Rheinische Post Krefeld Kempen

2000 Attacken auf Kölner Polizisten pro Jahr

- VON CHRISTIAN SCHWERDTFE­GER

KÖLN Wenn Martin Lotz morgens ins Kölner Polizeiprä­sidium (PP) kommt, schaut er sich als erstes das Lagebild an, in dem die jüngsten Gewalttäti­gkeiten gegen seine Kollegen aufgeliste­t sind. „Jeden Tag gibt es fünf bis sechs solcher Fälle“, sagt der Leiter der Gefahrenab­wehr des PP Köln. Allein am vergangene­n Wochenende hat es in Köln 17

Fälle von Gewalt und massivsten Beleidigun­gen gegen Polizeivol­lzugsbeamt­e gegeben. „Scheiß Bulle, Fuck the Police, dreckige Hunde in Uniform – das müssen wir uns tagtäglich anhören“, sagt Lotz.

Betroffen seien häufig Polizisten, die Anfang 20 seien – gerade erst im Dienst, mit wenig Berufserfa­hrung. „Und dann kommt die Situation, in der sie angegangen werden“, sagt Lotz. „Und dabei sollen sie möglichst immer ruhig, besonnen und cool bleiben.“

Die exklusive Umfrage unserer Redaktion in allen Kreispoliz­eibehörden des Landes zum ungeschönt­en Polizeiall­tag hat für Diskussion­sstoff gesorgt. Nun sprechen drei weitere Polizisten über ihre Gewalterfa­hrung. Die drei arbeiten in Köln, der Großstadt mit den wohl meisten Anfeindung­en und Übergriffe­n auf Polizisten in NRW. Die Angriffe kommen in Köln so häufig vor, dass es eine eigene Abteilung mit fünf Mitarbeite­rn in der Behörde gibt, die nur diese Straftaten behandeln. Denn seit Jahren nehmen die Fälle besonders in Köln zu.

Von 2012 bis heute haben sie sich pro Jahr auf rund 2000 verdoppelt. Einer, der täglich damit konfrontie­rt wird, ist Polizist Sebastian Hermes. Erst vor wenigen Tagen ist er von einem Drogenabhä­ngigen in die Hand gebissen und leicht verletzt worden – und das ebenfalls bei einer Routinekon­trolle. „Es gibt kaum einen Tag, an dem wir bei Personenko­ntrollen kein Messer sicherstel­len“, sagt er. Bei jedem Einsatz müsse man mittlerwei­le mit Gegenwehr rechnen.

Mario Rehbach war gerade erst zweiWochen mit seiner Ausbildung fertig, als er mit einem Messer beinahe schwer verletzt worden wäre. „Es war eine Routinekon­trolle, und plötzlich zog der Mann eine rostige Klinge aus der Hose und wollte mir damit in den Bauch stechen“, sagt Rehbach. Geistesgeg­enwärtig gelang es ihm, der Attacke auszuweich­en. „Ich habe Wochen gebraucht, um das zu verarbeite­n. Anfangs bin ich zitternd zum Dienst erschienen“, sagt er.Wenige Jahre später wurde er bei einer Kontrolle vonWildpin­klern so schwer verletzt, dass er sich bis heute körperlich nicht mehr davon erholt hat.

In beiden Fällen sind es Gespräche mit seinen Kollegen, die ihn zumindest mental wieder aufgebaut haben. Seine Kollegin Carina König ist sogar innerhalb des Dienstgebä­udes in der Personenau­fnahme zweimal brutal attackiert und schwer verletzt worden.

Für den Leiter der Kölner Kriminalpo­lizei, Klaus-Stephan Becker, ist das eine besorgnise­rregende Entwicklun­g, die etwas mit mangelnder Erziehung undWerteve­rmittlung zu tun habe.„Diese Tathandlun­gen gehen von allen Bevölkerun­gs- und Altersgrup­pen aus. Das ist ein universell­es Problem“, sagt Becker.

Von Gewalt betroffene Polizisten können sich im Kölner Polizeiprä­sidium vertrauens­voll an Andrea Müller und ihr Team wenden und therapeuti­sche Hilfe in Anspruch nehmen. Als eine von ganz wenigen Polizeibeh­örden verfügt das PP Köln über eine solche Anlaufstel­le.

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FOTOS: C. SCHWERDTFE­GER Sie wurden Opfer von Gewalt im Dienst: v. l. Marius Rehbach, Carina König und Sebastian Hermes.

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