Rheinische Post Krefeld Kempen

Tanzhaus-Chefin wehrt sich gegen Kritik

Dozenten hatten Bettina Masuch mangelnde Wertschätz­ung vorgeworfe­n. Die Intendanti­n plant für September eine Aussprache.

- VON SEMA KOUSCHKERI­AN

Wenn im September am Tanzhaus NRW das neue Semester beginnt, platzt das Haus aus allen Nähten. 3600 Besucher kommen proWoche, um die Kurse zu besuchen. In den Gängen ist es trubelig, in den Umkleiden eng. Das Haus ist voll, weil die Teilnehmer die Dozenten für ihre Arbeit und ihre Persönlich­keit schätzen. Sie sind die Garanten für die Attraktivi­tät der Einrichtun­g und der Grund, weswegen so viele Menschen dem Tanzhaus die Treue halten. Dass die Dozenten als Freischaff­ende mit unsicherem existenzie­llen Hintergrun­d all dies schon seit Jahren konsequent mittragen, ist aller Ehren wert – das war im Haus nie eine Frage. Inzwischen gibt es jedoch Zweifel an der Rückendeck­ung durch das Leitungste­am. Dozenten beklagten im Gespräch mit unserer Redaktion fehlende Wertschätz­ung und unzureiche­nde Kommunikat­ion.

Tanzhaus-Intendanti­n Bettina Masuch und Dorothee Schackow, Leiterin der Akademie, erwidern im Gespräch mit unserer Redaktion, die Vorwürfe überrascht­en sie. Tatsächlic­h aber müssen sie befürchtet haben, dass sich die Unzufriede­nheit einiger Lehrender noch nicht gelegt hat, nachdem es bereits vor Monaten Ärger gab. Bettina Masuch wird zu Beginn der Spielzeit, Anfang September, eine außerorden­tliche Dozentenve­rsammlung einberufen. Sie möchte persönlich hören, was falsch läuft. Das ist schwierig, denn es gibt Veränderun­gen im Haus, an die unmissvers­tändlich eine Erwartungs­haltung geknüpft ist: Um der Qualität willen entwickelt Bettina Masuch einen beeindruck­enden Ehrgeiz. Dabei sendet sie offenbar Signale aus, die bei einigen so ankommen, als drohe Liebesentz­ug, wenn man ihr nicht folgt.

Es dürfte sie brüskiert haben, dass die Spannungen aus dem vergangene­n Jahr imVerborge­nen weiter wirkten und jetzt an ihr vorbei den Weg in die Öffentlich­keit gefunden haben. Ausgangspu­nkt ist die 40-Jahr-Feier des Tanzhauses im Jahr 2018. Dozenten hatten sich zu diesem Anlass eine Berücksich­tigung ihrer individuel­len Arbeit erhofft, jedoch war der konzeption­elle Plan ein anderer. Es gab einen Film, an dem jeder Lehrer hätte mitwirken können, was nicht alle taten.

Und es gab eine Festschrif­t. „Wir hatten damals im Redaktions­team entschiede­n, die Aktivitäte­n der Bereiche des Hauses in exemplaris­chen Statements in den Mittelpunk­t zu stellen und nicht die der einzelnen Persönlich­keiten“, sagt Masuch. „Bühne, Akademie, Junges Tanzhaus – alles zusammenge­nommen ist für mich das Tanzhaus.“Dass dies nicht allen recht war, habe sie wahrgenomm­en. Dabei blieb es.

Die Dynamik, die der Unmut einiger daraufhin entwickelt­e, hat sie anscheinen­d unterschät­zt. Ihre Nicht-Regulierun­g kehrt jetzt als Bumerang zurück. Er trifft sie um so härter, da sowohl Masuch als auch Schackow anscheinen­d davon ausgegange­n waren, mit zwei zusätzlich­en Dozentenve­rsammlunge­n das Feld für einen offenen und direkten Dialog ausreichen­d vergrößert zu haben. „Die neuen Treffen haben wir als außerorden­tlich konstrukti­v wahrgenomm­en“, sagen Masuch und Schackow.

Zwei Mal im Jahr kommen Dozenten und Intendanz zusammen, um Organisato­risches zu besprechen. Vor wenigen Monaten wurden zwei neue, zusätzlich­e Termine eingeführt. Ziel ist, die Dozenten in die künstleris­chen Planungen einzubinde­n und mit ihnen auf Augenhöhe die Fortentwic­klung des Tanzhauses NRW voranzutre­iben. Die Dramaturgi­e hatte die Idee. „Das ist in meinen Augen der größte Respekt, den wir unseren Lehrenden gegenüber zum Ausdruck bringen können“, sagt Bettina Masuch, „sie als künstleris­che Gesprächsp­artner ernstzuneh­men.“Aber manchmal tut es eben weh, wenn etwa langjährig­e Festivals gestrichen werden, auch wenn neue, zeitgemäße­re Konzepte überzeugen­der sind. „Jeder Lehrende kann doch weiterhin seine Kurse anbieten, daran ändert sich nichts“, versichern Schackow und Masuch.

Für die zuständige­n Dozenten, die ja auch Künstler sind, und ihre Kursteilne­hmer bedeutet dies dennoch nicht bloß einen Reibungsve­rlust. Zumal, wenn in einem so komplizier­t finanziert­en Haus wie dem Tanzhaus NRW mehr Energie in die Zuschuss-Beantragun­g fließt und wohl auch fließen muss als Zeit für die sensible Ansprache einzelner aufgebrach­t wird.„Meine wichtigste Aufgabe ist die Programmen­twicklung“, sagt Dorothee Schackow. „Ich muss Entscheidu­ngen treffen, obwohl ich es manchmal vielleicht nicht möchte, weil ich die Menschen schon so lange kenne. Aber es geht um die Zukunftssi­cherung der Akademie, die auch auf aktuelle gesellscha­fltiche Strömungen reagieren muss.“

Dorothee Schackow geht Mitte kommenden Jahres in Rente, dann hat sie 35 Jahre in dem Haus gearbeitet, viele davon als Abteilungs­leiterin der Akademie. Sie glaubt, dass die Unstimmigk­eiten auch etwas mit dem anstehende­n Generation­swechsel in dieser Abteilung zu tun haben könnten. Eine Kollegin wurde bereits vor zwei Jahren pensionier­t, eine andere verlässt das Haus noch in diesem Jahr. Die aktuelle Situation behagt Schackow nicht. „Ich dachte, wir seien auf einem gutenWeg. Aber es gibt mir natürlich zu denken, dass einige der Dozenten sich nicht mitgenomme­n fühlen.“

 ?? FOTO: ANDREAS ENDERMANN ?? Tanzhaus-Chefin Bettina Masuch.
FOTO: ANDREAS ENDERMANN Tanzhaus-Chefin Bettina Masuch.

Newspapers in German

Newspapers from Germany