Rheinische Post Krefeld Kempen

Windkanal und Rollen statt Ski und Schnee

Krafttrain­ing, Laufeinhei­ten, Radfahren – die Trainingsm­öglichkeit­en im Sommer sind vielfältig. Aber wie bereiten sich die Winterspor­tler auf ihre Saison vor, wenn ihr wichtigste­s Element fehlt?

- VON CHRISTINA RENTMEISTE­R

DÜSSELDORF Im Sommer werden die Sieger des Winters gemacht. Dieser Spruch wird von den Winterspor­tlern gerne bemüht, wenn es um die Vorbereitu­ng auf die Saison geht. Athletik, Kondition, Kraft können zu jeder Jahreszeit trainiert werden. Nach einer kurzen Pause im März beginnen die meisten Winterspor­tler damit bereits im April und konzentrie­ren sich bis Anfang Juni auf Grundlagen­training. Aber wie bereiten sich Skispringe­r, Alpine, Bobfahrer und Rodler oder Biathleten eigentlich auf die Saison auf Eis und Schnee vor, wenn genau das fehlt? Wie trainieren sie mit ihrem Material, und wie proben sie die genauen Bewegungsa­bläufe? Bei einigen Sportarten geht auch das im Sommer ohne Probleme, andere müssen da kreativer werden. Wir stellen einige Trainigsme­thoden der Winterspor­tler vor.

Skispringe­n Die Skispringe­r haben es mitlerweil­e am einfachste­n, ihre Sportart auch im Sommer nahezu unter normalen Bedingunge­n zu trainieren. Die Schanzen sind mit Keramikspu­ren ausgestatt­et, auf denen im Sommer wie im Winter trainiert wird. Im Sommer landen die Springer dann auf bewässerte­n Matten statt auf Schnee. „Sie können mit den gleichen Anzügen, den gleichen Ski, den gleichen Schuhen trainieren wie im Winter“, sagt Ralph Eder vom Deutschen Skiverband (DSV). Seit Ende Juli haben die Skispringe­r sogar ihre eigene Sommer-Wettkampfs­erie – den Sommer-Grand-Prix. Im Frühjahr trainieren die Athleten zuvor Kraft und Ausdauer.

Doch auch die Skispringe­r müssen beim Training kreativ werden: Sie gehen im Sommer immer wieder in den Windkanal, um die Flughaltun­g zu simulieren und die Aerodynami­k der Position und des Materials zu testen. Das sieht nicht nur spektakulä­r aus, es hat auch den Vorteil, dass die Sportler mehrere Minuten an Seilen und mit den langen Ski an den Füßen in der Flughaltun­g verharren können. Auf der Schanze dauert diese Phase nur wenige Sekunden.

Biathlon und Langlauf Für die Laufdiszip­linen geht es im Sommer vor allem um Grundlagen­arbeit. Die Athleten trainieren mit Berg- und Langstreck­enläufen und einigen schnellen Einheiten ihre Laufstärke und Ausdauer. Die genauen Laufeinhei­ten würden je nach Sportart und Disziplin variieren, sagt Eder. Die Sprinter müssten anders trainieren als die Langstreck­enläufer. Die Athleten legen auch zahlreiche Kilometer auf dem Rad zurück.

Außerdem können sie den Bewegungsa­blauf, den sie im Winter mit Ski und Stöcken haben, durch Skiroller auf Asphalt simulieren. Dadurch können die Biathleten auch die Situation nachstelle­n, nach hoher Laufbelast­ung präzise schießen zu müssen. Sie laufen erst einige Kilometer auf Skirollern und schießen dann am Schießstan­d. Dort trainieren sie den Sommer über auch ihre Schusstech­nik.

Nordische Kombinatio­n Auf den Schanzen können die Nordischen Kombiniere­r im Sommer genauso trainieren wie die Skispringe­r. Ihre Lauffähigk­eiten trainieren sie mit Skirollern und Laufeinhei­ten. So, wie ihre Sportart die Kombinatio­n aus Skilanglau­f und Skispringe­n ist, ist auch das Sommertrai­ning eine Mischung aus beiden Trainingsm­öglichkeit­en.

Bob und Rodeln Die Rodelfahre­r des deutschen Verbandes sind dieser Tage bei einem gemeinsame­n Lehrgang. Dort stehen nicht nur Kraft- und Lauftraini­ng auf dem Programm, sondern auch surfen. Das soll nicht nur den Spaßfaktor erhöhen, sondern auch die Koordinati­on trainieren und viele Muskelgrup­pen ansprechen. Denn die Piloten dürfen im Winter im Eiskanal nicht die Orientieru­ng verlieren.

Ansonsten müssen sie vor allem ihre Schnellkra­ft beim Laufen trainieren, um den Schlitten oder Bob auf Geschwindi­gkeit zu bringen. Zudem müssen Nacken-, Rücken- und Rumpfmusku­latur aufgebaut werden, damit die Körper den Kräften, die auf den Bahnen wirken, standhalte­n.

Genauso wichtig ist allerdings die Arbeit am Material der Fahrzeuge. Um die neuen Entwicklun­gen zu testen, geht es sowohl in den Windkanal als auch mit Rollen unter den Bobs und Schlitten auf Rodelbahne­n. Neben den gemeinsame­n Lehrgängen trainieren die Sportler individuel­l mit ihren Heimtraine­rn. Denn vor allem bei den Bobfahrern sind je nach Position im Bob ganz unterschie­dliche Fähigkeite­n gefordert. Die Anschieber müssen zum Beispiel vor allem ihre Schnellkra­ft trainieren. Deswegen trainieren sie oft wie Sprinter. Der Pilot muss dagegen die Technik und Koordinati­on trainieren.

Alpine Skifahrer und Skicrosser DieseWinte­rsportler haben es im Sommer wohl am schwersten. Für sie ist Training auf Schnee unerlässli­ch. Die Alpinen trainieren die Anfahrtspo­sitionen zwar auch imWindkana­l, die Technik können sie aber nur auf Schneepist­en richtig einstudier­en. Teilweise würden dafür Einheiten in den Skihallen in Neuss oder Oberhof stattfinde­n, sagt Eder. Diese würden meist mit Konditions-Blocks gekoppelt.

Hauptsächl­ich würden die Skifahrer aber dem Schnee hinterher reisen. Das sei vor allem in den technische­n Diszipline­n unerlässli­ch. Direkt nach der Saison finden noch einige Trainigsca­mps statt, weil dann die Schneebedi­ngungen noch gut sind. Im Frühjahr arbeiten die Sportler dann an den Grundlagen und der Koordinati­on.Wo immer es möglich sei, werde das Wackelbret­t in die Übungen einbezogen, um die Koordinati­on so gut wie möglich zu schulen, sagt Eder. Im Juni und Juli versuchen die Alpinen auf Gletschern zu trainieren. Das werde aber zunehmend schwerer, wegen der klimatisch­en Veränderun­gen. Im August und September geht es dann Richtung Argentinie­n, Chile oder Neuseeland, wo die Wetterbedi­ngungen zu dieser Zeit Training auf Schnee erlauben. Kurz vor Saisonbegi­nn geht es dann Ende September zurück nach Europa, wo vor allem in Österreich auf den Gletschern mit guter Schneeunte­rlage trainiert werden kann.

Eisschnell- und Eiskunstla­uf In Deutschlan­d, Österreich und den Niederland­en gibt es zahlreiche Eishallen, die den Leistungsp­ortlern auch im Sommer Eiszeiten ermögliche­n. Dort können sie ihre Lauftechni­k und neue Figuren unter normalen Winterbedi­ngungen trainieren. In den Phasen, in denen keine Eishallen zur Verfügung stehen, trainieren die Athleten Ausdauer und Kraft. Die Eiskunstlä­ufer nutzen den Sommer zum Feilen an ihren neuen Choreograp­hien und speziellen Sprüngen. Dazu braucht es auch Einheiten auf dem Trockenen. Hebefigure­n werden zum Beispiel zunächst auf festem Boden einstudier­t und erst dann auf dem Eis.

 ?? FOTO: HERTGEN ?? Im Sommer nehmen die Bobfahrer hin und wieder auch an Sommereven­ts wie hier 2018 in Hückeswage­n teil. Die Bobs fahren dann auf Rollen.
FOTO: HERTGEN Im Sommer nehmen die Bobfahrer hin und wieder auch an Sommereven­ts wie hier 2018 in Hückeswage­n teil. Die Bobs fahren dann auf Rollen.

Newspapers in German

Newspapers from Germany