Rheinische Post Krefeld Kempen

17. August 1908

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Der Film dauert etwa zwei Minuten und besteht aus Strichmänn­chen, die phantastis­che Dinge erleben. Einer verliert seinen Kopf, der andere schlüpft in eine Flasche. Ein Elefant verwandelt sich in ein Haus, ein Mensch zerfließt. Am 17. August 1908 führte der Regisseur Émile Cohl (Foto) vor Publikum eine neue Art Film vor:„Fantasmago­rie“war der erste Zeichentri­ckfilm, der in Europa gezeigt wurde. Erst zwei Jahre zuvor hatte der US-Amerikaner J. Stuart Blackton die animierte Produktion„Humorous Phases of Funny Faces“auf die Leinwand gebracht und damit gezeigt, was mit der neuen Technik möglich war. Cohl hatte jahrelang als Zeichner und Karikaturi­st gearbeitet, bevor er ab 1907 bei dem französisc­hen Filmuntern­ehmen Gaumont das Handwerk der bewegten Bilder erlernte. Bald schon interessie­rte er sich für die Möglichkei­ten, seine eigenen Zeichnunge­n als Film zu sehen. Für„Fantasmago­rie“zeichnete er rund 700 Bilder, die auf Leinwand wirken, als wären sie mit Kreide auf Tafel gemalt worden. Obwohl das Publikum beeindruck­t war, verfolgte Cohl die Technik zunächst nicht weiter – die Produktion eines reinen Trickfilms erschien ihm schlicht zu zeitaufwen­dig. Die Entwicklun­g ließ sich davon nicht aufhalten. Knapp 20 Jahre, nachdem die ersten Künstler ihre ersten Zeichentri­ckfilme gezeigt hatten, gründeten die ersten Produzente­n ihre Studios, die die Branche über Jahrzehnte prägen sollten – unter anderem Walt Disney.

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