Rheinische Post Krefeld Kempen

Mies pur: Der Indizien-Kr

Auch wenn bislang ein Bauplan mit der Unterschri­ft von Mies van der Rohe nicht entdeckt ist: Die Villa Heusgen gilt vielen als Mies-Bau

- VON JENS VOSS

Ungeachtet der Berühmthei­t von Haus Lange und Haus Esters: DasWerk in Krefeld, in dem Mies van der Rohe pur zu sehen ist, ist die Villa Heusgen. Die kubische Kompositio­n, die wandhohen Fenster, die Stahl-Glas-Konstrukti­on, die Durchsicht­en in die Landschaft, diese ganze Anmutung, als wäre ein Gebäude mit einem spitzen Bleistift als Grafik in die Landschaft gezeichnet: Die architekto­nische Handschrif­t der Villa Heusgen ist anders als bei der Doppelvill­a Lange / Esters frei von Kompromiss­en. Das Einzige, was im Vergleich zum Entwurf fehlt, sind sogenannte Wandscheib­en, die aus dem Baukörper in den Garten ragen sollten. „Das sind Akzente, die den Blick noch klarer nach außen richten und strukturie­ren sollten“, erläutert Architekt Karl Amendt, „doch die Eheleute Heusgen wollten diese Scheuklapp­en, wie sie dieWandele­mente genannt haben, nicht haben.“Amendt hat die Villa 1999 nach dem Tod des letzten Krefelder Vertreters der Familie Heusgen gekauft und denkmalger­echt saniert hat. Die Stadt Krefeld ehrte seine Leistung seinerzeit mit dem Denkmalpre­is. Die Fundamente für die Wandscheib­en sind noch vorhanden, berichtet Amendt.

DieVilla Heusgen hat im Krefelder Bauhaus-Jahr nicht die Rolle gespielt, die sie hätte spielen sollen. Formal spiegelt sie die Handschrif­t von Mies van der Rohe, was bisher fehlt, ist seine Unterschri­ft unter einem Bauplan. Zweifel daran, dass man vor einem Gebäude steht, das Mies entworfen hat, kann man für Amendt nicht haben. Es gebe eine„Beweiskett­e“, viele historisch­e Zeugen, die von der Urhebersch­aft Mies‘ überzeugt sind. Und es gibt die Fachleute von heute, die in dem Gebäude Mies’schen Gestaltung­swillen klar erkennen. Als die Ausstellun­g „Mies im Westen“im Mai eröffnet wurde, sagte einer der federführe­nden Experten, Prof. Norbert Hanenberg (THM Giessen): Die Villa Heusgen sei „in Formenspra­che, Konstrukti­on und Details ohne Mies van der Rohe nicht denkbar, auch wenn andere Architekte­n auf dem Bauschild gestanden haben.Würde einer meiner Angestellt­en mich so kopieren, würde ich ihn verklagen.“

Hintergrun­d der Bemerkung: Es gibt ein historisch­es Foto von einem Baustellen­schild aus der Bauphase der 1932 errichtete­n Villa Heusgen, auf dem sich die Namen Wettstein als Architekt und Kaiser finden. „Wettstein war der Statiker der Villa Heusgen und Kaiser ein Angestellt­er im Büro Mies van der Rohe“, erklärt dazu Karl Amendt. Warum findet sich dort nicht der Name des Chefs? Weil der Name Mies van der Rohe in Krefeld in der Phase der aufziehend­en Herrschaft der Nazis nicht gut gelitten war, lautet die Antwort. Schon bei den Entwürfen von Haus Lange und Esters, die Mies in den Jahren 1927/28 entworfen hat, soll es wegen der Eigenwilli­gkeit der geplanten Gebäude Probleme gegeben haben, eine Baugenehmi­gung zu bekommen. Dazu gibt es Zeitzeugen.

Einer ist der Krefelder Architekt Herbert Füngerling­s, der in den 50er Jahren viel mit Hedwig Esters über die Geschichte der Villen gesprochen hat. Füngerling­s berichtet, er sei 1957 mit der Restaurier­ung der Villa Esters beauftragt worden und habe in dieser Phase fast täglich mit Hedwig Esters gesprochen. Sie habe unter anderem von Schwierigk­eiten berichtet, eine Baugenehmi­gung für die Häuser Lange und Esters zu bekommen – Schwierigk­eiten, die auf den Namen Mies zurückzufü­hren gewesen seien. „Sie fügte hinzu, dass die Familie Heusgen bei deren Wohnhaus am Talring keine Schwierigk­eiten gehabt habe, da der Name Mies stets unerwähnt geblieben sei“, berichtet Füngerling­s weiter, der heute 89 Jahre alt ist. „Um keinenVerd­acht der Urhebersch­aft von Mies van der Rohe auftreten zu lassen, habe die Familie Heusgen die Bauanträge jeweils von ihrem Statiker unterschre­iben lassen.“Füngerling­s sagt noch einen weiteren wichtigen Satz, der auf die Urhebersch­aft von Mies hinweist. Hedwig Esters hat demnach stets drei Gebäude in einem Atemzug als Mies-Gebäude genannt: die Häuser Lange und Esters sowie die Villa Heusgen.

Dass es Mies war, gen entworfen hat, folgenden Jahrzehn lich vorausgese­tzt w und auch Amendt se es für den Krefelder rektor der Krefelde Fritz G. Winter (191 dass die Villa Heusge Er habe das Gebäud stets als „Musterhau chitektur“zum Stud berichtet Füngerling

Wichtiger noch a Amendt die Bauherr selbst: Milly Heusge Heusgen. Amendt, d turbüro eröffnet hat Anfang der 70er Jahr kennengele­rnt. Er s

 ?? AMENDT ?? Bauherren der Villa Heusgen: Milly und Karl Heusgen mit ihrem Sohn. Milly erzählte später Karl Amendt die Entstehung­sgeschicht­e der Villa.
AMENDT Bauherren der Villa Heusgen: Milly und Karl Heusgen mit ihrem Sohn. Milly erzählte später Karl Amendt die Entstehung­sgeschicht­e der Villa.
 ??  ?? Waschbecke­n und Armaturen sind den Originalen nachempfun­den; der Stil entstammt der Formenspra­che des Bauhauses.
Waschbecke­n und Armaturen sind den Originalen nachempfun­den; der Stil entstammt der Formenspra­che des Bauhauses.
 ??  ?? Klare kubische Struktur: Seitenansi­cht der Villa Heusgen.
Klare kubische Struktur: Seitenansi­cht der Villa Heusgen.
 ??  ?? Der Rohbau entspricht der Art, wie Mies im großen Stil in Amerika gebaut hat: mit Stahl-Glas-Konstrukti­onen.
Der Rohbau entspricht der Art, wie Mies im großen Stil in Amerika gebaut hat: mit Stahl-Glas-Konstrukti­onen.
 ??  ?? Dieses Modell der Villa Heusgen (hier auf einem historisch­en Foto) stand laut Milly Heusgen im Büro von Mies.
Dieses Modell der Villa Heusgen (hier auf einem historisch­en Foto) stand laut Milly Heusgen im Büro von Mies.

Newspapers in German

Newspapers from Germany