Rheinische Post Krefeld Kempen
Trügerische Ruhe in Hongkong
Seit Juni erschüttern teils gewaltsame Proteste die chinesische Sonderverwaltungszone. Am Flughafen hat sich die Lage etwas entspannt. Doch die Regierung bringt das Militär in Stellung.
„nicht von den Gräueltaten von Terroristen unterscheiden“, hieß es in einer Erklärung des Verbindungsbüros der chinesischen Regierung in Hongkong. Ein Sprecher der für Hongkong zuständigen Behörde in Peking nannte den Vorfall in einer ähnlichen Mitteilung eine „annähernd terroristische Tat“.
Nachdem fast sämtliche Protestler in der Nacht abgezogen waren, lief der Flugbetrieb am Mittwoch wieder an. Zwar wurden noch immer viele Flüge als gestrichen angezeigt, Dutzende Flieger starten aber am Morgen, und der Flughafen begann damit, den Rückstau der vergangenen zwei Tage abzuarbeiten. Der Flughafen ist das zentrale Drehkreuz für Langstreckenflüge über China und Südostasien.
Nach den massiven Störungen des Flugverkehrs erwirkte der Flughafen eine einstweilige Verfügung gegen Demonstranten. Damit sollen Personen davon abgehalten werden, rechtswidrig und vorsätzlich die korrekte Nutzung des Flughafens zu behindern oder zu stören. Proteste oder Demonstrationen wurden außer in dafür freigegebenen Bereichen auf dem Gelände des Flughafens verboten.
Die Hongkonger Protestbewegung entschuldigte sich am Mittwoch für das von ihr verursachte Chaos auf dem internationalen Flughafen in den vergangenen Tagen. Es tue ihnen leid, dass einige von ihnen aufgewühlt gewesen seien und überreagiert hätten. Doch die Proteste verstummen nicht. US-Präsident Donald Trump schrieb auf Twitter, alle Parteien sollten in dieser Lage Ruhe bewahren und für Sicherheit sorgen. Kurz zuvor hatte Trump vor Journalisten mit Blick auf die angespannte Lage gesagt: „Ich hoffe, niemand wird verletzt. Ich hoffe, niemand wird getötet.“
Hongkongs Regierungschefin Carrie Lam wirft ihren Gegnern vor, die Stadt „in den Abgrund stürzen zu wollen“. Politische Beobachter sind der Ansicht, dass sie, obwohl Hongkongs Regierungschefin von Pekings Gnaden, längst nicht mehr das Sagen habe. Der Umgang mit der Protestbewegung werde ihr von Peking diktiert.
Ob China tatsächlich militärisch eingreifen wird, ist die am häufigsten gestellte Frage in Hongkong. Einerseits befürchte China, so Experten, ein Übergreifen der Demokratiebewegung auf das Festland. Andererseits wäre eine militärische Option wie vor 30 Jahren bei der blutigen Niederschlagung der Bewegung auf Pekings Platz des Himmlischen Friedens desaströs für Chinas weltweiten Führungsanspruch. Zudem würde der Traum einer Wiedervereinigung mit Taiwan nach dem Hongkong-Modell „Ein Land, zwei Systeme“zerplatzen. Es mehren sich Appelle zum Innehalten, um den Weg für einen „offenen und inklusiven Dialog“freizumachen, wie es die Vereinten Nationen formulierten.
Zugleich kommt es aber immer häufiger zu Gegenaktionen von China-Treuen. Im Juli wurden Demonstranten von Mitgliedern der Triaden, der chinesischen Mafia, zusammengeschlagen. Am Mittwoch demonstrierten Hunderte Regierungsanhänger vor dem Büro des Hongkonger Journalistenverbands gegen die „einseitige“Berichterstattung über die Polizeieinsätze gegen die „Randalierer“. Die Protestbewegung hingegen sorgt sich vor dem den „weißen Terror“durch Undercover-Agenten, die von den Sicherheitsorganen in ihre Gruppen eingeschleust worden sein sollen.
Die Demokratiebewegung genießt in Hongkong große Sympathien, auch wenn nicht alle mit den radikaleren Aktionen der jüngeren Demonstranten einverstanden sind. „Aber die Toleranz für solche Aktionen nimmt zu“, glaubt Edwin Chow beobachtet zu haben. „In den vergangenen Jahren haben immer wieder bis zu zwei Millionen Menschen friedlich für Demokratie demonstriert. Aber die Regierung hat nicht auf das Volk gehört“, lautet sein knappes Fazit.
„Ich hoffe, niemand wird verletzt. Ich hoffe, niemand wird getötet“Donald Trump
US-Präsident