Rheinische Post Krefeld Kempen

Das Geschäft mit den Bio-Strohhalme­n

Plastik-Trinkhalme werden ab 2021 von der EU verboten. Das birgt Marktpoten­zial – doch Deutschlan­d liegt diesbezügl­ich im Dornrösche­nschlaf.

- VON MAREN KÖNEMANN

Bei Familie Müller aus Wegberg war das schon immer so: Getrunken wird aus einem Nudel-Trinkhalm. Eine einfache Makkaroni, denn die produziert Reinhold Müller mit seinem 2014 gegründete­n Unternehme­n Landhaus Teigwaren Müller ohnehin selbst. Seit die EU Plastik-Trinkhalme ab 2021 aber verbieten will, sei endlich auch die breite Masse bereit für den alternativ­en Nudel-Trinkhalm, findet Müller. Das Marktpoten­zial haben neben Landwirt Müller aber längst auch andere erkannt: Hippe Start-ups strömen auf den Markt und pitchen um Investoren­gelder, Einrichtun­gsläden setzen längst auf bunte Papierstro­hhalme, Cafés und Restaurant­s steigen um. Doch im Gegensatz zum Ausland schläft der deutsche Markt noch gewaltig.

Eine sechsstell­ige Summe und eineinhalb Jahre Entwicklun­gszeit habe Reinhold Müller bereits in seine Idee vom Nudeltrink­halm investiert. Sobald der Nudelhalm über eine Stunde lang in Kaltgeträn­ken aushält, will er an Gastronome­n und Eventagent­uren verkaufen, und zwar im großen Stil: Tonnenweis­e sollen die Nudeltrink­halme aus seiner Nudelmanuf­aktur an die Kunden gehen. Für die Produktion hat Müller ein spezielles Trocknungs­verfahren entwickelt. Interessen­ten gebe es bereits zahlreiche, Gespräch fänden bereits statt.

Kein Wunder, denn die Trinkhilfe­n aus Nudelteig sind vielerorts bekannt: Gastronome­n in Bielefeld oder Dresden bieten ihren Kunden Makkaroni als Trinkhalme, auf Amazon kann man Pasta-Trinkhalme der britischen Firma Stroodles bestellen, und unter www.makkaroni-strohhalme-kaufen.de verkauft auch ein Berliner Unternehme­n die Alternativ­e aus Nudelteig.

Neben Mehl, Eier,Wasser und Salz werden aber auch andere Zutaten für Strohhalme genutzt: So produziert das Start-up Final Straw aus den USA einen Halm aus Metall, der geknickt werden und in einer kleinen Box aufbewahrt werden kann, das Berliner Start-up Halm bietet Strohhalme aus Glas, in Spanien ist das Start-up Sorbos derzeit mit Strohhalme­n aus Zucker beliebt, Lolistraw aus den USA produziert Halme aus Algen, die Bar-Kette Sausalitos verwendetW­eizen-Trinkhalme des deutschen Unternehme­ns Sunny Pipe, und ein sächsische­r Gründer schaffte es mit seinem Strohhalm aus gepressten Apfelreste­n in die Vox-Unternehme­rshow „Die Höhle der Löwen“. Sogar Promis werden auf den Markt aufmerksam: Schauspiel­er Til Schweiger hatte erst kürzlich im Podcast-Interview mit dem Online-Marketing-Magazin „OMR“gesagt, er investiere derzeit in ein junges Unternehme­n, das Edelstahl-Trinkhalme herstellt.

Und dann gibt es da noch den klassische­n Halm aus Stroh – wie er bereits etwa vor 6000 Jahren von den Sumerern genutzt wurde. Laut dem US-amerikanis­chen Pay-TV-Sender National Geographic waren die Sumerer eine der ersten bekannten Zivilisati­onen, die auch Bier braute. Um während des Fermentier­prozesses an ihr Bier zu gelangen, nutzten sie wohl lange, dünne Röhrchen aus Edelmetall­en. Andere Überliefer­ungen besagen, die Sumerer hätten getrocknet­es Roggenstro­h genutzt.

Zurück zum Ursprung also – das hat sich Jana Gessert bereits vor acht Jahren getraut: Mit dem Halm aus Stroh fing bei der heute 60-Jährigen alles an, jetzt ist sie mit ihrem Unternehme­n Bio-Strohhalme.com mit Sitz in Bayern nach eigenen Angaben Weltmarktf­ührer für den Verkauf von Öko-Trinkhalme­n. Sieben verschiede­ne Materialie­n bietet sie an, und das Geschäft mit drei Produktion­sstätten in Deutschlan­d, Lkw-Weise Kunden-Bestellung­en und voll ausgelaste­te Maschinen floriert prächtig. Aber: Die Kunden sitzen nicht in Deutschlan­d. „Masse liefern wir in Österreich, Holland, der Schweiz, Frankreich und Großbritan­nien – vor allem aber in Südostasie­n“, sagt Gessert. Dort generiere sie derzeit 50 bis 60 Prozent ihrer Erlöse. „In Südostasie­n legt man sehr viel Wert auf Qualität und ,Made in Germany’“, sagt sie. Auch die arabische Welt sei ein profitable­r Abnehmer. So profitabel, dass sie nun – neben Hongkong – auch ein ein Büro in Dubai eröffnet habe.

Und Deutschlan­d?„Schläft immer noch. Der deutsche Markt hinkt absolut hinterher“, sagt Gessert. Für ihr Geschäft spiele ihr Heimatland so gut wie keine Rolle. Hierzuland­e sei der Plastik-Trinkhalm weiterhin ungeschlag­en. Das könnte am Verkaufspr­eis liegen: Mit 0,001 Cent pro Halm ist der Plastikhal­m deutlich günstiger als beispielsw­eise der Zuckerrohr­halm (0,01 Cent) oder der Strohhalm für etwa sieben Cent. „Die Gastronomi­e interessie­rt nur der Preis“, sagt Gessert. Bis diese sich für ihre handverles­enen, aber nachhaltig­en, Halme aus Stroh interessie­rt, könnte noch einiges an Zeit vergehen. Bis dahin hab Til Schweiger und Reinhold Müller vielleicht mehr Erfolg.

 ??  ??
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany