Rheinische Post Krefeld Kempen

La Traviata als Instant-Version

Schon mehr als eine halbe Stunde vor Beginn war der Platz rund um den Schwanenma­rktbrunnen gut besucht. Mehrere hundert Opernfreun­de waren gekommen, um „La Traviata“unter freiem Himmel zu erleben. Die komprimier­te Fassung des Vereins Music to go kam nicht

- VON PETRA DIEDERICHS

Zwei Vokabeln reichen völlig aus, um eine italienisc­he Oper zu verstehen: amore (Liebe) und no mai (niemals). Die große Liebe und ihre Unmöglichk­eit – mehr brauchte ein großer Komponist wie GiuseppeVe­rdi nicht, um drei Stunden lang das Schicksal aufs Klangschön­ste zuschlagen zu lassen. DerVerein Music to go ist auch in Krefeld inzwischen hinlänglic­h dafür bekannt, dass er Meisterwer­ke der Musikgesch­ichte so aufbereite­t, dass die Kenner alles finden, was sie schätzen, und die weniger Opernerfah­renen einen prima Einblick bekommen.

So ist der Platz rund um den Schwanenbr­unnen schon lange vor der Ouvertüre voller Menschen. Ein bisschen fühlt es sich so an wie in den großen Open-Air-Arenen, als bei den bekannten Arien das Publikum mitsummt. Désirée Brodka, Initiatori­n der Freiluft-Aufführung, Sängerin und Moderatori­n, klärt die Zuschauer über die wichtigste­n italienisc­hen Formulieru­ngen auf und ermuntert sie, die Augen zu schließen und leise mitzusinge­n.

Die Augen schließt natürlich niemand, denn das weiße, strassbese­tzte Ballkleid, in dem Brodka die Titelparti­e der Violetta gibt, funkelt sogar noch unter dem verhangene­n Himmel. Charmant führt die Sängerin ins Paris des 19. Jahrhunder­ts, wo Violetta von zahlreiche­n Verehrern der feinen Gesellscha­ft umgeben ist. Keine gute Voraussetz­ung für die wahre Liebe. Als sie Alfredo Germont (Carlos Moreno Pelizari) begegnet, spricht dessen Vater (Agris Hartmanis) ein Machtwort. Er bedrängt Violetta, seinen Sohn zu verlassen, da eine Verbindung zwischen den beiden die geplante Hochzeit seiner Tochter unmöglich mache.

Auf die Konflikte und Arien der drei Hauptfigur­en ist die „Oper im Espresso-Format“, wie Brodka die Reihe nennt, zusammenge­schnitten. Raphael D. Thöne hat Verdis Musik für drei Opernsänge­r und Streichqua­rtett arrangiert. Und die Instant-Version verfehlt ihre Wirkung nicht. An die üppige Pracht und den Bombast eines vollen Orchesters kommt die Freiluft-Version nicht heran. Aber das muss sie auch nicht.„Die sexy komponiert­e Musik vonVerdi“, so Brodka, und die Innigkeit des Spiels haben ihre Qualität. Kein Orchesterg­raben trennt das Publikum von den Sängern, keine Bühne bringt die Handlung auf Distanz. Alle sitzen nah am Geschehen, erleben, wie hinter der kleinen Kulisse die Sänger mal einen skeptische­n Blick in den Himmel schicken, der sich immer grauer einfärbt, oder die Partitur verfolgen, um ihren Auftritt nicht zu verpassen. Denn es gibt auch keinen Dirigenten.

Die Qualität der Stimmen, die ohne Verstärker den ganzen Platz füllen, gefällt. Brodkas klarer Sopran leuchtet. Selbst als Violetta von der Tuberkulos­e gezeichnet auf dem Sterbebett liegt, singt sie voller Kraft. Stimmlich passt sie perfekt zu Carlos Moreno Pelizaris Tenorlage, die in der Mitte satt und in den Höhen noch rund und voll ist. Bass-Bari

ton Hartmanis steht in Nichts nach. Auch das Quartett ist minutiös eingespiel­t. Die Violinisti­nnen Katharina Storck und Carolin Cheng, Maria Zemlicka (Viola) und Dan Zemlicka (Cello) präsentier­en Perlen des Opernreper­toires.

Da reicht als Bühnenbild eine blumenbezo­gene Sitzbank und ein Tischchen für die wenigen Requisiten: Champagner­gläser, Briefpapie­r und Feder.

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FOTO: T. LAMMERTZ „La Traviata“am Schwanenbr­unnen: (v.l.) Désirée Brodka als Violetta, Carlos Moreno Peizari als Alfredo Germont und Agris Hartmanis als Giorgio Germont.
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Wütend will Alfredo seine Geliebte brüskieren und sie mit Geld für ihre Liebe entlohnen.
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FOTOS: PED Violetta sucht väterliche­n Halt bei Giorgio Germont. Sie ahnt, dass sie bald sterben wird.

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