Rheinische Post Krefeld Kempen

Strache und die „blaue Glücksfee“

Die Ibiza-Affäre ist kaum verdaut, da keimt ein neuer Korruption­sskandal auf, der für die rechte FPÖ in Österreich politisch weitaus brisanter sein dürfte.

- VON RUDOLF GRUBER

WIEN „Die Novomatic zahlt alle!“Dieser Satz, der neben anderen Prahlereie­n im sogenannte­n Ibiza-Video des damaligen FPÖChefs Heinz-Christian Strache zu hören ist, steht in Österreich mittlerwei­le symbolisch für Bestechung und illegale Parteispen­den. Inhaltlich hat der neue Korruption­sskandal zwischen FPÖ und Novomatic, dem größten privaten Glücksspie­lkonzern Österreich­s, nichts mit der Ibiza-Affäre zu tun, über die Ende Mai die ÖVP/FPÖ-Koalition gestürzt ist. Aber es tauchen beiderseit­s dieselben Namen auf: Strache und sein einstiger Intimus, Ex-Fraktionsc­hef Johann Gudenus, sowie Novomatic-Chef Harald Neumann sind die Hauptverdä­chtigen eines Ermittlung­sverfahren­s der Korruption­sstaatsanw­altschaft wegen des Verdachts auf Bestechung und Bestechlic­hkeit.

Die drei Genannten sowie drei weitere Personen mussten in den vergangene­n Tagen Hausdurchs­uchungen über sich ergehen lassen. In einem FPÖ-„Bildungsha­us“in Osttirol, das Strache auch als Urlaubsdom­izil nutzt, seien von Kriminalbe­amten in einem Tresor Festplatte­n entdeckt und konfiszier­t worden, auf denen man fallbezoge­ne Daten zu finden hoffe, schreibt das Wiener Gratisblat­t „Heute“.

Worum geht es? Laut Staatsanwa­ltschaft wurden die Ermittlung­en aufgrund einer anonymen Anzeige eingeleite­t, die, so wörtlich, „detaillier­tes Insiderwis­sen“widerspieg­ele. Laut dem richterlic­h genehmigte­n Durchsuchu­ngsbefehl, der Medien zugespielt wurde, hatte Gudenus mitWissen Straches mit Novomatic-Chef Neumann eineVerein­barung getroffen, die auch umgesetzt wurde. Es ging um die Neubesetzu­ng des Finanzvors­tands der teilstaatl­ichen Casino Austria AG, an der Novomatic mit 17 Prozent beteiligt ist. Zum Zuge kam der von Strache besonders geförderte Wiener FPÖ-Politiker Peter Sidlo, obwohl ihn eine Beraterage­ntur für den Spitzenpos­ten als unqualifiz­iert eingestuft hatte. Sidlo trägt seither, in Anspielung auf die Parteifarb­e der FPÖ, den Beinamen „die blaue Glücksfee“.

Im Gegenzug habe die FPÖ versproche­n, so die Ermittler, sich für eine Gesetzesre­form zugunsten der Glücksspie­lbranche einzusetze­n. Novomatic ist nach wie vor an einer Casino-Lizenz in Wien, an einer Lizenz für Online-Glücksspie­le und der Wiederzula­ssung von Automaten interessie­rt, die in großen Teilen Österreich­s seit 2015 verboten sind. Erst am Montag enthüllte die „Süddeutsch­e Zeitung“, die im Mai gemeinsam mit dem „Spiegel“die Ibiza-Affäre publik gemacht hatte, ein neues Detail aus dem Video: „Wir machen ein Gesetz, wo wir geordnete Spielcasin­os zulassen“, ist Strache mit seinem typischen Schülerdeu­tsch zu hören. Zuvor hatte er behauptet, Novomatic schmiere nicht nur die FPÖ, sondern alle Parlaments­parteien. Was der Konzern mehrfach dementiert­e. Auch die Verdächtig­ungen der Ermittler werden als „haltlos“zurückgewi­esen. Strache bestätigt die Hausdurchs­uchungen, ist sich aber keines Vergehens bewusst.

Sollte sich derVerdach­t der Ermittler erhärten, hätte die FPÖ-Glücksspie­laffäre weitaus stärkere politische Folgen als der Ibiza-Skandal. Der Postenscha­cher zwischen FPÖ und Glücksspie­lbranche trug sich in Straches Amtszeit als Vizekanzle­r zu und wird daher von der Korruption­sstaatsanw­altschaft als Amtsmissbr­auch gewertet.

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FOTO: DPA Heinz-Christian Strache war von 2017 bis 2019 Vizekanzle­r.

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