Rheinische Post Krefeld Kempen
Zwischen Gebrauchtwagen und Oldtimer
Autos, die rund 20 Jahre alt sind, erfreuen sich wachsender Beliebtheit. Thomas Schmid aus Willich ist einer dieser Youngtimer-Fans.
WILLICH Neuwagen, Jahreswagen, Gebrauchtwagen – und nach 30 Jahren ein Oldtimer. Doch was ist mit der Zeit dazwischen, der Zeit, in der sich entscheidet, ob ein altes Auto auf dem Schrottplatz landet oder weiter gehegt und gepflegt wird und zum Klassiker reifen darf? Fans sprechen dann von „Youngtimern“. Autos, die etwa 20 Jahre auf dem Buckel haben und dem Laien im Straßenverkehr gar nicht weiter auffallen, weil sie vor wenigen Jahren noch zum Straßenbild gehörten: Mercedes und BMW aller Baureihen oder VW Golf, Passat oder Corrado, Opel Vectra, Omega und Calibra, Audi 80, 90, 100 oder 200, eher Skurriles wie der Suzuki Vitara, ein später Ford Mustang, Sportwagen wie der Nissan 200SX und, und, und.
Die Fangemeinde solcher Fahrzeuge wächst stetig, es gibt Internetforen, Fachmagazine, Youtubekanäle und Veranstaltungen zum Thema zuhauf. Einer dieser Youngtimer-Liebhaber ist Thomas Schmid aus Willich. Derzeit fährt er am liebsten mit einem 23 Jahre alten Mercedes SL320. „Dach auf und genießen. Was gibt es Schöneres am Feierabend“, sagt Schmid. Der 52-Jährige gehört zu der Generation, in der der Mercedes SL der Baureihe R129 als Neuwagen zu kaufen, aber vielen noch zu teuer war. Jetzt, nach zwei, drei Jahrzehnten im Beruf erfüllen sich immer mehr Enthusiasten ihre Kinderheits- oder Jugendträume. Wobei die Autos nach einem Preissturz als Gebrauchtwagen seit ein paar Jahren wieder deutliche Wertzuwächse verzeichnen – „und sich jetzt auf einem realistischen Niveau eingependelt haben“, so Schmid. Heißt: 15.000 bis 30.000 Euro muss man für einen gepflegten SL auf den Tisch legen.
Auch Schmid, der nach eigenem Bekunden bis vor einigen Jahren mit Young- und Oldtimern noch nicht viel am Hut hatte, hat sich seinen Jugendtraum erfüllt. Bei ihm kommt allerdings hinzu, dass er Kfz-Meister ist und in seiner bald 30 Jahre zurückliegenden Gesellenzeit selbst an den heutigen Klassikern geschraubt hat. Schmid hat seit seiner Kindheit Benzin im Blut, schon als kleiner Junge begleitete er seinen Vater Xaver zur Feierabendzeit oder am Wochenende, wenn dieser in seiner Mercedes-Werkstatt Notdienst hatte.„MeinVater war froh, wenn er seine Ruhe hatte, aber ich habe mich gefreut, wenn das Telefon klingelte und es einen Einsatz gab“, erinnert sich Thomas Schmid. Um es kurz zu machen: Heute führt Schmid das von seinemVater 1964 alsWerkstatt gegründete Mercedes-Autohaus. Und die nächste Generation steht schon bereit: Schmids elfjähriger Sohn Julien ist mindetens ebenso autoverrückt wie sein Vater.
Zurück zu den Youngtimern: Als Schmid seine Liebe zu diesen Autos entdeckte, waren solche Fahrzeuge gerade schwer angesagt, und so entschied sich Schmid, auch mit Youngtimern zu handeln.„Natürlich ist das ein eigener Geschäftszweig, mit dem wir Geld verdienen, aber es steckt auch viel Herzblut drin“, sagt Schmid, dem seine Freude an solchen Autos im Gespräch anzumerken ist. Und so läuft der Verkauf eines Youngtimers auch völlig anders ab als der eines Neuwagens. „Es gibt viel mehr und viel intensivere Kontakte zum Kunden – auch lange über den Verkauf hinaus.“Das Klassikergeschäft ist bei Schmid in großenTeilen Chefsache, dennThomas Schmid kümmert sich um den Ankauf der Autos, fährt dafür durchaus auch am Wochenende los, um gute Autos aufzuspüren und mit denVerkäufern lange „Benzingespräche“zu führen.
„Man lernt schon sehr interessante Leute kennen. Meist sind es bodenständige Menschen, die schon etwas erreicht haben und sich mit der Materie auseinandergesetzt haben“, sagt Schmid, der sich nicht selten nur schweren Herzens von den Klassikern trennen kann. „Ich kenne durch die Gespräche mit den Vorbesitzern halt die gesamte Historie der Fahrzeuge und bewege sie gerne selbst. Manche Schätzchen möchte ich am liebsten gar nicht mehr hergeben.“Dabei sind es nicht mal unbedingt die höherpreisigen Autos, die es ihm angetan haben. Auch ein Mercedes der 124er-Baureihe aus den späten 80er- oder frühen 90er-Jahren, wie er bis vor wenigen Jahren zu Tausenden als Taxi durch Deutschland rollte, hat für ihn seinen Reiz. Sei es als 200E mit Vierzylindermotor und 118 PS (die gibt es aus Privathand schon für wenige Tausend Euro) oder als 500E, der bei Porsche entwickelt und gebaut wurde und einen Achtzylinder mit 326 PS unter der Haube hat. Für solch ein Exemplar ist allerdings schon ein mittlerer fünfstelliger Betrag fällig.
Schmid mag anYoungtimern, dass sie zwar schon den Geist eines automobilen Klassikers in sich tragen, dabei aber doch alltagstauglich sind. „Bei meinem SL zum Beispiel drücke ich einen Knopf, und das Dach geht auf.“Zudem hat der Wagen vier Airbags und einen Überrollbügel, der im Ernstfall hochklappt. Und so begleitet ihn dasThema Auto auch am Feierabend. „Ich lebe halt mit und vom Auto“, sagt Thomas Schmid.