Rheinische Post Krefeld Kempen
Ein Türmchen ragt in den Himmel
Gut 100 Jahre alt ist das Uhrentürmchen auf dem Rathaus. Vor zwei Jahren wurde das Uhrwerk aufwendig restauriert.
ST. TÖNIS Manchmal lohnt es sich, den Blick zu heben. So zum Beispiel am Rathausplatz in St. Tönis. Wer seine Augen an der Fassade entlang bis zum Dach des historischen Rathauses wandern lässt, der entdeckt dort ein kleines Uhrentürmchen, landläufig auch Dachreiter genannt. Catharina Perchthaler, Pressesprecherin der Stadt Tönisvorst, weiß Erstaunliches über das hübsche Uhrentürmchen zu berichten.„Es gibt eine Fotografie aus dem Jahre 1886, da sah dieser Turm noch gänzlich anders aus. Und das Vorgängermodell hatte auch noch keine Uhr“, erzählt die Pressesprecherin.
Vermutlich erst um die Jahrhundertwende, beim Um- und Ausbau des erst kurz vorher zum Rathaus erhobenen Hauses in der Ortsmitte, sei das Uhrentürmchen angebracht worden.„DieVermutung liegt nahe, weil damals auch die Umgestaltung der Fassade im Renaissance-Stil vorgenommen wurde“, sagt Perchthaler.
Auch heute noch verfügt die Fassade über reichen Zierrat, ein Adler und die Inschrift „Bürgermeisteramt St. Tönis“sind ebenfalls noch zu erkennen. Da Fassade und Türmchen aus einem Guss sind, ist es tatsächlich unwahrscheinlich, dass der Turm noch später angebracht wurde. „Übrigens befand sich ein zweites, identisches Uhrtürmchen am Gut Groß Lind, und zwar auf dem Dach der ehemaligen Hauptscheune“, weiß die Pressesprecherin.
Auch der Heimatforscher Paul Wietzorek hat das Uhrentürmchen auf dem Rathaus in seinem Werk „St. Tönis 1188-1969“erwähnt:„Die rasche Entwicklung des Ortes gerade in der 2. Hälfte des 19. Jahrhunderts machte die Einrichtung eines angemessenen Verwaltungszentrums unumgänglich“, heißt es auf Seite 73. Und weiter: „Von Schulräumen oder Gaststätte aus war St. Tönis bis dahin regiert und verwaltet worden, waren Akten nur provisorisch unterzubringen gewesen, bis schließlich an der Kaiserstraße neben der Schule ein Gemeindehaus eingerichtet wurde.“
Weil dieses Haus den Anforderungen nicht mehr genügte, habe die Gemeinde 1876 das Gebäude am Hückelsmarkt, Kleinen oder auch Achten Markt erworben, das fortan als Rathaus diente und dem einstigen Marktplatz zum Namen Rathausplatz verhalf. Zurück gehe der Name „Achten Markt“auf den Hof der Bauernfamilie Achten, der um 1800 am heutigen Rathausplatz errichtet worden war und zu dem das Rathaus gehörte.„Dieses Bauerngut erwarb 1872 der Arzt Dr. Hüpen, aus dessen Hand es vier Jahre später an die Gemeinde gelangte“, schreibt Wietzorek. Die Gemeinde habe das alte Bauernhaus umgebaut und ab 1877 als Sitz der Gemeindeverwal
tung genutzt.
Damit hat die Gemeinde St. Tönis„endlich ein angemessenes Zentrum“erhalten, schreibt Heimatforscher Wietzorek mit deutlichem Stolz. Bis 1964 war das ehemalige Bauernhaus nahe der Pfarrkirche der Hauptsitz der St. Töniser Verwaltung, dann zogen die Beamten in einen größeren Neubau an die Bahnstraße, noch heute der Hauptsitz der Stadtverwaltung Tönisvorst. Im sogenannten Alten Rathaus befinden sich noch der Ratssaal, die Fraktionszimmer, das Standesamt und die Stadtbücherei. Seit Ende 2016 hat die städtische Wirtschaftsförderung ebenfalls ihren Sitz im Alten Rathaus.
Ende 2017 musste das Uhrentürmchen umfangreich saniert werden. Der Zahn der Zeit hatte am Dachreiter, am Ziffernblatt und am Uhrwerk genagt. Ein Uhrenspezialist, der eine Fachfirma für Kirchturmuhren in Ost-Westfalen betreibt, reiste eigens dafür an. Seitdem hat die alte Uhr wieder ein gut sichtbares Ziffernblatt und ein funktionierendes Uhrwerk.