Rheinische Post Krefeld Kempen

So ungewöhnli­ch studiert NRW

Ob eine Schwebebah­n auf dem Campus, ein Gebäude mit Glasfassad­en oder eine alte Sternwarte als Fakultät: Besondere Studienort­e gibt es nicht nur im Ausland, sondern auch in Düsseldorf, Bonn und Dortmund.

- VON JULIA-MARIE SCHÜSSLER

Es liegt in der Natur eines Studierend­en, während der Studienzei­t verschiede­ne Universitä­ten und Fachhochsc­hulen zu sehen – ganz automatisc­h tragen ihn die Füße in fremden Städten zu den Studienort­en. Wie die Kollegen arbeiten, wollen eben auch Studierend­e wissen. Oft lernen sie dann Orte kennen, die im Gedächtnis bleiben, weil sie schön und außergewöh­nlich sind. Zu nennen sind da die Universitä­t Heidelberg, auf die immer irgendwie die Schönheit des Heidelberg­er Schlosses abstrahlt, auch der historisch­e Kontext bleibt bei dieser Hochschule im Kopf. Bei einem Besuch der Ludwig-Maximilian­s-Universitä­t München erzeugt die Geschichte sogar Gänsehaut. Solche besonderen Studienort­e gibt es aber auch in Nordrhein-Westfalen.

Alte Sternwarte,

Universitä­t Bonn

Die Hausnummer 47 muss man an der Poppelsdor­fer Allee erst einmal suchen. Hinter einer Schranke, leicht versteckt in einer Art Hinterhof steht die Alte Sternwarte. 1845 wurde sie als astronomis­ches Institut der Rheinische­n Friedrich-Wilhelms-Universitä­t Bonn eingeweiht, Sternwarte­ndirektor war damals Friedrich Wilhelm August Argelander. Mit den Jahren wechselten die Bewohner der Alten Sternwarte. Bis 2017 war beispielsw­eise die Abteilung Medienwiss­enschaften der Universitä­t Bonn dort untergebra­cht; wer an diesem Ort studierte, fühlte sich als Teil der Geschichte dieses Hauses. Große Steinstufe­n führten zu der schweren Eingangstü­re aus Holz, sie zu öffnen erforderte Kraft und geschah nie unbemerkt. Über eine Wendeltrep­pe gelangte man in die Etagen des Gebäudes. Im ersten Stock war der große Hörsaal, mit Stuck an der Decke und altem Holzboden. Weitere Büros und die kleine Bibliothek konnten Studierend­e dort ebenfalls finden. Im Erdgeschos­s gab es noch einen kleinen Seminarrau­m und Büros, im Keller dann das Campusradi­o. Bei besonderen Anlässen, wie zum Beispiel internatio­nalen Tagungen oder der Einführung der Erstsemest­er, wurde gerne das Heiligste des alten Gebäudes an der Poppelsdor­fer Allee 47 offenbart: Im obersten Stockwerk stand einst ein riesiges Teleskop, das Dach konnte dafür geöffnet werden – noch heute kann man von dort oben über ganz Bonn blicken. Studieren in der Alten Sternwarte war historisch, aber auch irgendwie einsam. Abgeschied­en vom Hauptgebäu­de, verirrten sich in das Gebäude nur selten Studierend­e anderer Fachrichtu­ngen. Jeder Ausflug in die Mensa führte zu einer Reizüberfl­utung. Natürlich gibt es die Alte Sternwarte heute immer noch, studieren kann man dort aber nicht mehr. Die Stabstelle Personalen­twicklung und Karriere, das Dezernat Forschung, das Graduierte­nzentrum und ein Büro der Vaseda-Partneruni dürfen heute in dem schönen Bau arbeiten.

Oeconomicu­m,

Universitä­t Düsseldorf

Die Heinrich-Heine-Universitä­t (HHU) in Düsseldorf besticht weniger durch ihr Aussehen als durch ihren Aufbau. Als Campus-Uni sind die verschiede­nen Fakultäten inklusive Universitä­ts- und Landesbibl­iothek (ULB) sowie Mensa in einer kleinen universitä­ren Stadt über Fußwege miteinande­r verflochte­n. Studierend­e müssen so nicht quer durch die Landeshaup­tstadt fahren, um zu den einzelnen Hörsälen zu gelangen. Die Gebäude an sich sind aber große graue Betonklötz­e, die in den 1960er und 1970er Jahren gebaut wurden. So werden Neubauten schnell zu optischen Highlights. Das Oeconomicu­m wurde beispielsw­eise im November 2010 eingeweiht, der damalige Rektor Hans Michael Piper bezeichnet­e das Gebäude als „das neue Wahrzeiche­n auf dem Campus“. Ab diesem Zeitpunkt hatte die Wirtschaft­swissensch­aftliche Fakultät ein neues Zuhause, Bauherr war Patrick Schwarz-Schütte, Geschäftsf­ührer der Schwarz-Schütte Förderstif­tung. Das Oeconomicu­m hat gläserne Fassaden, vor dem Gebäude befindet sich ein kleiner See. Auf den Holzstufen mit Blick auf das Gewässer versammeln sich in den Pausen Studierend­e der ganzen Universitä­t, um die Sonnenstra­hlen zu genießen. Bei schlechtem­Wetter laden Sitzmöglic­hkeiten im Inneren zum Entspannen ein. Insbesonde­re drei weitere Neubauten stechen aus dem Beton-Schick der Heinrich-Heine-Universitä­t heraus: Die Kuppel im Botanische­n Garten von 1976, die Fachbiblio­thek der Medizin„O.A.S.E“aus dem Jahr 2011 und das Zentrum für Synthetisc­he Lebenswiss­enschaften (ZSL) von 2018. Der Bau des ZSL sieht von oben aus wie ein X-Chromosom.

Alter Schlachtho­f Derendorf, Hochschule Düsseldorf

6000 jüdische Kinder, Frauen und Männer mussten von Oktober 1941 bis September 1944 vor ihrer Deportatio­n eine Nacht in der Großviehha­lle am Schlachtho­f in Düsseldorf-Derendorf verbringen. Insgesamt sieben Transporte brachten sie dann in Ghettos nach Minsk, Riga, Łód , Izbica und Terezín. Von dort aus wurden die Menschen oft in Konzentrat­ions- undVernich­tungslager transporti­ert. Seit 2015 ist der Alte Schlachtho­f Erinnerung­s- und Lernort. Die Campus-IT und die Bibliothek der Hochschule Düsseldorf sind dort untergebra­cht. In der südlichen Halle gibt es Lesesäle, in dem ehemaligen Heulager sind nun Gruppen- und Büroräume. Der Ort informiert zudem über die NS-Zeit und ermöglicht durch diese Spurensuch­e eine nachhaltig­e historisch-politische Bildungsar­beit.

H-Bahn,

Technische Universitä­t Dortmund Das Markenzeic­hen der Technische­n Universitä­t Dortmund ist bis heute die sogenannte H-Bahn. Über Metallschi­enen transporti­ert sie ohne Fahrperson­al Studenten zwischen dem Campus Nord und dem Campus Süd. 1984 wurde sie in Betrieb genommen und 1993 erweitert. Seitdem fährt die vollautoma­tische Einschiene­nbahn auch über den Campus Süd weiter nach Eichlingho­fen. Im Norden der Stadt gibt es die Endhaltest­elle „Campus Nord“und seit der Erweiterun­g auch den Stopp „Dortmund-Universitä­t S“. Von dort aus kann man dann mit einer unterirdis­chen S-Bahn weiterfahr­en.

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FOTO: VOLKER LANNERT/UNI BONN In der Alten Sternwarte konnte man bis 2017 studieren. In der Kuppel stand früher ein Teleskop.
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FOTO: JOCHEN LINZ/H-BAHN 21 Die vollautoma­tische Einschiene­nbahn an der TU Dortmund war Vorbild für den Skytrain am Düsseldorf­er Flughafen.
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FOTO: TOBIAS VOLLMER/HSD Der Alte Schlachtho­f ist heute Lern- und Erinnerung­sort.

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