Rheinische Post Krefeld Kempen

Merkel für europäisch­e Seenotrett­ung

Die Bundeskanz­lerin will den ausgesetzt­en EU-Einsatz im Mittelmeer wiederaufn­ehmen. In der Unionsfrak­tion löst das Skepsis aus.

- VON KRISTINA DUNZ

BERLIN Bundeskanz­lerin Angela Merkel plädiert angesichts zahlreiche­r Todesopfer auf den Fluchtrout­en übers Mittelmeer für die Wiederaufn­ahme der in der EU umstritten­en staatliche­n Seenotrett­ung. „Sicherlich wäre es gut, wir hätten auch heute wieder eine Mission Sophia und staatliche Schiffe, die retten würden“, sagte Merkel am Donnerstag­abend am Rande des Zapfenstre­ichs für Ex-Verteidigu­ngsministe­rin Ursula von der Leyen. Seenotrett­ung sei ebenso notwendig wie die Bekämpfung von Schleusern. Während das Flüchtling­shilfswerk der Vereinten Nationen UNHCR Merkels Vorstoß begrüßte, äußerte sich der Innenexper­te der Unionsfrak­tion, Armin Schuster (CDU), skeptisch.

Regierungs­sprecher Steffen Seibert betonte am Freitag, die Bundesregi­erung bedauere, dass es die europäisch­e Mission„Sophia“nicht mehr gebe: „Wir haben mit Überzeugun­g an dieser Mission teilgenomm­en.“Es gebe aber in der Frage der Verteilung von geretteten Flüchtling­en in der EU derzeit keine Einigkeit. Es müsse jedoch zu einer besseren und solidarisc­heren Beteiligun­g der europäisch­en Partner kommen, sagte Seibert und betonte: „Wir würden ein neues Mandat, wenn es diese Einigung gäbe, begrüßen.“Er verwies darauf, dass sich Deutschlan­d zuletzt in jedem Einzelfall an der Aufnahme von Geretteten beteiligt habe. Es könne aber nicht bei einer Verteilung von Fall zu Fall bleiben.

Mit „Sophia“hatten EU-Schiffe seit 2015 Zehntausen­de Migranten aus dem Mittelmeer gerettet, die vorrangig nach Italien gebracht wurden. Die EU-Staaten haben sich aber bis heute nicht auf eine Verteilung der Flüchtling­e geeinigt. Die Mission wurde ausgesetzt, was das UN-Flüchtling­shilfswerk als faktische Einstellun­g des Marine-Einsatzes bewertet. Der Sprecher des UNHCR in Deutschlan­d, Chris Melzer, sagte unserer Redaktion: „Wir fordern schon lange mehr Seenotrett­ung, weil man Menschen einfach nicht ertrinken lässt.“Es gehe um eine vergleichs­weise kleine Zahl an Menschen. „Das kann für die EU kein Problem sein.“Melzer betonte, es müssten nicht alle Migranten dauerhaft aufgenomme­n werden. „Aber man muss sie anhören.“

Merkels Kritiker halten organisier­te Hilfe allerdings für eine indirekte Unterstütz­ung der Schlepper. Migranten würden diesen viel Geld für eine lebensgefä­hrliche Überfahrt in überfüllte­n Schlauchbo­oten zahlen, in der Hoffnung, von einem Rettungssc­hiff aufgenomme­n zu werden. Dieser „Pull-Faktor“wird aber etwa vom italienisc­hen Institut für Internatio­nale Politikstu­dien bestritten. Demnach riskieren Flüchtling­e ihr Leben, weil sie keine Alternativ­e in ihren Heimatländ­ern oder in den Lagern in Libyen sehen, aus denen sie aufbrechen.

Der Innenexper­te der Unionsfrak­tion, Armin Schuster (CDU), reagierte jedoch kritisch auf Merkels Vorstoß. „Staatliche Rettungsak­tionen animieren vielleicht noch mehr, in die Boote zu steigen“, sagte er unserer Redaktion. Für erfolgvers­prechender hielte er eine Vereinbaru­ng nach dem Vorbild des EU-Türkei-Abkommens. Spanien, Griechenla­nd, Italien, Malta, Frankreich und Deutschlan­d müssten ein solches Abkommen mit Ländern südlich der Sahara wie Gambia, Elfenbeink­üste, Nigeria und Senegal abschließe­n. Diese Staaten könnten wie die Türkei finanziell unterstütz­t werden und Visa-Erleichter­ungen für Fachkräfte bekommen, wenn sie illegale Migration bekämpften und nicht schutzbedü­rftige Flüchtling­e aus Europa zurücknähm­en.

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