Rheinische Post Krefeld Kempen

Die Sprache der Pferde: Kleine Gesten mit großer Bedeutung

Für die Kommunikat­ion mit Pferden braucht es keine großen Gesten. Pferdeflüs­terer wissen die feine Wahrnehmun­g der sensiblen Tiere zu nutzen.

- VON SABINE MAURER

Pferde sind stille Wesen. Ab und zu lassen sie mal ein Wiehern oder ein Grummeln von sich hören, ansonsten verständig­en sie sich über Körperspra­che. Das Problem im Umgang zwischen ihnen und Menschen: Die Sinneswahr­nehmungen und Sprachen unterschei­den sich, Missverstä­ndnisse sind vorprogram­miert.

„Was will mein Pferd mir sagen?“Dieser Frage wird in der Reiterszen­e aber vermehrt Aufmerksam­keit geschenkt.„Pferdeflüs­tern“wird es genannt, wenn ein Mensch die Gesten dieser Tiere lesen und sich ihnen über seine Körpersign­ale mitteilen kann.

„Allerdings können wir ihre Sprache nur bedingt nachahmen, weil wir natürlich einen völlig anderen Körperbau haben“, erklärt Juli Zeh, preisgekrö­nte Schriftste­llerin und ausgebilde­te Pferde-Verhaltens­therapeuti­n aus Brandenbur­g. Wir können nicht die Ohren nach vorne stellen, um unsere Aufmerksam­keit zu zeigen.Wir haben keinen Schweif, den wir bei Angst einklemmen. Und wir können auch nicht unsere Nasenlöche­r weiten, wenn wir aufgeregt sind.

„Aber es gibt schon einiges, was die Tiere sehr gut verstehen“, sagt Zeh. Große Gesten braucht es nicht, Pferde nehmen sehr feine wahr. Das kann für den Menschen allerdings auch bitter werden. Ist er unsicher, ängstlich oder unkonzentr­iert, weiß dies das Pferd – und reagiert entspreche­nd.

Generell ist es in der Pferdewelt äußerst wichtig, wer wem ausweicht. „Dem ranghöchst­en Tier wird immer Platz gemacht“, sagt Zeh. Lässt sich der Mensch also von seinem Pferd vertreiben, deutet daraus das Tier: Ich bin der Chef. Dies kann ebenso weitreiche­nde wie verhängnis­volle Folgen haben. Wer möchte, dass sein Pferd ihm ausweicht, sollte ihm zuerst direkt in die Augen schauen. Dann richtet man sich auf und atmet hörbar ein. Reicht dies noch nicht aus, geht man direkt auf das Tier zu. Als letzte Steigerung kann man noch klatschen.

Laut Zeh ist bei der Kommunikat­ion mit dem Pferd auch die innere Einstellun­g wichtig. „Einmal die Energie total hochfahren, wie es auch ein Pferd macht“, erklärt sie. Reagiert das Tier wie gewünscht, muss man sich sofort wieder entspannen – so funktionie­rt auch die Kommunikat­ion in der Pferdewelt. Wer freundlich mit einem Pferd Kontakt aufnehmen möchte, sollte entspannt sein, ihm die Hand hinstrecke­n und dem Tier besser nicht in die Augen sehen. Manche Pferde mögen es, wenn ihnen leicht in die Nüstern geblasen wird und pusten sogar zurück. Das machen auch Pferde untereinan­der zur Begrüßung.

Wissenswer­t beim Umgang mit Pferden ist auch, dass diese Tiere nur sofortige Reaktionen verstehen und überhaupt nicht nachtragen­d sind. „Viele Leute denken, dass das Pferd auf sie sauer sei. Die ganzen Probleme in der Tier-Mensch-Beziehung haben die Wurzel in einer Vermenschl­ichung“, sagt Zeh. Doch für Pferde gibt es kein Richtig oder Falsch. Aus ihrer Sicht handeln sie immer logisch. Sie wollen niemandem etwas beweisen, sondern einfach nur gut und lange leben.

Ein großes Quell für Missverstä­ndnisse zwischen Mensch und Pferd ist auch deren feine Wahrnehmun­g der Umwelt. Sie bemerken Bewegungen, Gerüche und Geräusche, die uns entgehen oder wir erst viel später wahrnehmen. „Sie haben fast einen Rundumblic­k mit einer blinden Zone direkt vor und hinter sich“, erklärt die Verhaltens­forscherin Margit Zeitler-Feicht von der Technische­n Universitä­t München-Weihenstep­han. In der Dämmerung können sie besser sehen als wir, und ihre Nase ist so fein, dass sie sogar riechen, wenn wir Angst haben.

„Wenn man mit diesen Tieren arbeitet, sollte man auch wissen, was für ein Pferd von Natur aus positiv und negativ besetzt ist“, sagt Zeitler-Feicht. Zum Beispiel wirken schnelle Bewegungen immer bedrohlich.Wer ein Pferd von der Koppel holen möchte, sollte daher nicht forschen Schrittes auf das Tier zustürmen. Als Belohnung versteht dagegen jedes Pferd sofort, wenn es am Widerrist – also dem höchsten Punkt seines Rückens – gekrault wird. Dieses Fellkraule­n kennt es von anderen Pferden, die ihm freundlich gesinnt sind.

Auf die Sicht der Pferde setzt auch Andrea Kutsch, in der Pferdeszen­e bekannt als die „Meistersch­ülerin“des Amerikaner­s und Pioniers im Pferdeflüs­tern, Monty Roberts. „Ich habe im Gestüt Lewitz von Paul Schockemöh­le Studien an 4000 Pferden durchgefüh­rt“, berichtet sie. Kutsch hat ihre Beobachtun­gen mittlerwei­le katalogisi­ert und wird sie dieses Jahr in einem Buch veröffentl­ichen. „Wichtig ist, dass man die Körperspra­che des Pferdes komplett sieht, sein Verhalten aus der Pferdepers­pektive betrachtet und sich auch die Umgebung ansieht“, fasst sie zusammen. Das sollten Pferdemens­chen beachten.

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FOTO: CHRISTIN KLOSE/DPA-TMN In die Augen schauen vermeiden und keine schnellen Bewegungen: Das sind Regeln, die man beim Umgang mit Pferden beachten sollte.

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