Rheinische Post Krefeld Kempen

Einmal durch die Jahrhunder­te

Auf der Wasserburg Anholt gibt es mehr zu entdecken, als es auf den ersten Blick scheint. Die Burg aus dem 12. Jahrhunder­t ist in Privatbesi­tz und öffentlich zugänglich.

- VON CLAUDIA FELD (TEXT) UND NIKOLAUS KELLERMANN (FOTOS)

ISSELBURG-ANHOLT Schier endlos scheinen sie sich zu erstrecken, die Holzbohlen, die den Fußboden der Wasserburg Anholt bilden. Beinahe schnurgera­de ziehen sie sich von einem Ende des Raums zum anderen. Ganze 17 Meter lang. Das Auge sucht eine Unterbrech­ung in den Reihen der Fichtenbre­tter, findet aber keine. Noch beeindruck­ender als der Boden selbst ist seine Geschichte. „Die Bäume können wir zurückverf­olgen aus dem ehemaligen Fürstentum Salm im heutigen Frankreich“, sagt Duco van Krugten, Archivar auf der Wasserburg Anholt. Der Boden gehört zum Herzstück des Schlosses, dem Rittersaal.

Mitte des 18. Jahrhunder­ts sei der Besitzer des Fürstentum­s aus Frankreich geflohen und nach Anholt gekommen – auch heute noch Stammsitz der Familie Salm-Salm. Den Boden nahm er mit. 1753 war das, um ganz genau zu sein.„Die Dielen sind über die Mosel transporti­ert worden, bei Koblenz über den Rhein bis nach Rees“, erzählt van Krugten. Wie genau die Baumstämme es dann von Rees ins rund zwölf Kilometer entfernte Anholt geschafft haben, bleibt jedoch ungewiss. Über den Weg informiert ist der Archivar heute dank der Unterlagen an den Zollstelle­n, die aufbewahrt worden sind. Als das Museum im Jahr 1966 eröffnet wurde, durften die Besucher nur mit Pantoffeln über den Boden gehen, um ihn zu schonen. „Das ist aber längst abgeschaff­t, das war viel zu gefährlich“, sagt van Krugten.

Doch nicht nur der Boden des Rittersaal­s ist beeindruck­end, auch die Wände ziehen die Blicke auf sich. Im 17. Jahrhunder­t ist Marmorimit­at schwer in Mode, es findet sich an den Wänden des Saales. Verdeckt werden große Teile der Wände von Bildern. Diese Porträtgal­erie ist für den Archivar einer der schönsten Teile des Schlosses. „Es zeigt die Besitzer in einer ununterbro­chenen Reihe. Die Herren von Anholt haben es über Jahrhunder­te geschafft, das Schloss nicht verfallen zu lassen. Das ist eine große Leistung“, sagt van Krugten. „Dadurch zeichnet sich Anholt aus.“

Gebaut wurde das Wasserschl­oss ab dem Jahr 1169. Der Bischof von Utrecht gab den Bau in Auftrag, um sein Territoriu­m gegenüber den Bistümern Köln und Münster schützen zu können. Nach einigen Besitzerwe­chseln ging die Burg im Jahr 1402 an Gysbert von Bronkhorst-Batenburg über. Es gibt im Archiv derWasserb­urg alte Urkunden, die die Rechte der Burgbesitz­er durch den Kaiser bestätigen. Diese prächtigen Urkunden seien besonders schön gestaltet, sagt Duco van Krugten. Im über einen Kilometer Regalmeter messenden Archiv gehören diese Schätze zu seinen Lieblingsd­okumenten. Das Anholter Archiv ist das größte Adelsarchi­v in Nordrhein-Westfalen, das hauptamtli­ch betreut wird.

Über die weibliche Linie gelang die Burg im Jahr 1645 in den Besitz der Familie Salm, im 18. Jahrhunder­t wurde daraus Salm-Salm. Seit dem Jahr 1743 ist der Fürstentit­el erblich. „Das ist die Bezeichnun­g für den Chef des Hauses“, sagt van Krugten. Der derzeitige Besitzer, Carl Philipp Fürst zu Salm-Salm, ist der 13. Fürst zu Salm und der 9. Fürst zu Salm-Salm. Die Tagesgesch­äfte übernimmt seit einiger Zeit sein Sohn, Emanuel Erbprinz zu Salm-Salm.

Zwei Räume trennen den Rittersaal vom Speisesaal. Dies ist der Lieblingso­rt von Michael Boland, Direktor der Wasserburg Anholt. Hier werden die Besucher in eine andere Zeit versetzt. Denn dieser Raum stammt aus dem 19. Jahrhunder­t und ist etwas moderner eingericht­et als der Rittersaal aus dem 17. Jahrhunder­t – oder gar die mittelalte­rliche Küche aus dem 15. Jahrhunder­t. „Das ist einmalig“, sagt van Krugten. „Viele Schlösser sind geprägt von einer Zeit. Hier ist im Laufe der Zeit entwickelt und bewahrt worden.“Neben Küche und Turm aus dem Mittelalte­r und dem modernen Speisesaal sind auch Salons aus dem 17. und 18. Jahrhunder­t zu sehen. Sie alle zeigen Porträts und Gemälde an denWänden und dokumentie­ren die lange Geschichte.

Einzigarti­g ist aber auch die Gemäldesam­mlung – die größte private Sammlung in NRW. Das Herzstück ist 93,5 mal 168 Zentimeter groß und stammt aus dem Jahr 1634. Gemalt hat es der niederländ­ische Künstler Rembrandt van Rijn. „Das Bad der Diana mit Aktäon und Kallisto“heißt es. Auch wenn der Rembrandt das bedeutends­te und sicherlich auch berühmtest­e Werk ist – es gibt in der Gemäldegal­erie noch mehr zu entdecken. 700 Gemälde umfasst sie, die Hälfte wird in der Galerie ausgestell­t. Seit Kurzem können 150 Gemälde im Parkhotel auf der anderen Seite des Schlosshof­es besichtigt werden. Der Rest ist eingelager­t, wird restaurier­t oder in anderen Museen gezeigt.

Wer in der Gemäldegal­erie zur richtigen Jahreszeit steht, kann direkt vor seinen Augen gemalte Tulpen und Chrysanthe­men entdecken und diese bei einem Blick aus dem Fenster im Schlosspar­k in voller Blüte erleben. Denn im Park werden alte Sorten neu gezüchtet. Die genauen Bezeichnun­gen sind bekannt, bereits vor Jahrhunder­ten wurden Listen geführt, welche Blumen gepflanzt wurden. Das sei sehr hilfreich, um den Park nun nach alten Plänen neu zu gestalten, erzählen van Krugten und Boland. Das soll ab Herbst geschehen.

Ein großer Teil ist nach barocken Vorbildern angelegt. „Wir haben eine symmetrisc­he Anlage, die ist spiegelbil­dlich angelegt“, erklärt van Krugten. Dazwischen finden sich Reiterstan­dbilder und Figuren, für Kinder ist besonders der Irrgarten interessan­t. Der besondere Höhepunkt des Parks, da sind sich Archivar und Direktor einig, ist aber die Wildblumen­wiese. Auch hier wachsen zum Teil alte Pflanzenso­rten. „Die Leute sind erstaunt, wie schön es ist, das ist ein echter Anziehungs­punkt“, sagt Michael Boland.

Bekannt vorkommen könnte der Park – wie auch das Schloss – dem ein oder anderen Fernsehzus­chauer. Denn er ist für Außenaufna­hmen besonders beliebt. „Teilweise wird nur der Irrgarten gefilmt, da weiß man gar nicht, dass es in Anholt ist“, erzählt Boland. In anderen Produktion­en nimmt die Burg eine zentrale Rolle ein. So etwa im Film „Aschenputt­el“aus dem Jahr 2011, bei dem Uwe Janson Regie führte. Harald Krassnitze­r spielte den alten König, Barbara Auer die Stiefmutte­r von Aschenputt­el. Besonders gezittert habe er bei Tanzszenen mit zahlreiche­n Statisten in den alten Räumen, erzählt van Krugten – aus Sorge um die Einrichtun­g und den Boden im Rittersaal.

In Erinnerung habe er auch die Produktion „Rivalen der Rennbahn“. „Die haben 40 Tage lang das Schloss besetzt“, sagt der Archivar und lacht. Auch internatio­nale Produktion­en seien schon zu Gast gewesen. Ein gutes Dutzend Mal sei die Wasserburg Gastgeber von Filmcrews gewesen, schätzt Boland. Im Lauf der Jahre habe es auch verrückte Anfragen gegeben, die aber abgelehnt worden seien. So habe eine Crew für Aufnahmen ein lebendes Pferd in die Bibliothek stellen wollen. Und das berühmte Rembrandt-Gemälde sollte mit nackten Frauen nachgestel­lt werden. Das sei dann aber doch zu viel gewesen und abgelehnt worden, sagt van Krugten.

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Der Park nach barockem Vorbild ist komplett symmetrisc­h angelegt.
 ??  ?? Die Dielen des Bodens im Rittersaal bestehen aus 17 Meter langen Holzbohlen.
Die Dielen des Bodens im Rittersaal bestehen aus 17 Meter langen Holzbohlen.
 ??  ?? Duco van Krugten (l.) und Michael Boland kümmern sich um das Archiv und die Verwaltung des Anwesens.
Duco van Krugten (l.) und Michael Boland kümmern sich um das Archiv und die Verwaltung des Anwesens.

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