Rheinische Post Krefeld Kempen
„Zweite Ausbildung für Ältere“
Die FDP-Generalsekretärin fordert, dass keine Biografie in der Sackgasse enden dürfe.
Viele Parteien im Osten thematisieren in ihrem Wahlkampf die Benachteiligung der Ostdeutschen. Ist das auch die Strategie der FDP?
TEUTEBERG Nein. Wir wollen Probleme und Schwierigkeiten zum Vorteil der Bürger lösen. Verschwörungstheorien und Spaltung zum eigenen parteipolitischen Vorteil zu schüren und zu bewirtschaften ist das Geschäftsmodell anderer. Die Bürger, die im Osten unserer Republik leben, haben Besseres verdient als rückwärtsgewandte Ablenkungsmanöver wie die Diskussion über einen Treuhand-Untersuchungsausschuss, die keinen einzigen Arbeitsplatz zurückbringt. Leider haben auch Teile der SPD in Ostdeutschland die Geister gerufen, die AfD und Linke in diesem Wahlkampf besonders dreist beschwören.
Welche Themen muss die FDP auf Bundesebene setzen, um wieder mehr ins Spiel zu kommen?
TEUTEBERG Wir haben bei allen Themen Antworten. Aber natürlich werden wir weiter unsere Stärken in den Vordergrund stellen: Wirtschaftliche Vernunft, Rechtsstaat, Bildung und Digitalisierung. Auch die Entlastung der arbeitenden Mitte in Deutschland ist weiter ein wichtiges Thema. Der Solidaritätszuschlag muss, wie es versprochen war, komplett abgeschafft werden. Das ist eine Frage von Glaubwürdigkeit und Gerechtigkeit.
Das Thema wirtschaftliche Kompetenz hat gerade wenig Konjunktur.
TEUTEBERG Das heißt aber nicht, dass wir ein Abonnement aufWohlstand hätten. Die Sonderbedingungen der letzten Jahre, die uns zum Beispiel durch Niedrigzinsen künstlich kräftiger dastehen lassen als wir eigentlich sind, werden nicht auf Dauer so bleiben. Wir wollen unser Land wetterfest machen, damit es auch gut durch stürmische Zeiten kommt. Wir brauchen zum Beispiel international wettbewerbsfähige Steuersätze und müssen die Steuerzahler von der kalten Progression entlasten. Mit dem Midlife-Bafög haben wir ein Konzept vorgelegt, um auf die vielfältiger werdenden Berufswege zu reagieren und keine Biografie zur Sackgasse werden zu lassen. Auch im mittleren oder höheren Alter sollte man noch eine zweite Ausbildung machen können.
Wie sieht es mit dem Thema Klimaschutz aus – da gibt jetzt sogar die CSU Gas. Herr Söder spricht sich unter anderem für billige Bahntickets, mehr Bäume und einen früheren Kohleausstieg aus.
TEUTEBERG Die plötzlichen Vorschläge sind aktionistisch und wenig glaubwürdig. Wir müssen Klimaschutz, der auch für uns eine der wichtigsten Herausforderungen ist, so intelligent machen, dass er nicht den Produktionsstandort Deutschland gefährdet und eine klimaneutrale Industrie schaffen. Nur dann wird unser Beispiel für andere auf der Welt so attraktiv sein, dass sie ihm folgen, nicht aber, wenn wir durch Deindustrialisierung das Klima schützen wollen. Neben dem Pariser Klimaabkommen, das einen internationalen Ziel-Konsens beschreibt, brauchen wir endlich einen Konsens über nationale Maßnahmen, mit denen wir diese Ziele erreichen können. Außer der CDU hat noch niemand auf unser Gesprächsangebot für einen nationalen Klimakonsens reagiert. Dass ausgerechnet die Grünen kein Interesse an gemeinsamen Lösungen zeigen, finde ich enttäuschend.