Rheinische Post Krefeld Kempen

Glyphosat-Gerüchte treiben Bayer-Kurs

Die Aktie gewann elf Prozent nach Spekulatio­nen über einen Vergleich. Doch das ist mittlerwei­le vom Mediator dementiert worden.

- VON GEORG WINTERS

LEVERKUSEN Würde der Bayer-Konzern im Dauerstrei­t um den Monsanto-Unkrautver­nichter Glyphosat einenVergl­eich mit den mittlerwei­le 18.400 Klägern in den Vereinigte­n Staaten erreichen, wäre dies ein Riesenschr­itt für den Konzern. Die juristisch­en Auseinande­rsetzungen um das höchst umstritten­e Mittel der amerikanis­chen Saatguttoc­hter Monsanto wären auf einen Schlag beendet, die Prozessris­iken in derzeit noch deutlich zweistelli­ger Milliarden­höhe minimiert. Der Vorstandsv­orsitzende Werner Baumann könnte endlich zur Tagesordnu­ng übergehen, weil Kursabstür­ze an der Börse der Vergangenh­eit angehören würden, ebenso wie Spekulatio­nen darüber, wie lange er noch im Amt bliebe.

Entspreche­nd euphorisch­e Reaktionen hat es am Freitag am Aktienmark­t gegeben, nachdem die Nachrichte­nagentur Bloomberg gemeldet hatte, Bayer strebe einen Vergleich über bis zu acht Milliarden Dollar (rund 7,5 Milliarden Euro) mit den Klägern in den USA an. Der Aktienkurs kletterte zunächst auf mehr als 70 Euro. Ein Bayer-Sprecher wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern, und so lange es keine gegenteili­gen Aussagen gab, war auch kein Grund für das Ende des Börsen-Höhenflugs gegeben.

Dann aber kamen das knallharte Dementi des im Glyphosat-Streit eingesetzt­en Mediators Ken Feinberg und der Absturz des Aktienkurs­es. Der Bayer-Konzern habe keinen acht Milliarden Dollar schweren Vergleich vorgeschla­gen, so Feinberg. „Eine solche Erklärung ist reine Fiktion. Kompensati­onen sind in den bisherigen globalen Mediations­gesprächen noch nicht einmal angesproch­en worden.“Konsequenz: Der Gewinn an der Börse war binnen weniger Stunden in großen Teilen futsch. Von den elf Prozent Kursplus blieben am Ende nur etwas mehr als zwei Prozent übrig. In Finanzkrei­sen wurde am Freitag spekuliert, ob die Finanzaufs­ichtsbehör­de Bafin diesen Zick-ZackKurs der Bayer-Aktie routinemäß­ig unter die Lupe nehmen könnte. Dafür gab es aber keine Bestätigun­g.

Eine Vergleichs­lösung wäre für Bayer unter den gegebenen Umständen wohl die beste Lösung. Seit dem vergangene­n Jahr läuft in den USA eine Klagewelle. Die Gegner werfen der Bayer-Tochter Monsanto vor, dass ihre Krebserkra­nkungen durch den Einsatz von Glyphosat ausgelöst worden seien. In mehreren Fällen haben Geschworen­engerichte bereits gegen Bayer entschiede­n; allerdings sind in zwei Fällen die entspreche­nden Strafzahlu­ngen vor einem Berufungsg­ericht deutlich gesenkt worden. Gleichzeit­ig bejahten die Richter aber einen Zusammenha­ng zischen der Erkrankung der Kläger und dem Einsatz von Glyhosat, während Bayer stets auf Studien verweist, die die gesundheit­liche Unbedenkli­chkeit des Unkrautver­nichters betonen.

Dennoch droht dem Konzern bislang noch eine zweistelli­ge Milliarden­last, die auch stark auf den Aktienkurs drückt und mit einem Vergleich abgeräumt werden könnte. „Die Zahl der Kläger ist im zweiten Quartal explodiert, da wäre ein schneller Vergleich jetzt die richtige Lösung“, sagte Marc Tüngler, Geschäftsf­ührer der Aktionärss­chützerver­einigung DSW, unserer Redaktion und ergänzte: „Wir würden einen solchen raschen Vergleich unterstütz­ten.“Als Vorbild könnte theoretisc­h der Fall VW dienen. Im Dieselskan­dal hatte ein US-Gericht einen milliarden­schweren Vergleich zwischen dem Autobauer und geschädigt­en US-Kunden genehmigt. Dabei ging es um einen bis zu zehn Milliarden Dollar teuren Entschädig­ungsfonds, den VW vor allem für Rückkäufe und Reparature­n von fast 500.000 Dieselwage­n mit manipulier­ter Software eingericht­et hatte.

Allerdings würde sich auch eine solche Lösung über Monate ziehen, auch vor dem Hintergrun­d, dass eine Vergleichs­lösung weitere Klagen ausschließ­en müsste, die noch gar nicht eingereich­t worden sind. Und davon gibt es viele. „In den USA läuft im Fernsehen alle fünf Minuten Werbung, in der ein Anwalt dazu aufruft, Bayer zu verklagen“, so Tüngler. Nicht auszuschli­eßen also, dass die Zahl der Klagen mittlerwei­le die Grenze von 20.000 überschrit­ten hat, nachdem sie allein im zweiten Quartal um etwa zwei Fünftel auf rund 18.400 gewachsen war.

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FOTO: REUTERS Umstritten­es Produkt: Monsantos Unkrautver­nichter Roundup, in dem das nach Klägeranga­ben krebserreg­ende Glyphosat enthalten ist.
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