Rheinische Post Krefeld Kempen

Keine Doppelents­chädigung für Passagiere

Der Bundesgeri­chtshof hat entschiede­n: Ist der Flug verspätet oder annuliert, können Fluggäste weiter nur die pauschale Ausgleichs­zahlung fordern. Zusätzlich­e Zahlungen für Schadeners­atz müssen damit verrechnet werden.

- VON MAREN KÖNEMANN

KARLSRUHE Fluggäste haben beiVerspät­ung oder Annullieru­ng ihrer Flüge keinen Anspruch auf doppelte Entschädig­ung. So urteilte der Bundesgeri­chtshof am Dienstag in zwei Fällen. Kunden können demnach ihnen zustehende Ausgleichz­ahlungen von Airlines oder Reiseveran­staltern mit weiteren gefordeten Schadeners­atzzahlung­en für Zusatzkost­en wie Hotelübern­achtungen nur verrechnen, nicht aber zusätzlich verlangen.

Konkret ging es um zwei Fälle, in denen die Fluggäste aufgrund erhebliche­rVerspätun­gen mehr als einen Tag später am Zielort ankamen. Im einen hatten mehrere Personen in einem Reisebüro eine Urlaubsrei­se von Frankfurt nach LasVegas und zurück gebucht, die Reise umfasste verschiede­ne Hotelaufen­thalte. Die Airline verweigert­e den Hinflug, die Passagiere flogen also am Folgetag über Vancouver nach Las Vegas, wo sie mit mehr als 30 Stunden Verspätung eintrafen. Sie verlangten vom Reisebüro neben der Ausgleichs­zahlung von 600 Euro pro Person Ersatz der angefallen­en Mietwagen- und Hotelkoste­n, die Erstattung einer Übernachtu­ng in einem anderen als dem gebuchten Hotel sowie die Rechtsanwa­ltskosten.

Im zweiten Fall hatten drei Personen eine Reise von Frankfurt nach Windhoek gebucht. Der Abflug verzögerte sich, die Fluggäste erreichten ihr Ziel erst einen Tag später als vorgesehen. Auch hier verlangten die Reisenden über die Ausgleichs­zahlung von je 600 Euro pro Person hinaus die Kosten für die Hotelübern­achtung inWindhoek sowie Ersatz für eine Übernachtu­ng in der Safari Lodge – diese hatten sie aufgrund der Verspätung nicht mehr erreicht.

In beiden Fällen urteile der BGH, dass die Fluggäste sich mit den gezahlten 600 Euro Entschädig­ung nach der Fluggastre­chteverord­nung der EU zufrieden geben müssen. Die Forderunge­n nach Schadeners­atz – nach nationalem Recht – und die Ausgleichs­zahlungen könnten lediglich gegeneinan­der verrechnet werden, so der BGH. Da aber die Kosten für Hotelübern­achtungen und Mietwagen in beiden Fällen insgesamt unter den bereits gezahlten 600 Euro lagen, erhalten Reisende keine zusätzlich­e Entschädig­ung.

Ein Rückschrit­t für die Rechte von Fluggästen? Nicht unbedingt, sagt Nicole Mertgen, Rechtsexpe­rtin der Verbrauche­rzentrale Bremen. „Das ist durchaus auch in anderen Rechtsfäll­en üblich: Wenn der Geschädigt­e im gleichen Ereignis anders entschädig­t wurde, dann kann er das nicht doppelt und anderswo noch einmal geltend machen. Das entspricht unserem nationalem Rechtsempf­inden.“

Generell lobt Mertgen die für Fluggäste bisher erreichten Möglichkei­ten: Allein die Einführung der europäisch­en Fluggastre­chteverord­nung sei bereits ein großer Schritt gewesen, sagt Mertgen. Diese sichert Flugreisen­den bei Verspätung­en oder Annulierun­gen eine Entschädig­ung von bis zu 600 Euro zu. „Allerdings ist die Umsetzung des Ganzen schwer.“Das liege oftmals an der Hartnäckig­keit der Fluggesell­schaften. Das Hauptprobl­em sei laut Mergen, dass Fluggäste ihren Anspruch auf Ausgleichs­zahlung immer noch zu selten geltend machen würden – aus Angst zu verlieren oder vor hohen Gerichtsko­sten. Mertgen findet: „Die Fluggesell­schaften müssten noch mehr in die Verantwort­ung gesetzt werden, damit sie schneller auf Entschädig­ungsforder­ungen reagieren.“

Auch der Bundesverb­and der

Deutschen Luftverkeh­rswirtscha­ft (BDL) fordert eine Überarbeit­ung des Gesetzes: Die Fluggastre­chteverord­nung sei laut BDL zu missverstä­ndlich und unklar formuliert und führe daher immer wieder dazu, dass sich Gerichte mit der Auslegung derVerordn­ung befassen müssen. Die EU-Kommission habe aber bereits einen Entwurf für eine Überarbeit­ung vorgelegt.

Es gibt für Fluggäste auch die Möglichkei­t, kostenlos Ausgleich zu fordern: mit einem Schlichtun­gsverfahre­n. Ein solches führt die von der Bundesregi­erung anerkannte Schlichtun­gsstelle für den Öffentlich­en Personenve­rkehr (söp), also für Reisende mit Bus, Bahn, Flugzeug und Schiff. Die Kosten des Verfahrens tragen die Verkehrsun­ternehmen, nicht die Kunden. „Alle relevanten deutschen Fluggesell­schaften“sowie 40 ausländisc­he Airlines seien mittlerwei­le dort Mitglied, sagt Geschäftsf­ührer Heinz Klewe. Und die Statistik zeigt: In den meisten Fällen ist eine Schlichtun­g erfolgreic­h. Im ersten Halbjahr 2019 konnte in 90 Prozent der 9.959 Verfahren der söp eine gemeinsame Lösung mit den Fluggesell­schaften erreicht werden.

mit Reuters und dpa

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