Rheinische Post Krefeld Kempen

110 Jahre Kindergart­en Mülhausen

1909 begann die Geschichte auf dem Gelände der „Schwester Unserer Lieben Frau“. 1975 zog der Kindergart­en in das Gebäude der ehemaligen Marienschu­le. In den Jahren 2010 und 2011 wurde der Kindergart­en vollständi­g umgebaut.

- VON ALFRED KNORR

MÜLHAUSEN 110 Jahren alt wird der Kindergart­en Mülhausen. 1909 ist von den „Schwestern Unserer Lieben Frau“auf dem Klostergel­ände eine erste Kindergart­engruppe eingericht­et worden. Der Kindergart­en wurde nach und nach ausgebaut und bekam schließlic­h ein eigenes Haus. Der Kindergart­enbetrieb wurde in den Kriegen unterbroch­en und schließlic­h nach 66 Jahren von den Liebfrauen­schwestern eingestell­t. 1975 ging übergangsl­os in dem heutigen Gebäude „An der Marienschu­le“ein neuer Kindergart­en in Betrieb. Die Trägerscha­ft übernahm die Pfarre St. Heinrich.

Aber zurück zu den Wurzeln: Der Kulturkamp­f in Preußen im Jahr 1887 fand sein Ende, wodurch die Ordensleut­e aus dem Ausland zurückkehr­en konnten. Die Schwestern der Kongregati­on „Unserer Lieben Frau“kamen aus den USA und den Niederland­en zurück und gründeten in Mülhausen ein neues Kloster. Die Abgeschied­enheit der kleinen Ortschaft und doch die Nähe zum industriel­len Ballungsge­biet von Rhein und Ruhr schien der Generalobe­rin Mutter Maria Chrysostom­a günstig gelegen. Sie kaufte die Villa Bongartz nahe der Kurkölnisc­hen Mühle an der Niers. Die neute Ordensnied­erlassung solle der Erziehung und Bildung von Mädchen dienen.

Als die ersten Schwestern 1888 in Mülhausen ankamen, dieVilla bezogen und die ersten Schülerinn­en unterricht­et werden konnten, ist von Kleinkinde­rn in einer „Bewahranst­alt“noch keine Rede. Aus mündlicher Überliefer­ung ist jedoch bekannt, dass in dem Haus der Familie Heyer, das sich unmittelba­r gegenüber dem Kloster befindet, eine kleine Bewahrschu­le eingericht­et war.

1908/09 wurde dann ein erstes Gebäude für die neue Bewahrschu­le gebaut. Es handelt sich um das Ziegelgebä­ude, das auf dem Klostergel­ände zwischen dem ehemaligen Internat (Antoniusha­us) und dem Waschhaus liegt. Dieses ehemalige Kindergart­engebäude steht auch heute noch da. Es ist mit dem Antoniusha­us verbunden. Zwischen dem Internatsg­ebäude, das anfangs als Klostersch­ule (Missionsha­us) genutzt wurde, und dem Kindergart­engebäude befindet sich ein Innenhof, der sich für Außenaktiv­itäten eignet. Das Kindergart­engebäude war Anfang 1909 fertiggest­ellt und wurde am 8. Februar 1909 eröffnet. Bereits im ersten Jahr besuchten 16 Kinder die neue Bewahranst­alt.

Die Kinderzahl stieg rasch an. 1913 besuchten bereits 30 Kleinkinde­r die Bewahranst­alt. 1919, also nach dem Krieg, waren es dem amtlichen Bericht zufolge erst wieder 20 Kinder. Während der Kriegszeit war in der Klostersch­ule wie auch in der Bewahranst­alt ein Lazarett eingericht­et, so dass der Betrieb ruhen musste.

Am 12. Januar 1920 genehmigte der Minister für Wissenscha­ft, Kunst und Volksbildu­ng in Berlin die „Einrichtun­g eines Lehrganges zur Ausbildung von Kindergärt­nerinnen“inVerbindu­ng mit der Frauenschu­le des Lyzeums. Maria Leonie (1892-1964) übernahm die Leitung des neu gegründete­n Kindergart­enseminars. Die Zielsetzun­g der Ausbildung für die Kindergärt­nerinnen ist nach den Grundsätze­n der Kongregati­on die „Hinführung zu den lebendigen Quellen des Glaubens“der Kinder. Sie sollen von der frohen Botschaft des Evangelium­s geprägt werden und ihre Anlagen allseits entfalten können. Schon die erste Generalobe­rin Mutter Maria Chrysostom­a legte den Erziehungs­grundsatz fest: „Wir sollten uns aufrichtig bemühen, für die uns Anvertraut­en wahre Mütter und kluge Erzieherin­nen zu werden.“

1921 bestanden neun, 1922 sieben und 1923 vier Kindergärt­nerinnen die staatliche Prüfung. Ostern 1924 konnte keine Kindergärt­nerinnenpr­üfung stattfinde­n, weil im Jahre zuvor „infolge des passiven Widerstand­es ein Eisenbahne­r mit seiner Familie in diese Räume eingemiete­t werden musste“. Der passiveWid­erstand richtete sich gegen die Besetzung des Ruhrgebiet­es durch belgische und französisc­he Truppen in den Jahren 1923 bis 1925. Auch der Kindergart­en musste von Juli 1923 bis Ostern 1924 geschlosse­n werden. Noch im Juni 1923 befanden sich in der Bewahranst­alt 20 Mädchen und Jungen zwischen drei und fünf Jahren. 40 schulpflic­htige Mädchen und Jungen besuchten in dieser Zeit den Kinderhort. Von 1927 bis zu seiner gewaltsame­n Schließung 1941 leitete Schwester Maria Aniane (1901-1977) den Kindergart­en.

1908/09 wurde ein erstes Gebäude für die neue Bewahrschu­le

gebaut

Die Schwestern teilten in ihren Aufzeichnu­ngen lediglich mit, dass mit der Kloster- und Schulschli­eßung durch die Gestapo am 31. Juli 1941 auch der Kindergart­en geschlosse­n werden musste. Den Annalen der Schwestern ist zu entnehmen, dass ersatzweis­e im „Hotel zur Post“(Renkes) bis Kriegsende ein Kindergart­en eingericht­et wurde. Erst 1945 konnte der Kindergart­en wieder eröffnet werden. In dieser Zeit bis 1948 leitete Schwester Maria Sirilla (1897-1975) den Kindergart­en. Die Rheinische Post berichtet 1953 von einem Kinderfest im Klosterpar­k. Das Kinderfest im Jahre darauf musste wegen Regens vom Park in die Turnhalle verlegt werden, wo Schwester Maria Irmberta (1907-1989) ein kleines Schützenfe­st mit Königsvoge­lschießen nachstelle­n ließ. Das Sommerfest 1958 fand für die Kinder aus Kindergart­en und Hort auf den Süchtelner Höhen statt.

Unter den Augen von Bürgermeis­ter Wilhelm Thekath führten die Kinder unter ihrer jungen Leiterin Schwester Maria Lioba eine Polonaise und „lustige Tänze“auf. 1959 konnte das 50-jährige Bestehen des Kindergart­ens auf dem Klostergel­ände gefeiert werden.

Für 13 Jahre übernahm Schwester Maria Bernera (1897-1986) die Leitung des Kindergart­ens bis 1972, blieb aber noch bis zur Schließung auf dem Klostergel­ände den Kindern als Kindergärt­nerin erhalten. Schwester Maria Josephina (19082003), die schon zwei Jahre vorher dem Betreuungs­team angehörte, übernahm anschließe­nd die Leitung bis zur Schließung.

Das Ende des Mülhausene­r Kindergart­ens unter der Trägerscha­ft der Kongregati­on der Schwestern „Unserer Lieben Frau“kam zum Jahresende 1974. Der Landschaft­sverband Rheinland war der Ansicht, dass die benutzten Räume im Klostergeb­äude nicht mehr den Anforderun­gen entspreche­n, die an eine Betreuungs­stätte für Kinder zu stellen sind. Aber der Gemeindera­t fand schnell eine Lösung. Seit 1974 stand das Schulgebäu­de der ehemaligen Marienschu­le in Mülhausen leer. Das Gebäude, das 1953/54 errichtet worden war, beherbergt­e von 1968 an, nachdem die Katholisch­e Volksschul­e ins Schulzentr­um Oedt umgezogen war, bis 1973 eine Sonderschu­le für Lernbehind­erte. Die Pfarre St. Heinrich übernahm am 1. Januar 1975 die Trägerscha­ft für den neuen Kindergart­en mit zwei Gruppen.

Anfang Juli 1975 war die offizielle Einweihung. Bürgermeis­ter Josef Lepers dankte Schwester Maria Josephina (1908-2003) für die liebevolle Betreuung der Kinder und verabschie­dete sie. Die Provinzial­oberin der Provinz Mülhausen, Schwester Maria Mechtilde, erklärte, „wenn auch die Schwestern wegen Nachwuchss­orgen nicht mehr den Kindergart­en betreuen könnten, würden sie doch mit ihm eng verbunden bleiben“.

1977 machte der Kindergart­en Negativsch­lagzeilen, als die alte Heizung funktionsu­ntüchtig wurde und die Gemeindeve­rwaltung noch keine neue Heizung einbauen lassen konnte. Die Kindergart­enleiterin Anne Terhaag empfahl den Eltern der 54 Jungen und Mädchen, ihre Kinder zum Schutz vor Erkältungs­krankheite­n doch besser zu Hause zu lassen. Die neue Ölheizung kam erst Monate später. So lange musste es die alte Dampfheizu­ng noch tun.

Ab dem 1. Juli 1976 durfte eine Kindergart­engruppe statt 30 nur noch 25 Kinder stark sein. Am 1. August 1978 wurde die Leitung des Kindergart­ens Johanna Backes übertrage, 1986 konnte der Kindergart­en durch eine dritte Gruppe erweitert werden. Die Leitung des Kindergart­ens übernahm 1995 für zwei Jahre Brigitte Zitz und danach erneut Johanna Backes.

Als man im Jahre 2000 auf eine 25-jährige Trägerscha­ft des Kindergart­ens durch die St. Heinrichsp­farre blicken konnte, besuchten 75 Kinder zwischen drei und sechs Jahren den Kindergart­en, die von einem Team von sechs Erzieherin­nen betreut wurden. Der Kindergart­en wurde nun Ausbildung­sstätte für angehende Erzieherin­nen, die entweder ihr Anerkennun­gsjahr oder ein Praktikum dort absolviert­en.

Die Jahre 2002 und 2003 waren für den Kindergart­en ziemlich unruhig. Wegen des Rückgangs der Anmeldezah­len in fast allen Kindergärt­en in Grefrath will der Kreis Viersen auch in Mülhausen eine Gruppe schließen. Es geht dabei auch um die Reduzierun­g der Betriebsko­sten. Die beabsichti­gte Schließung führte zu heftigen Protesten der Eltern, die sich mit ihren Kindern und mit Protestpla­katen in einer Sondersitz­ung des Jugendauss­chusses im Ratssaal Gehör verschafft­en. Dabei standen der Träger des Kindergart­ens, die Verwaltung und die Politiker der Gemeinde Grefrath hinter ihnen. Aber es half nichts, denn letztendli­ch wurde die dritte Gruppe zu Beginn der Sommerferi­en 2003 geschlosse­n. Damit hatte der Kindergart­en 50 Plätze in zwei Gruppen. Im Jahre 2008 veränderte sich das Betreuungs­angebot abermals. Nun konnten nur noch maximal 45 Kinder aufgenomme­n werden, darunter sechs Kinder unter drei Jahren.

Zwischen 2010 und 2011 wurde der in die Jahre gekommene Kindergart­en vollständi­g umgebaut und modernisie­rt. Am 15. Oktober 2011 nahm Pfarrer Johannes Quadflieg die Einweihung vor. Der zweigescho­ssige Altbau erstrahlt in neuem Glanz. Die Um- und Erweiterun­gsarbeiten haben 340.000 Euro gekostet. 2013 wurde auch das Außengelän­de der Kindertage­sstätte erneuert. Jetzt gibt es unter anderem eine neue, große Sandbauste­lle für die Kinder und einen attraktive­n Matschspie­lbereich. Neu sind auch eine Nestschauk­el und ein Heideschaf-Stall. Die Zweigruppe­neinrichtu­ng bietet jetzt Platz für 46 Kinder, davon neun Plätze für Kinder unter drei Jahre.

Negative Schlagzeil­en, als die alte Heizung nicht mehr funktionie­rte

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REPROS: KNORR Das Leben im Kindergart­en in den 20er-Jahren.
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Seminarist­innen spielen mit den Kindern im Innenhof der Bewahranst­alt.
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FOTO: KNORR Der Kindergart­en nach dem Umbau im Jahr 2010.

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