Rheinische Post Krefeld Kempen
Letzter Wunsch erfüllt
Der an einer tödlichen Nervenkrankheit leidende Oliver Moßmann aus Ratingen ist Vater geworden.
RATINGEN Die erste halbe Stunde hatten Vater und Sohn für sich. Das Baby war per Kaiserschnitt auf die Welt gekommen, und weil Mutter Marina noch versorgt werden musste, brachte man es zum Vater. Oliver Moßmann hatte nebenan gewartet, weil im OP kein Platz für seinen Rollstuhl war. Eine Hebamme legte ihm erst ein Kissen auf den Schoss und darauf dann das Baby, das der große Oliver nur „Klein Oliver“nennt. Er streichelte sein Köpfchen, er hielt seine Hand. So wie er es sich gewünscht hatte.
Moßmann hatte nicht gewusst, welche Gefühle die Geburt in ihm auslösen würde, auch wenn es sein letzter großerWunsch war. Denn der 50-jährige Ratinger hat Amyotrophe Lateralsklerose (ALS), eine tödlich verlaufende Nervenkrankheit, die den Betroffenen immer bewegungsunfähiger macht, bis schließlich auch die Atemmuskulatur so angegriffen ist, dass er erstickt. Dass er die Geburt seines Kindes noch erleben würde, war alles andere als sicher. Ihn quälte der Gedanke, dass seine Frau die ganze Verantwortung allein tragen würde. Doch als der kleine Oliver an jenem Sonntagmittag auf seinem Schoß lag, war er einfach nur froh, dass das Kind auf der Welt ist und es ihm gut geht.
Seit der Rückkehr aus dem Krankenhaus kümmert sich Marina Moßmann (40) nun um zwei Olivers. Der große muss in der Nacht mehrfach gewendet, der kleine mehrfach gestillt werden. So oft es geht, legt sie ihr Baby auf die Brust des Mannes, damit sie kuscheln können, sich gegenseitig riechen. Im Rollstuhl fährt Oliver, der die höchste Pflegestufe hat, seinen Sohn spazieren. „Alle behaupten, er sehe mir ähnlich“, sagt er. „Das tut mir leid für ihn. Meine Frau ist schöner.“Beide haben jeweils schon einen Sohn aus erster Ehe.
Nachdem er sein letztes großes Ziel erreicht hat, arbeitet Moßmann daran, ein neues zu finden. Doch momentan will er einfach den Tag überstehen, „um am nächsten Tag wieder glückliche Momente zu haben“.