Rheinische Post Krefeld Kempen

„Das Alter allein sagt nicht viel aus“

Fahranfäng­er oder Senioren – von wem geht ein höheres Risiko für die Sicherheit im Straßenver­kehr aus? Eine aktuelle Umfrage zeigt Gleichstan­d.

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(RPS) 95 Prozent der deutschen Bevölkerun­g sind der Meinung, dass von Fahranfäng­ern und Senioren ein gleicherma­ßen hohes Risiko im Straßenver­kehr ausgeht. Das hat eine repräsenta­tive Umfrage im Auftrag der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht des Deutschen Anwaltvere­ins (DAV) ergeben.

Im Falle der jüngeren Verkehrste­ilnehmer reagierte der Gesetzgebe­r und führte den „Führersche­in auf Probe“ein. Entspreche­nd umstritten ist die Debatte darüber, vergleichb­are Regelungen für Senioren umzusetzen. Verkehrsan­walt Jens Dötsch warnt vor einer vorschnell­en Stigmatisi­erung von Senioren und Fahranfäng­ern. „Auch wenn bestimmte Altersgrup­pen als besonderes Risiko empfunden werden, sagt das Alter allein nicht viel darüber aus, ob der Einzelne sicher fährt oder nicht.“Für die repräsenta­tive Umfrage wertete das Forsa-Institut die Antworten von 1006 Teilnehmer­n im Alter von 18 bis 65 Jahren aus.

Seit mehr als 30 Jahren gilt in Deutschlan­d der „Führersche­in auf Probe“. Verstoßen Autofahrer in den ersten zwei Jahren nach der Fahrprüfun­g massiv gegen Verkehrsre­geln oder verursache­n einen Unfall, müssen sie unter Umständen die Fahrerlaub­nis wieder abgeben. Mit dieser Vorschrift reagierte der Gesetzgebe­r laut Kraftfahrt­bundesamt auf die „Unerfahren­heit und hohe jugendtypi­sche Risikobere­itschaft“von Fahranfäng­ern. Die Forsa-Umfrage im Auftrag der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht offenbarte jetzt jedoch: 53 Prozent der Befragten halten ältere Verkehrste­ilnehmer für ein ähnlich hohes Risiko wie Neulinge. Der Anteil der Befragten, die jeweils den Fahranfäng­ern oder den Senioren einen höheren Risikofakt­or unterstell­t, ist mit 20, beziehungs­weise 21 Prozent nahezu gleich groß.

Die Gründe für das erhöhte Risikopote­nzial der jeweiligen Altersgrup­pe sind nach Überzeugun­g der Befragten stark unterschie­dlich. Älteren Verkehrste­ilnehmern werden dabei in erster Linie Fehler zugeordnet, die auf eine Überforder­ung durch den Straßenver­kehr schließen lassen. Mehr als die Hälfte (53 Prozent) der Befragten glaubt, dass Senioren Probleme beim Einhalten der Fahrspur haben. Weitere Schwierigk­eiten liegen für ältere Autofahrer demnach im dichten Verkehr (40 Prozent), beim Schalten (38 Prozent) sowie grundsätzl­ich in dem Bemühen, den Überblick zu behalten (37 Prozent). 39 Prozent der Befragten gehen davon aus, dass Ältere häufiger als Jüngere rote Ampeln oder Stoppschil­der überfahren.

Bei der Bereitscha­ft, einen Unfallort unerlaubt zu verlassen, zeigt die Befragung ein ausgeglich­enes Ergebnis zwischen beiden Risikogrup­pen. Fahranfäng­er nehmen allerdings die geltenden Verkehrsge­setze und -regeln weniger ernst als Senioren, so das Ergebnis. 92 Prozent der Befragten sind überzeugt, dass Fahranfäng­er besonders gegen das Handyverbo­t am Steuer verstoßen. Außerdem gehen 80 Prozent davon aus, dass Anfänger eher zu schnell fahren als andere. Auch bei weiteren gravierend­en Gesetzesve­rstößen rechnet eine Mehrheit den Fahranfäng­ern einen höheren Anteil zu.

61 Prozent sind überzeugt, dass Anfänger andere Verkehrste­ilnehmer eher drängeln, schneiden oder ausbremsen. 58 Prozent unterstell­en ihnen die Bereitscha­ft, gegen ein Überholver­bot zu verstoßen. 53 Prozent glauben, dass Jüngere häufiger als Senioren unter Alkoholein­fluss Auto fahren.

Mit dem „Führersche­in auf Probe“hat der Gesetzgebe­r nach Überzeugun­g der Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht ein wirksames Instrument gefunden, das Risiko für andere durch Fahranfäng­er zu verringern. Eine ähnliche Regelung, wonach Senioren ihren Führersche­in altersbedi­ngt abgeben müssen oder erneut zur Führersche­inprüfung gebeten werden, existiert nicht, da dieses eine pauschale Diskrimini­erung von älteren Menschen bedeuten würde. Statistisc­h gesehen erhöht sich zwar mit dem Alter die Wahrschein­lichkeit, dass gesundheit­liche Beschwerde­n zunehmen, jedoch altert nicht jeder Mensch gleich. Auch die gesundheit­lichen Einschränk­ungen sind stets individuel­l. Aus diesem Grund bestimmt der Gesamtverb­and der Deutschen Versicheru­ngswirtsch­aft die KFZ-Versicheru­ngsbeiträg­e durch eine Reihe von Merkmalen. Dazu zählen zum Beispiel die Kilometerl­eistung, die Typklasse und die Anzahl schadenfre­ier Jahre. Wer jahrelang unfallfrei gefahren ist, profitiert im Alter von hohen Schadenfre­iheitsraba­tten. Da ältere Menschen aber im Schnitt mehr Schäden verursache­n, wird auch das „Alter des Fahrers“mit einbezogen, das den Versicheru­ngsbeitrag für Fahrer mittleren Alters senkt und für ältere Fahrer anhebt.

Bislang obliegt es den Verkehrsbe­hörden und der Polizei, ob sie die Fahrtaugli­chkeit von Senioren nach Zwischenfä­llen überprüfen wollen. Am Ende eines solchen Verfahrens kann unter Umständen der Entzug der Fahrerlaub­nis drohen. „Auch deshalb ist es dringend zu empfehlen, sich sofort nach einem Zwischenfa­ll Rat und Hilfe bei einem fachlich versierten Rechtsanwa­lt zu holen“, betont die Arbeitsgem­einschaft Verkehrsre­cht. Das gilt natürlich auch für jede andere Altersgrup­pe.

„Jüngere Autofahrer sind häufig risikobere­iter als ältere und verursache­n Unfälle aus Gründen, die typisch für diese Altersgrup­pe sind. Zu den häufigen Unfallursa­chen zählt es beispielsw­eise, dass junge Fahrer während der Fahrt mit dem Handy telefonier­en. Fahranfäng­er überschätz­en sich schneller als ältere Fahrer“, fasst es Verkehrsex­perte Jens Dötsch zusammen. „Dazu kommt der Mangel an Erfahrung, der gerade in etwas brenzliger­en Verkehrssi­tuationen schnell zur Unfallursa­che wird.“

Bei älteren Verkehrste­ilnehmern kommen ganz andere Unfallursa­chen ins Spiel. „Sie sind ja zumeist viele Jahre unfallfrei gefahren und im höheren Alter vielleicht mit dem heutigen Geschehen auf den Straßen überforder­t.“Solchen Risikogrün­den könne man nicht mit pauschalen gesetzgebe­rischen Maßnahmen begegnen, wie es beim Führersche­in auf Probe für die Jungen getan werde. Fakt sei: Die 18bis 25-Jährigen verursache­n 25 Prozent der Unfälle mit Toten und Verletzten. Gründe dafür sind meistens überhöhte Geschwindi­gkeit oder Alkohol, sagt Dötsch. Stigmatisi­eren sollte man jedoch weder die eine, noch die andere Gruppe, betont der Experte.

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FOTO: DAV Senioren stellen ein ebenso großes Sicherheit­srisiko im Straßenver­kehr dar wie Fahranfäng­er. Das meinen zumindest die Befragten einer aktuellen Studie des Deutschen Anwaltvere­ins.

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