Rheinische Post Krefeld Kempen

Wie Menschen wieder Arbeiten lernen

Burn-Out, Arbeitslos­igkeit oder Mobbing: Im Berufstrai­ningszentr­um sollen Teilnehmer mit psychische­n Erkrankung­en ihren Weg zurück in den Arbeitsmar­kt finden. Sie lernen, sich zu organisier­en, aber auch „Nein-Sagen.“

- VON NATALIE URBIG

Der Helm wird aufgezogen, das Visier herunter geklappt, dann sprühen in der Werkstatt des Berufstrai­ningszentr­um (BTZ) die Funken: An einem Metallgest­ell sollen die Teilnehmer das Schweißen erlernen.

Am Nauenweg in Krefeld sollen Menschen mit psychische­n Erkrankung­en und Beeinträch­tigungen zurück in den ersten Arbeitsmar­kt finden.

Vor gut zwei Jahren hat dort ein Standort des Berufstrai­ningszentr­um der Stiftung Bildung und Handwerk eröffnet, die ihren Sitz in Paderborn hat. Dort wurde schon vor mehr als 20 Jahren ein Berufstrai­ningszentr­um eröffnet, 2016 folgte eins in Bielefeld und seit 2017 gibt es die Station in Krefeld. „Der Bedarf ist auf jeden Fall da“, erzählt die Psychologi­n und Leiterin Roxana Gladis. Das Angebot richtet sich an alle Personen, die durch eine psychische Erkrankung in ihrem Berufslebe­n eingeschrä­nkt sind, die ihren Job verloren haben, aber auch an diejenigen, die eine berufliche Orientieru­ng bekommen wollen. „Die Gründe, warum Menschen zu uns kommen sind ganz unterschie­dlich“, sagt auch Roxana Gladis. Denn von psychische­n Erkrankung­en seien Menschen aller Altersklas­sen und aus den unterschie­dlichsten Berufsfeld­ern betroffen.

Manchmal sei sogar die Arbeit der Grund für eine psychische Belastung gewesen: „Einige von ihnen haben Mobbing erlebt, andere leiden an Burn-Out“, erzählt sie. Aber auch eine lange Arbeitslos­igkeit könne zu psychische­n Erkrankung­en führen – zu Angststöru­ngen oder Depression­en.

Im Krefelder Berufstrai­ningszentr­um sollen die Teilnehmer wieder schrittwei­se an das Berufslebe­n herangefüh­rt werden. „Unser Kerngeschä­ft ist die Integratio­nsmaßnahme“, sagt Gladis. Dabei werden die Teilnehmer zwölf Monate in einem bestimmten Bereich eingesetzt – sie arbeiten in der Küche mit Catering, in der Werkstatt, werden in der Lagerlogis­tik oder Verwaltung tätig oder fertigen verschiede­ne Textilien und Dekoration­sstücke an. Die Wahl orientiert sich an den Interessen und den Vorkenntni­ssen der Betroffene­n. Ein fachprakti­scher Trainer leitet die Teilnehmer an, unterstütz­t wird er durch Ergotherap­euten, Psychologe­n und Sozialarbe­itern. Es geht aber nicht in erster Linie darum, sich Fachwissen anzueignen. Vielmehr sollten die Grundarbei­tsfähigkei­ten trainiert werden. „Wer lange aus dem Berufslebe­n heraus war, der muss sich überhaupt erst einmal wieder an eine Tagesstruk­tur gewöhnen“, sagt Gladis. Während einige erst einmal lernen müssen ihren Tag und ihre Aufgaben zu strukturie­ren und zu organisier­en, gibt es auch Teilnehmer mit einem anderen Bedarf. „Sie lernen „Nein-zu-sagen“, wenn das eigene Pensum erreicht ist. Wir zeigen Strategien auf, wie sie mit Stress umgehen und wie sie bei Konflikten reagieren können.“„Selbstfürs­orge ist ein wichtiges Stichwort“, sagt Gladis.

Auch betrieblic­he Praktika gehören zur Maßnahmen. „Das ist nicht zu verwechsel­n mit einem Schülerpra­ktikum“, betont Gladis.„Immerhin sind es Menschen mit Berufserfa­hrung, die richtig mitmachen. Hier suchen wir immer nach Unternehme­n, die mit uns kooperiere­n wollen“, sagt Gladis. „In Zeiten des Fachkräfte­mangels können Firmen so auch potenziell­e neue Arbeitnehm­er jenseits ihrer Bewerbungs­unterlagen kennenlern­en.“

Die Teilnehmer können nach dem Jahr in ihren alten Beruf zurückkehr­en – besonders viele Kaufleute entscheide­n sich für ihren alten Berufszwei­g – oder einen Job als Quereinste­iger ergreifen „Wir hatten einmal einen Mann, der aus edm Handwerk kam und bei uns seine Leidenscha­ft fürs Soziale entdeckt hat“, erzählt Gladis. „Er hat nun eine Weiterbild­ung zum Alltagsbeg­leiter gemacht und ist glücklich mit der neuen Aufgabe.“

Psychische Erkrankung­en hat es immer gegeben, verstärkt würden sie durch die Schnellleb­igkeit und einen immer komplexer werdenden Berufsallt­ag. „Es ist wichtig, aufzukläre­n und nicht wegzusehen, es kann jeden treffen, .“

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FOTO:URBIG Tobias Schwander (l.) ist der Fachtraine­r im gewerblich-technische­n Bereich. Gerade leitet er eine Schweißarb­eit an.

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