Rheinische Post Krefeld Kempen
Glyphosat-Gerüchte treiben Bayer-Kurs
Die Aktie gewann elf Prozent nach Spekulationen über einen Vergleich. Doch das ist mittlerweile vom Mediator dementiert worden.
LEVERKUSEN Würde der Bayer-Konzern im Dauerstreit um den Monsanto-Unkrautvernichter Glyphosat einenVergleich mit den mittlerweile 18.400 Klägern in den Vereinigten Staaten erreichen, wäre dies ein Riesenschritt für den Konzern. Die juristischen Auseinandersetzungen um das höchst umstrittene Mittel der amerikanischen Saatguttochter Monsanto wären auf einen Schlag beendet, die Prozessrisiken in derzeit noch deutlich zweistelliger Milliardenhöhe minimiert. Der Vorstandsvorsitzende Werner Baumann könnte endlich zur Tagesordnung übergehen, weil Kursabstürze an der Börse der Vergangenheit angehören würden, ebenso wie Spekulationen darüber, wie lange er noch im Amt bliebe.
Entsprechend euphorische Reaktionen hat es am Freitag am Aktienmarkt gegeben, nachdem die Nachrichtenagentur Bloomberg gemeldet hatte, Bayer strebe einen Vergleich über bis zu acht Milliarden Dollar (rund 7,5 Milliarden Euro) mit den Klägern in den USA an. Der Aktienkurs kletterte zunächst auf mehr als 70 Euro. Ein Bayer-Sprecher wollte sich auf Anfrage dazu nicht äußern, und so lange es keine gegenteiligen Aussagen gab, war auch kein Grund für das Ende des Börsen-Höhenflugs gegeben.
Dann aber kamen das knallharte Dementi des im Glyphosat-Streit eingesetzten Mediators Ken Feinberg und der Absturz des Aktienkurses. Der Bayer-Konzern habe keinen acht Milliarden Dollar schweren Vergleich vorgeschlagen, so Feinberg. „Eine solche Erklärung ist reine Fiktion. Kompensationen sind in den bisherigen globalen Mediationsgesprächen noch nicht einmal angesprochen worden.“Konsequenz: Der Gewinn an der Börse war binnen weniger Stunden in großen Teilen futsch. Von den elf Prozent Kursplus blieben am Ende nur etwas mehr als zwei Prozent übrig. In Finanzkreisen wurde am Freitag spekuliert, ob die Finanzaufsichtsbehörde Bafin diesen Zick-ZackKurs der Bayer-Aktie routinemäßig unter die Lupe nehmen könnte. Dafür gab es aber keine Bestätigung.
Eine Vergleichslösung wäre für Bayer unter den gegebenen Umständen wohl die beste Lösung. Seit dem vergangenen Jahr läuft in den USA eine Klagewelle. Die Gegner werfen der Bayer-Tochter Monsanto vor, dass ihre Krebserkrankungen durch den Einsatz von Glyphosat ausgelöst worden seien. In mehreren Fällen haben Geschworenengerichte bereits gegen Bayer entschieden; allerdings sind in zwei Fällen die entsprechenden Strafzahlungen vor einem Berufungsgericht deutlich gesenkt worden. Gleichzeitig bejahten die Richter aber einen Zusammenhang zischen der Erkrankung der Kläger und dem Einsatz von Glyhosat, während Bayer stets auf Studien verweist, die die gesundheitliche Unbedenklichkeit des Unkrautvernichters betonen.
Dennoch droht dem Konzern bislang noch eine zweistellige Milliardenlast, die auch stark auf den Aktienkurs drückt und mit einem Vergleich abgeräumt werden könnte. „Die Zahl der Kläger ist im zweiten Quartal explodiert, da wäre ein schneller Vergleich jetzt die richtige Lösung“, sagte Marc Tüngler, Geschäftsführer der Aktionärsschützervereinigung DSW, unserer Redaktion und ergänzte: „Wir würden einen solchen raschen Vergleich unterstützten.“Als Vorbild könnte theoretisch der Fall VW dienen. Im Dieselskandal hatte ein US-Gericht einen milliardenschweren Vergleich zwischen dem Autobauer und geschädigten US-Kunden genehmigt. Dabei ging es um einen bis zu zehn Milliarden Dollar teuren Entschädigungsfonds, den VW vor allem für Rückkäufe und Reparaturen von fast 500.000 Dieselwagen mit manipulierter Software eingerichtet hatte.
Allerdings würde sich auch eine solche Lösung über Monate ziehen, auch vor dem Hintergrund, dass eine Vergleichslösung weitere Klagen ausschließen müsste, die noch gar nicht eingereicht worden sind. Und davon gibt es viele. „In den USA läuft im Fernsehen alle fünf Minuten Werbung, in der ein Anwalt dazu aufruft, Bayer zu verklagen“, so Tüngler. Nicht auszuschließen also, dass die Zahl der Klagen mittlerweile die Grenze von 20.000 überschritten hat, nachdem sie allein im zweiten Quartal um etwa zwei Fünftel auf rund 18.400 gewachsen war.