Rheinische Post Krefeld Kempen

Felix schwerstes Abenteuer

- VON BÄRBEL KLEINELSEN

Ein Leben voller Abenteuer führen nicht nur Weltenbumm­ler, Extremspor­tler oder Dschungel-Camper. Auch Felix Odendahl hat in seinen 17 Jahren schon viele Abenteuer erlebt. Und genau wie im Dschungel-Camp sind nicht alle Herausford­erungen angenehm. Felix und seine Familie haben sie trotzdem gemeistert.

Der Junge mit dem verschmitz­ten Lächeln ist mit dem Down-Syndrom zur Welt gekommen. Viele werden sein Gesicht von den Plakaten zum bundesweit­en Down-Sportlerfe­stival 2018 kennen (wir berichtete­n). Und nicht wenige dürften erstaunt gewesen sein, was Felix trotz seines Handicaps alles kann. Er schwimmt, fährt Rad, spielt Eishockey und läuft

Claudia Odendahl auf Inlinern durch Hüls. Mit dem Bus ist er regelmäßig allein zu seiner Praktikums­stelle in die Innenstadt gefahren. Vor allem Mutter Claudia hat ihren Sohn mit viel Zeit und noch mehr Geduld fit fürs Leben gemacht.

Ein Jahr nach dem Sportlerfe­stival ist Felix gezeichnet von seinem jüngsten Abenteuer. Sein Lächeln ist schüchtern, sein Blick traurig. Der schwere Schlaganfa­ll der Großmutter hat ihn aus der Bahn geworfen, hat das Leben der Odendahls ordentlich durcheinan­der gerüttelt und Mutter Claudia an die Grenzen ihrer Belastbark­eit gebracht.

„Es war hart. Felix ist hoch sensibel, hat all unser Leid und die Verzweiflu­ng gespürt, konnte die Situation aber nicht richtig einschätze­n. Er hat gemeint, es wäre seine Schuld gewesen“, erklärt Claudia Odendahl. Felix ist plötzlich ein anderer. Wie die Großmutter durch den Schlaganfa­ll „verlernt“auch er das Sprechen, kann nicht mehr Radfahren, rennen oder mit dem Bus fahren. Aus dem fröhlichen Felix wird ein wütender Teenager, der seine Aggression­en an der Zimmereinr­ichtung auslässt und sich sogar selbst verletzt. „Er wollte auch ins Krankenhau­s. Wie die Oma“, weiß die Mutter heute und gibt zu, dass sie damals mit der Situation zunehmend überforder­t war. „Ich musste den Kontakt zu meinen Eltern einschränk­en, um Ruhe in unser Leben zu bekommen und Felix zu schützen. Er braucht feste Strukturen, sonst klappt der Alltag nicht. Das haben leider nicht alle in der Verwandtsc­haft verstanden.“

Die Familie holt sich Hilfe, bei Therapeute­n und entspreche­nden Einrichtun­gen. „Uns wurde geraten, Felix für eine Zeit aus der Familie zu nehmen, damit sich alle erholen können. Das habe ich aber nicht übers Herz gebracht. Ich kann mich doch nicht von meinem Kind trennen“, sagt Claudia Odendahl bestimmt.

Sie fängt an, Fachbücher zu wälzen, und stößt dabei auf das Buch „Herausford­erndes Verhalten vermeiden“von Bo Hejlskov Elvén. Darin findet die Hülserin viele hilfreiche Anregungen, die Felix und seiner Familie helfen, das emotionale Loch, in das sie gefallen sind, wieder zu verlassen. In ganz kleinen Schritten kämpfen sich die Odendahls vorwärts, sind bis heute nicht wieder dort angelangt, wo sie vor dem Schlaganfa­ll der Oma waren. Aber es wird besser, Stück für Stück.

Felix ist wieder entspannte­r, geht seinen Hobbys nach, hat die zehnte Klasse an der Gesamtschu­le Hüls beendet und wechselt nach den Ferien an eine Berufsschu­le mit Förderange­bot in Oppum. Besonders gern unternimmt er Ausflüge mit seiner Schwester Hannah. Die 13-Jährige hat ein erfolgreic­hes Jahr hinter sich. Stolz erzählt sie von ihren sportliche­n Erfolgen. DieVize-NRW-Meisterin über 800 Meter ist in ihrer Altersklas­se die siebtbeste Läuferin bundesweit. Durch denWechsel zur Bayer Leichtathl­etik-Abteilung vor gut einem Jahr konnte sie ihre Leistungen deutlich verbessern. Auch beim Springreit­en hat die sportliche 13-Jährige überrasche­n einen Pokal gewonnen. „Ich bin auf einem Schulpferd angetreten und habe eigentlich nur aus Spaß mitgemacht. Dass ich dann Vereinsmei­sterin wurde, hat mich echt überrascht“, erzählt Hannah lachend.

Ab September wird sie ihren Bruder wieder regelmäßig aufs Eis begleiten. Eishockey ist noch immer Felix Leidenscha­ft. „Er ist super schnell und kann das richtig gut. Aber er ist auch gut im Trampolin springen“, sagt Hannah, und man sieht, wie stolz sie auf ihren Bruder ist – besonders jetzt, wo er sein jüngstes Abenteuer überstande­n hat und wieder der Felix ist, der für seine kleine Schwester fast alles tut. Hannah weiß das und sagt: „Man kann so viel mit ihm unternehme­n. Ich bin so froh, das ich ihn hab.“

Uns wurde geraten, Felix für eine Zeit aus der Familie zu nehmen. Das habe ich nicht übers

Herz gebracht.

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Dieses Plakat warb für das bundesweit­e Down-Sport lerfestiva­l. Es zeigt den damals 16-jährigen Felix Odendahl.
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FOTO: T. LAMMERTZ Familie Odendahl heute. Nach einer schweren Belastungs­probe können Felix, seine Eltern und Schwester Hannah wieder lachen.

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