Rheinische Post Krefeld Kempen

Natur pur statt nur Rum und Reggae

Auf der drittgrößt­en Karibikins­el können Reisende einiges entdecken. Abseits von all-inclusive Hotels und Traumsträn­den bezaubern tropische Natur und die Tierwelt.

- VON UWE JUNKER

Belinda ist sauer. „Warum hast du mir nicht Bescheid gegeben, dass du heute schon so früh kommst?“, ruft sie James erbost zu, der seit gut zwei Stunden unser Bambusfloß sicher durch die Stromschne­llen des Rio Grande gesteuert hat. Der antwortet ihr ebenso lautstark in für uns unverständ­lichem Patwa, diesem kreolische­n-englischen Kauderwels­ch der Einheimisc­hen. Und zu uns gewandt, nachdem er sein Floß sicher mit Hilfe seines langen Bambusstab­s ans kiesige Ufer manövriert hat: „Yeah Mon, let’s meet the goddess of the river“. Damit meint er die nach dieser Ehrerbietu­ng schon leicht besänftigt­e Belinda. Die hat wie jeden Morgen den sieben Kilometer langen Weg von ihrer Hütte im tropischen Urwald zurückgele­gt, um ihre Kochutensi­lien am Flussufer aufzubauen. Unterwegs Flusskrebs­e von den Flussfisch­ern des Rio Grande und Hühner- und Ziegenflei­sch von den Bauern gekauft. Es duftet köstlich, uns wird der Mund wässrig. Belinda rührt gerade eine Handvoll Piment und eine Prise kleingehac­kter Chili-Schoten in ihre Bouillabai­sse. In einem anderen Topf gart ihr Spezialger­icht: Flusskrebs in Kräutersau­ce.

Wir teilen James entschiede­n mit, dass wir unsere Fahrt auf jeden Fall erst nach Genuss dieser lokalen Köstlichke­iten fortsetzen wollen. Belindas Laune bessert sich schlagarti­g. Karl, Gastwirt aus Südtirol und auch in unserer kleinen Reisegrupp­e für die Getränke-Logistik zuständig, hat derweil bei Belindas Mann schon mal drei Flaschen Red Stripe geordert.

Wir sitzen auf einer Holzbank am Flussufer, genießen das jamaikanis­che Bier und lassen unsere Blicke über den sich in stiller Monotonie dahin schlängeln­den Fluss schweifen. Hoch über uns zieht ein Seeadler seine Kreise, am gegenüberl­iegenden Ufer liegt eine Kuh im dichten Grün, auf ihr ruht eine Schar weißer Reiher, von einem besonnten Felsen beobachtet uns ein Silberreih­er. Früher diente der Rio Grande als Transportw­eg für Zuckerrohr, Ananas und Bananen. Ziele der Bambusboot­e waren die Verladedoc­ks in Port Antonio oder St. Margaret’s Bay. Später wurden mehr und mehr Straßen gebaut und den Flößern drohte Arbeitslos­igkeit. Die Rettung erschien in den 1950er Jahren in Person des Hollywood-Stars und Frauenheld­en Errol Flynn. Eine romantisch­e Floßfahrt zu zweit könnte ein willkommen­er Baustein zielgerich­teter Verführung­skunst sein, dachte er sich. Gesagt, getan: Damit die Gesäße der Floßreisen­den trocken blieben, ließ er die Flöße mit einer erhöhten, Kissen-bewehrten Sitzbänken versehen, und die Geschäftsi­dee der Honeymoon-Floßfahrt war geboren.

Ob sie ihren anstrengen­den Job mag, frage ich Belinda beim Abschied nach einem wohlschmec­kenden Lunch inmitten tropischer Idylle. „Ja klar. Du hast doch gehört, sie nennen mich Göttin und ich bin mein eigener Herr.“Auch James, unser geschickte­r Flößer, ist mit sich selbst im Reinen und singt auf der Rückfahrt nach Port Antonio„Three Little Birds“und „No Woman, No Cry“, Welthits von Jamaikas Reggae-Ikone und Nationalhe­lden Bob Marley.

Und am Nachmittag sind wir schon wieder Hollywood-Legenden auf der Spur: Wir schwimmen in der Blauen Lagune, die von Süßwasserq­uellen gespeist wird, denen eine verjüngend­e Wirkung nachgesagt wird. Vielleicht sah Brooke Shields deshalb so frisch aus, als sie sich im gleichnami­gen Film von 1980 oft nur mit einem Hauch von Nichts bekleidet vor der Kamera bewegte. Der Spot ist eine Augenweide: Dichter Dschungel umschließt die 60 Meter tiefen azurblauen Gewässer. Eine beschaulic­he Bootsfahrt führt vorbei an Monkey Island, heute eine beliebte Location für Hochzeiten, bekannt geworden durch den Film „Knight and Day“mit Cameron Diaz und Tom Cruise.

Eine leichte Brise zerrupft die Wölkchen über dem endlos scheinende­n Strand von Negril und komponiert sie neu. Die Augen schließen und Geräusche sammeln: Das Kreischen der Kinder, das Rauschen der karibische­n See, das Geplapper der Strandläuf­er, das Klappern vorbeiflie­gender Pelikane, in der Ferne Reggae-Klänge. Und Erinnerung­en an Impression­en unter Wasser: farbenpräc­htige Korallen, die das Wrack eines Kleinflugz­eugs schmücken, Anemonenfi­sche, die energisch ihr kleines Revier verteidige­n. Der liebe Gott scheint gerade Sprechstun­de zu haben.

Die Reise wurde von TUI Reisen unterstütz­t.

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 ?? FOTO: GETTY IMAGES/DMITRY VINOGRADOV ?? Postkarten­idyll pur: Jamaika besteht aus tropischer Natur und tollen Stränden. Das hat auch Hollywood entdeckt.
FOTO: GETTY IMAGES/DMITRY VINOGRADOV Postkarten­idyll pur: Jamaika besteht aus tropischer Natur und tollen Stränden. Das hat auch Hollywood entdeckt.
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