Rheinische Post Krefeld Kempen
Ab durch die Mitte
Mal tauchen berühmte Sehenswürdigkeiten auf. Mal wird es so grün, als wäre man gar nicht in einer Metropole unterwegs. Vor allem aber gibt es auf einer Kajaktour durch das Zentrum Berlins die vielen Gesichter der deutschen Hauptstadt aus ungewohnter Pers
fen, die Waren über die Spree brachten. „Damals mussten die Boote bisweilen eine Woche darauf warten weiterzufahren, weil es an den Schleusen so einen großen Andrang gab“, erzählt der 41-jährige Kajakguide, der ursprünglich aus Potsdam kommt, aber in Berlin-Kreuzberg groß geworden ist und paddelt, seit er 16 ist. „Die Breite des Kanals wurde so bemessen, dass vier Kähne aneinander vorbeikamen.“
Damals führte der Landwehrkanal südlich der Spree noch an Berlin vorbei. Heute geht er mitten durch und vorbei an einem eklektischen Mix aus Altbauten und luxuriösen Neubauten, Alltag und Sehenswürdigkeiten, Vergangenheit und Gegenwart, so dass man beim Paddeln durchaus auch ein bisschen Sightseeing machen und vielerorts bewegte Geschichte aus der Uferumgebung ablesen kann. Es geht vorbei am Potsdamer-Platz-Areal mit seinen modernen Hochhäusern, die nach der Wende auf die einstige Grenze zwischen Ost und West gebaut wurden.
Nicht weit entfernt hängt auf dem Dach des Technik Museums ein alter „Rosinenbomber“. Die Propellermaschine erinnert an die Luftbrücke, die von den Alliierten nach dem Zweiten Weltkrieg eingerichtet wurden, um das eingeschlossene Insel-West-Berlin zu versorgen. Etwas unscheinbarer sind die Einschusslöcher in der Fassade des alten Reichsversicherungsamtes, auf die Lars hindeutet – sie sind noch Spuren der Kämpfe im Zweiten Weltkrieg. In Kreuzberg hingegen berichtet er, wie sich die Anwohner des alternativen Multi-Kulti-Bezirks gegen den Bau eines Campus‘ des Internet-Konzerns Google gewehrt haben. „Kugeln für Google“
steht da nicht nur einmal an den Brücken, Wänden und Pfeilern, an denen auch an noch viele andere Graffitis und Street-Art-Malereien gesprüht wurden.
Egal, wo man paddelt, wird deutlich, wie viele Brücken es in Berlin eigentlich gibt. Mehr als in Venedig sollen es sein: Manche historisch, voller Details, manche schmucklose, zweckdienliche Unscheinbarkeiten. Außerdem ist es fast überall satt grün. Die Ufer sind dicht bewachsen mit Eichen, Buchen und Trauerweiden, die über dasWasser hängen. Überall sind an diesem wolkenlosen Sommertag Leute, die bei angenehmen 24 Grad auf den Uferwiesen liegen, trinken, essen, plaudern, entspannen. An den Enden des Kanals wird noch ein Stück auf der Spree gepaddelt. In Charlottenburg im Westen geht der Kanal in den Fluss über, kurz bevor die Gruppe das prachtvolle Charlottenburger Schloss erreicht. Für einen Spaziergang in der wunderschönen Garten- und Parkanlage lohnt es sich, dort auszusteigen – oder zumindest später wieder zurückzukehren.