Rheinische Post Krefeld Kempen
Treibgut-Boot fürs Uerdinger Rheinufer
Ihr Rheingucker auf der Uerdinger Promenade bekommt Gesellschaft: Marion Schulz-Staufenbiel hat eine zweite Installation für die Rhine Side Gallery errichtet. Heute Abend wird eine dritte Arbeit enthüllt.
Der Rhein erzählt Geschichten. Und die finden Aufmerksame, wenn sie in den Morgen- und Abendstunden am Ufer entlangflanieren, aufsammeln, was der Fluss und Zeitgenossen dort hinterlassen haben, und dabei die Augen offen halten. „Wenn ihr etwas Besonderes findet, das nach Treibgut aussieht, dann gebt Bescheid“, hatte Marion Schulz-Staufenbiel der Guerilla-Picking-Gruppe auftragen. Und sie war auch selbst mit den Ehrenamtlern auf Streifzug gegangen, die regelmäßig das Uerdinger Rheinufer vom Müll befreien. Denn besondere Fundstücke sollten Teil ihrer künstlerischen Arbeit werden. „Treibgut“heißt die Installation, die nun am Beach des Uerdinger Rheinufers steht – in unmittelbarer Nähe ihres überdimensionalen metallenen Rheinguckers, den sie vor wenigen Wochen im Rahmen des Projekts Rhine Side Gallery aufgestellt hatte.
Das Treibgut-Boot ist der zweite Teil eines Installations-Dreiklangs. Der dritte Teil heißt „Uerdingen gemeinsam und nicht allein“undwird am heutigen Freitag um 18.30 Uhr feierlich enthüllt. „Es ist mir wichtig, dass alle drei Arbeiten Bezug zu einander haben – und dass sie mit Uerdingen verbunden sind“, erklärt Schulz-Staufenbiel.
Ihr Boot ist aus Holz gefertigt und hat einen hölzernen Insassen. Die Bootswände sind mit dem Treibgut verkleidet, das die Künstlerin mit ihren Helfern Bärbel Landshöft und Thomas Neumann, sowie den Guerilla Pickern aufgesammelt hat. Kuriose Funde waren darunter. „Ich habe mich sehr gefreut über einen Kinderschwimmreifen in leuchtendem Grün und Rot, weil er ein willkommener Farbklecks für meine Arbeit war. Aber mir ist dann auch merkwürdig zumute geworden. Der Reifen war noch voller Luft. Da macht man sich schon Gedanken dazu.“Vermutlich hat ein Windstoß den Reifen ins Wasser befördert. Vielleicht ebenso wie eine wissenschaftliche Arbeit. „Wir haben eine Seite gefunden, auf der ,Gott und die Leiden der Menschheit’ noch zu lesen war. Wer das am Strand oder auf einem Schiff gelesen hat, hat es mit handschriftlichen Notizen versehen.“
Als wahre Fundgrube hat sich das Rheinufer zwischen Friemersheim und dem Fähranleger Meerbusch für die Treibgutsammler entpuppt. „Wir sind auch ans gegenüberliegende Ufer nach Duisburg gegangen, weil dort mehr angeschwemmt wird“, sagt Schulz-Staufenbiel. Ein grüner Kinderhandschuh mit aufgenähten Kulleraugen, ein Teil, dessen Struktur sie als Künstlerin angesprochen hat, obwohl nicht mehr festzustellen sei, ob es aus Holz, Textil oder anderem Stoff bestand. „Wunderschön ist ein Fragment vom Deckel eines blauen Industriefasses, den sich die Natur erobert hat: Kleine Steine und Muscheln sind darin so fest verwachsenen, dass man sie nicht mehr lösen kann.“
Ihre dritte Arbeit ist ein Brückenschlag zwischen Uerdinger Historie und Gegenwart. Beim Heimatbund hat sie den Grundriss aus dem Jahr 1225 mit allen Wällen und Stadttoren entdeckt. Der ist Grundlage. Eine junge Familie, die an einem alten Wall wohnt, hat sie bei Spaziergängen mit der Fotokamera begleitet. „Ich möchte zeigen, dass junge Leute die historischen Orte heute schätzen“, sagt Schulz-Staufenbiel. So hat sie mit einem anderen Paar Uerdingen als Shoppingstadt gewürdigt, die Karnevalsstadt, die Guerilla Picker und junge Fabriz-Schülerinnen, die eine Choreografie einübten, kommen auf den Platten von „Uerdingen gemeinsam“vor.