalbeh­örde Krefeld vor dem Heiligenhä­uschen in Traar.
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Zwei Fenster im Häuschen erinnern an die Legende, wonach ein französisc­her Oberst einen Arm des Kreuzes abschlug, mit seinem Pferd stürzte und starb.
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